Übergewicht und Krebs. Prof. Dr. Hermann DelbrückЧитать онлайн книгу.
beim Abriss oder Umbau älterer Gebäude werden die gefährlichen Fasern freigesetzt.
Bei Rauchern und Kindern mit angeborenen Herzfehlern (ebenfalls eine Hochrisikogruppe) lassen sich bereits Jahre – ja, Jahrzehnte – vor Ausbruch der Krebserkrankung, überproportional häufig Krebsvorstufen oder Mikrokarzinome feststellen. Möglicherweise werden sie bei einer zusätzlichen Insulinresistenz bzw. bei Übergewicht zum Wachstum angeregt.
Obwohl Nikotin den Stoffwechsel bei Rauchern anregt, und diese meist eher unter- als übergewichtig sind, zählt „Übergewicht“ zu den Erkrankungsrisiken. Entscheidend für das erhöhte Krebsrisiko ist allerdings weniger der BMI als die Körperfettverteilung; der Bauchumfang ist bei Rauchern häufig groß. Im Vergleich zu Personen mit hohem BMI und normalem Taillenumfang besteht bei niedrigem bis normalem BMI, aber großem Taillenumfang, ein erhöhtes Erkrankungsrisiko (Yu et al 2018). Nicht nur die Krebsentstehung wird durch das „viszerale Bauchfett“ negativ beeinflusst, sondern auch der Krankheitsverlauf. Die Krebserkrankungen sind aggressiver (Smith et al 2012, Jeffreys et al 2004, Gray et al 2011, Marshall et al 2019). Ein weiteres Argument für die Krebsgefährdung ist die Beobachtung, dass übergewichtige Kinder und Studenten später unverhältnismäßig häufig an Krebs – auch an Lungenkrebs – erkranken.
Kommentar und Empfehlungen: Die IARC/WHO geht davon aus, dass 90 % aller Lungenkarzinome vermeidbar sind (Ferlay et al 2018). In einem „Deutschland ohne Tabak“ wären 2018 nur 7000 Menschen an Lungenkrebs erkrankt, sagt das DKFZ. Tatsächlich waren es 53.000!
Die Anzahl der Raucher unter den Lungenkrebserkrankten – einschließlich der Tabak Kauer und Schnupfer – hat merklich abgenommen. Die Risikoreduktion ist speziell bei Frauen und bei Jugendlichen deutlich. Zuvor hatte es bei ihnen, eine stetige Zunahme der Krebserkrankungen gegeben. Erfreulicherweise wurde inzwischen auch in Deutschland ein Werbeverbot für Tabakprodukte, das ab 2021 schrittweise umgesetzt werden soll.
E-Zigaretten werden weltweit zur Entwöhnung vom Tabakkonsum eingesetzt, sind aber umstritten. Namhafte Mediziner stehen E-Zigaretten kritisch gegenüber. E-Zigaretten reduzieren ihrer Ansicht nach zwar das Lungenkrebsrisiko, gehen dafür aber mit anderen gesundheitlichen Risiken einher.
Nahrungsergänzungsmittel – einzeln oder in Kombination eingenommen – verringern nicht das Erkrankungsrisiko. Im Gegenteil: einige Vitaminpräparate erhöhen das Risiko sogar. So erhöht Vitamin A das Lungenkrebsrisiko bei Rauchern und bei Menschen, die Asbest ausgesetzt sind. Die Einnahme von Vitamin H (Biotin) kann Laborergebnisse verfälschen.
Kommentar zur Relevanz von Krebsvorsorge-Früherkennungs-Untersuchungen:
Für Lungenkrebs gibt es kein gesetzliches Krebs-Früherkennungs-Programm, gleichwohl ein solches immer wieder propagiert wird. Das liegt daran, dass der Nutzen sehr kontrovers eingestuft wird.
Man ist sich dahingehend einig, dass regelmäßige Sputumuntersuchungen und konventionelle Röntgen-Lungen-Aufnahmen wenig aussagekräftig sind – und man auf sie deswegen zum Screening verzichten sollte.
Einiges spricht für die Vorteile eines Screenings mit einer Niedrig-Mehrschicht-Computertomographie. Dafür spricht die bessere Erkennung peripherer Lungenherde. Vor allem Frauen haben solche peripher lokalisierten Krebsherde. Die bei Männern dominierenden Krebsherde im Lungenmittelfell (Mediastinum) sind im CT hingegen schwerer zu erkennen.
Gegen das CT-Screening spricht die Gefahr einer Überdiagnostik und -therapie. Zwischen gut- und bösartigen Herden, besonders denjenigen im Lungenmittelfell - kann die Computertomographie nur schwer unterscheiden. Beinahe ein Viertel der computertomographisch gestellten Verdachtsdiagnosen stellt sich bei der Operation als gutartig heraus (falsch positive Befunde). Ein nicht geringer Prozentsatz der Karzinome wird nicht erkannt (falsch negative Befunde) (Smith 2018). Ein weiterer Nachteil des CT-Screenings ist das erhöhte Krebsrisiko durch die Strahlenbelastung. Mehr als die Hälfte der in den USA mit „niedrig dosierten Computertomografien“ untersuchten Patienten soll effektiven Dosen (EDs) oberhalb der empfohlenen Grenzwerte ausgesetzt sein, heißt es.
Bei einer feingeweblichen Untersuchung verdächtiger Herde durch eine Feinnadelbiopsie besteht das Risiko einer „Abklatschmetastase“ am Brustfell besonders dann, wenn der biopsierte Herd sich nahe am Brustfell befindet.
Blasenkrebs
Risiken für Blasenkrebs, im Vergleich zur Normalbevölkerung (X = wahrscheinlich erhöht, XX = doppelt so hoch, XXX = mehr als doppelt so hoch, XXXX = sehr hohes Risiko):
• | Genträger von BRCA2, MSH2, BRCA1, CHEK2: | XXX |
• | Starker Tabakkonsum: | XXXX |
• | Passivrauchen: | X |
• | Aromatische Amine, wasserlösliche Azofarbstoffe: | XXX |
• | Exposition mit krebsfördernden Schadstoffen: | X |
• | Medikamente (z. B. Cyclo-phosphamid, Phenazetin): | XX |
• | Strahlenbehandlung im kleinen Becken: | XXX |
• | Chronische Blasenentzündung: | XX |
• | Frühere Strahlentherapie im kleinen Becken | X |
• | Bilharziose (Risiko für Plattenepithelkarzinom): | XX |
• | Risiken am Arbeitsplatz: früher XXX, heute | X |
• | Verbrennungsprodukte in Gaswerken, Großfeuerungsanlagen, im Straßenbau: früher XXX, heute X |
Die bisherigen Erfahrungen sprechen gegen einen signifikanten Einfluss von Übergewicht.
Der wichtigste Risikofaktor ist das Rauchen. Experten schätzen, dass sich etwa 30 bis 70 % der Tumore auf Tabakkonsum zurückführen lassen. Im Tabakrauch befinden sich etliche chemische Kanzerogene, die über die Lunge ins Blut gelangen und über die Niere in die Blase ausgeschieden werden. Männer sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Frauen; wahrscheinlich eine Folge des unterschiedlich häufigen Zigarettenkonsums, aber auch der stärkeren Exposition von Schadstoffen am Arbeitsplatz. Bei Männern kommt als Erkrankungsrisiko auch der drohende Harnrückstau einer vergrößerten Prostata in Frage, da dieser zu einer chronischen Blasenreizung führen kann.
Eine potentielle Gefahrenquelle in Afrika und Asien ist die Bilharziose, eine dort vorkommende endemische Wurminfektion in der Blase. Der Erreger, ein Parasit begünstigt die Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms.
Als besonders krebsverursachend gelten die sogenannten „aromatischen Amine“. Zwar sind sie inzwischen aus der Produktion der chemischen Industrie (sowie der Gummi-, Leder-, Textil- und Farbstoffverarbeitung) verbannt worden, doch noch immer werden in Regionen der ehemaligen Farben- und Chemikalienherstellung vermehrt Blasenkarzinome festgestellt.
Zwischen der Krebsentstehung und dem Eintritt der Beschwerden können bis zu vierzig Jahre liegen, denn der Blasenkrebs gehört zu den Tumoren, die zu Beginn sehr langsam wachsen. Erwachsene, die in der Kindheit übergewichtig waren, sollen ein erhöhtes Risiko haben (Sorensen et al 2020).
Kommentar und Empfehlungen: Nichtraucher erkranken seltener an Blasenkrebs. Nach einem erfolgreichen Raucherentzug wachsen Blasenpolypen langsamer, das Wiedererkrankungsrisiko nach einer Krebsoperation sinkt.
Prostatakrebs
Risiken für Prostatakrebs (im Vergleich zur Normalbevölkerung) (X = wahrscheinlich erhöht, XX = doppelt so hoch, XXX = mehr als doppelt so hoch, XXXX = sehr hohes Risiko)
• | Ein Angehöriger mit Prostatakrebs < 50 Jahre: | XXX |
• | Zwei oder mehr Angehörige ersten Grades < 55 Jahre, die an Prostata- oder Brustkrebs erkrankt sind/waren: | XXXX |
• | Genveränderungen auf den Chromosomen 8q24, 17q12: | XXXX |
• | Angeborene Genveränderungen (z. B. HPC1, MSR1, ELAC2): | XXXX |
• | Träger einer BRCA1-Mutation: | XX |
• | Träger einer BRCA2-Mutation: | XXX |
• | Fusionsgen TMPRSS2/ERG: | XX |
• | Ein eineiig erkrankter Zwillingsbruder: | XXXX |
• | Ein |