Übergewicht und Krebs. Prof. Dr. Hermann DelbrückЧитать онлайн книгу.
Erkrankungsrisiken für Gebärmutterkrebs (Endometriumkarzinom), nach Delbrück 2017 (XXX = hohes Risiko, XX = mittleres Risiko, X = vermutetes Risiko)
• | Starkes Übergewicht: | XXX |
• | Alleinige Östrogentherapie: | XXX |
• | Kinderlosigkeit: | X |
• | Frühe erste Regelblutung (Menarche): | XX |
• | Letzte Regelblutung (Menopause nach dem 55. Lebensjahr): | XX |
• | Positive Familienanamnese: | X |
• | Lynch-Syndrom Typ 2 (HNPCC): | XXX |
• | Cowden-Syndrom: | XXX |
• | Bluthochdruck (Hypertonie): | X |
• | Typ-2-Diabetes: | XX |
• | Polyzystische Eierstöcke: | XX |
• | Vorangegangene Strahlenbehandlung im Becken: | XX |
• | Bewegungsmangel: | XX |
• | Tamoxifen-Therapie: | XX |
• | künstliche Befruchtung (in vitro Fertilisation)? | X |
Zusammenhänge mit starkem Übergewicht sind eindeutig. Laut Untersuchungen der Epidemiologen des Deutschen Krebsforschungszentrums waren mehr als ein Drittel aller Gebärmutterkrebspatientinnen zehn Jahre vor ihrer Krebsdiagnose übergewichtig. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit korreliert mit der Höhe des Übergewichts. Übergewichtige und adipöse Frauen haben ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko, bei schwer adipösen Frauen (BMI > 40) ist es sogar auf das Sechsfache erhöht. Die Häufigkeit korreliert jedoch nur mit der des Typ-I Karzinoms (endometroides Karzinom), was sich mechanistisch gut mit östrogenabhängigen Karzinogenese erklären lässt (Dedes und Fink 2015, Behrens 2018, Buskaran et al 2014, Setiawan et al 2013). Frauen, die bereits in jungen Jahren adipös waren, erkranken durchschnittlich zehn Jahre früher als normalgewichtige Frauen (Lu et al 2011).
Hinsichtlich des Wirkmechanismus diskutiert man mehrere Hypothesen. So nimmt man u. a. an, dass es im Falle einer Adipositas zu einem relativen Östrogenüberschuss im Vergleich zu Progesteron und einer Überstimulation der Schleimhautzellen kommt. Nach den Wechseljahren erkranken übergewichtige Frauen häufiger, weil ihre Eierstöcke kein „schützendes“ Progesteron mehr bilden, während das Fettgewebe mehr Östrogen produziert.
Eine weitere Hypothese bezieht sich – ähnlich wie beim Darmkrebs – auf die häufig mit Übergewicht assoziierte Hyperinsulinämie, die das Zellwachstum stimuliert.
Fettsucht führt zu einem chronischen Entzündungszustand, bei dem Wachstumsfaktoren freigesetzt werden, die das Zellwachstum anregen.
Beobachtungen sprechen dafür, dass starkes Übergewicht in der Jugend mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko für endometrioide Karzinome einhergeht (Nevadunsky NS et al 2014). Es kommt früher zur ersten Regelblutung, weshalb sich die Gesamtzahl der Zyklen und die Östrogenexposition erhöht.
Kommentar und Empfehlungen: Eine intensive Aufklärung über die Krebsgefährdung bei Übergewicht ist notwendig. Versagen die klassischen Methoden zur Gewichtsabnahme, dann sollte man im Falle von starkem Übergewicht auch eine bariatrische Operation in Erwägung ziehen (Anreden et al 2017).
Kombinationspräparate sollen die Schleimhaut der Gebärmutter schützen, denn es hat sich herausgestellt, dass eine ausschließliche Östrogen- Behandlung Wucherungen der Gebärmutterschleimhaut auslöst. Gestagene können vor solchen Wucherungen schützen.
Mit Tamoxifen behandelte Brustkrebspatienten sollten über ihr erhöhtes Krebsrisiko aufgeklärt werden.
Kommentar zur Relevanz der Krebsvorsorge-Früherkennung: Für Gebärmutterkrebs gibt es keine speziellen „gesetzlichen Krebsvorsorge-Früherkennungs-Untersuchungen“. Der Abstrich bei der üblichen gynäkologischen Krebsvorsorge-Untersuchung hat keine Aussagekraft. Vielen Frauen ist auch nicht klar, dass eine Ultraschall-Untersuchung (Vaginalsonographie) lediglich unspezifische Hinweise auf eine unregelmäßig aufgebaute Gebärmutterschleimhaut geben kann.
Schamlippenkrebs (Vulvakrebs)
Ein Zusammenhang mit Übergewicht ist nicht bekannt. Zu den Risikofaktoren zählen Humane Papilloma-Viren (HPV) und chronisch entzündliche Hauterkrankungen im Genitalbereich. HPV-assoziierten Karzinome betreffen eher jüngere Patientinnen.
Lungenkrebs
Risiken für Lungenkrebs (im Vergleich zur Normalbevölkerung), modifiziert nach Delbrück 2016 (X = wahrscheinlich erhöht, XX = doppelt so hoch, XXX = mehr als doppelt so hoch, XXXX = sehr hohes Risiko):
• | An Lungenkrebs erkrankter Verwandter ersten Grades < 50 Jahre: | X |
• | An Lungenkrebs erkrankte eineiige Zwillingsgeschwister: | XX |
• | An Lungenkrebs erkrankter Verwandter ersten Grades (Raucher): | XXX |
• | Lebenslanger Tabakabusus: | XXXX |
• | Exraucher: | XXX |
• | Tabakabusus (Pfeife): | XX |
• | Tabakabusus (Zigarre): | XX |
• | Tabakabusus (Wasserpfeife): | XXXX |
• | E-Zigaretten | ? |
• | Alkoholkonsum (Männer) > 50 g täglich: | X |
• | Alkoholkonsum (Frauen) > 30 g täglich: | X |
• | COPD/Emphysem: | XXX |
• | Aids: | XXX |
• | Lungenemphysem: | XXX |
• | Chronische Bronchitis: | X |
• | Idiopathische Lungenfibrose: | XXXX |
• | Multiple Sklerose: | X |
• | Ehemals Tuberkulose: | X |
• | Angeborener Herzfehler: | XX |
• | Asbestexposition (weicher Asbest): | XXXX |
• | Silikose, silikotische Narben: | XX |
• | Raucher bei Silikose: | XX |
• | Raucher bei starker Radonexposition: | XX |
• | Raucher und gleichzeitiger BRCA2-Genträger: | XXX |
• | Kein Rauchabzug in der Küche: | X |
• | Übergewicht im jugendlichen Erwachsenenater: | XX |
• | Zentrales Bauchfett: | XX |
• | Körperliche Inaktivität: | XX |
• | Passivraucher: | X |
• | Nichtraucher, der sich mehr als zehn Jahre in stark verräucherten Arbeitsräumen aufgehalten hat: | XX |
• | Erhöhte Luftschadstoffkonzentration, Feinstaubbelastung: | XX |
• | Dieselrußexposition: | XX |
• | Radon-belastete Wohnbereiche: | XXX |
• | Niedriger sozioökonomischer Status: | X |
• | Hormonersatztherapie bei Frauen (in und nach den Wechseljahren): | X |
• | Beta-Carotin-Nahrungsergänzungsmittel (bei Rauchern): | XX |
• | Längere Einnahme von hoch dosiertem Vitamin B12 und B9: | X |
Radon zählt, neben Tabakkonsum und Asbest, zu den Hauptursachen für Lungenkrebs. Das radioaktive Edelgas ist in der Erde enthalten und kann durch den Untergrund in Gebäude eindringen. Die hierdurch verursachte Strahlenbelastung lässt sich durch die Einhaltung der heutigen Bauvorschriften reduzieren.
Die Feinstaubbelastung wird allgemein als wesentlicher Risikofaktor angesehen. Gesichtsmasken schützen zwar etwas, bieten jedoch letztlich ein falsches Sicherheitsgefühl, da sie die in der Luft befindlichen, krebserregenden Feinstaub-Schadstoffe kaum filtern.
Die COPD ist ein starker Risikofaktor bei Nichtrauchern. Sie wird häufig durch Rauchen ausgelöst, kann aber auch andere Ursachen haben; so z. B. einen Alpha-1-Antitrypsinmangel oder Chemikalien und Schadstoffe wie Feinstaub, denen manche Menschen am Arbeitsplatz ausgesetzt sind.
Asbest kann Lungen- und Rippenfellkrebs (Mesotheliom) auslösen. Asbest wurde in der Vergangenheit häufig als Baumaterial, zum Brandschutz und zur Isolation verwendet. Seit 1993 ist die Nutzung von Asbest in Deutschland weitgehend verboten. Dennoch stellt die