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Der Hungerturm. Michael ThumserЧитать онлайн книгу.

Der Hungerturm - Michael Thumser


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hast eine schöne Frau, Christian, sagte Güges und betrachtete das Foto in seinen Händen.

      Meine Güte. Gib das her. Woher hast du das?

      Christian hatte die Aufnahmen auf den Tisch geworfen und riss Güges das Foto aus der Hand.

      Es lag da.

      Das sollte keiner sehen. Wenn Ruth das wüsste.

      Christian war ganz blass geworden, er wandte sich ab, seine Zähne nagten an der Unterlippe, und die Finger klopften nervös gegen die Schenkel.

      Warum regst du dich auf, beschwichtigte Güges. Wir haben beide schon mehr als eine nackte Frau gesehen. Dass deine Frau schön ist, weiß ich, seit ich euch beide kenne. Das Bild verrät kein Geheimnis.

      Ruth denkt anders darüber.

      Dann zeigte er Güges die Aufnahmen.

      Du bist unaufmerksam, monierte Güges.

      Ja. Christian seufzte. Such du welche aus.

      Güges ging spät, nachdem sie noch etwas getrunken hatten. Ich bringe dich hinunter, sagte Christian. Die Tür ist sicher abgesperrt.

      Auf der Treppe sagte Güges: Du bist ganz durch den Wind, seit ich das Foto gesehen habe. Das ist doch nun wirklich …

      Sprich leiser, um Himmels willen.

      Dann ging plötzlich das Licht aus.

      Immer dasselbe, jammerte Christian, typisch Altbau. Das Minutenlicht ist uralt, und der Zeitschalter ist defekt. Jedes Mal steht man im Dunkeln, wenn man erst halb unten ist.

      Güges hatte kein Verständnis. Er machte sein Feuerzeug an und griff nach dem Schalter. Das ist alles kein Grund, derart die Fassung zu verlieren. Er solle sich einmal richtig ausschlafen. Ob er nicht vielleicht doch zu viel um die Ohren habe?

      Christian drehte das Radio ab. Sonne und steigende Temperaturen auch in den nächsten Tagen, sagte er.

      Schön, antwortete Ruth zerstreut.

      Ich fahre ein wenig vor die Stadt. Fotografieren. Willst du mit?

      Ach ich weiß nicht.

      Es könne ihr nicht schaden: bei solchem Wetter an der frischenLuft. Wann bist du das letzte Mal draußen gewesen?

      Lass mich lieber hier, lehnte sie ab, ich würde dich vielleicht nur stören.

      Unsinn. Er trat auf sie zu und küsste sie auf die Stirn. Sie wich ihm leicht aus. Sieh dich nur an, brummte er, Strickjacke, bis oben zugeknöpft. Du solltest dich leichter anziehen. Er griff an ihren Hals und versuchte, den obersten Knopf ihres Hemdes zu öffnen.

      Sie trat einen raschen Schritt zur Seite. Bitte, Christian, wehrte sie sich hektisch und vielleicht ein wenig zu laut.

      Er war eingeschnappt. Ich weiß wirklich nicht, was du seit einiger Zeit … Nicht einmal mehr anfassen darf ich dich. So kenn ich dich gar nicht.

      Ich weiß, sagte sie bitter.

      Fehlt dir was? Oder ob sie sich geärgert habe.

      Sie schwieg, ging aus dem Zimmer in den Flur und griff, um nur irgendetwas in die Hand zu nehmen, nach der Klinke der Schlafzimmertür.

      Dann geh ich jetzt.

      Sie lief ihm zur Wohnungstür nach. Das Foto: hast du es gelöscht?

      Wovon sprichst du denn?

      Das Foto, Christian. Ich hatte dich darum gebeten.

      Ach so, er erinnerte sich. Natürlich. Ich hatte es dir versprochen.

      Christian, dann gib mir noch den Ausdruck, flehte sie.

      Ich verstehe nicht … warum …

      Gib ihn mir, bitte, drang sie auf ihn ein. Ich weiß, ich war nicht besonders umgänglich in den beiden letzten Wochen. Es tut mir leid. Es ist das Foto … Ich weiß, es ist – lächerlich, gib es mir, bitte.

      Ruth … , er wand sich, das Foto … es …

      Gib es mir. Ich kenn dich ja: du kannst das nicht nachvollziehen. Es liegt an mir, nur an mir … aber ich brauche das Foto. Gib es mir … oder: verbrenn es: hier und gleich jetzt.

      Das ist nicht so …

      Ich bin wie krank, solange es das Bild gibt. Kaum, dass sie sich noch beherrschen konnte. Ich weiß nicht, was passiert. Es hat alles … überhaupt keinen Sinn mehr. Christian, das Foto…

      Er versuchte ruhig zu sprechen. Es geht nicht. Ich habe es nicht mehr.

      Nicht mehr. Sie starrte ihn an mit großem, offenem Gesicht. Die Hand, mit der sie sich an seinen Arm geklammert hatte, fiel herunter.

      Nein. Und er atmete tief. Es ist … weg.

      Wo.

      Weiß nicht. Er ließ sich gegen die Wand fallen.

      Hast dus irgendwo verloren? Draußen. Auf der Straße.

      Nein nein.

      Irgendwo liegen lassen.

      Nein, Ruth. Ich hatte es ja nie bei mir. Es lag im Atelier.

      Oder dass es in einer deiner Mappen …? Vielleicht hast du es aus Versehen weggeworfen.

      Nein, sicher nicht. Ich kann mir nur vorstellen …

      Was.

      … dass Güges …

      Güges?

      Ja. Dass er es … an sich genommen hat.

      Aber Christian, wie konnte er das denn? Dann ganz hart: Du hast es ihm gezeigt.

      Nein nein, er … er hat es liegen sehen.

      Güges kennt das Foto. Dieses Foto.

      Christian ging ins Wohnzimmer. Sie folgte ihm nicht gleich. Er wandte das Gesicht ab und sah aus dem Fenster.

      Dass ist doch nicht so schlimm, stotterte er.

      Sie aber war fassungslos. Er hat dieses Foto.

      Das weißt du doch gar nicht. Es ist ja nur eine Vermutung.

      Sie setzte sich langsam auf einen Sessel und legte die Hände ineinander. Ich muss fort, sagte sie dann.

      Er drehte sich um. Ruth! Du wirst doch nicht …

      Ach lass mich in Ruhe.

      Er stellte sich vor sie, beugte sich zu ihr hinunter und griff mit den Händen fest in ihre Schultern. Du wirst doch deswegen nicht alles aufs Spiel setzen.

      Sie schrie ihn an: Soll ich denn bei dir bleiben, wenn du mich an deine Freunde verschenkst?

      Na erlaube mal, sagte Güges aufgebracht.

      Ich mach dir keinen Vorwurf, beruhigte ihn Christian. Aber ich brauche das Bild. Ruth ist vollkommen am Ende.

      Du hast es mir damals aus der Hand genommen. Ich weiß nicht, wohin du es gelegt haben könntest. Vielleicht hast du es eingesteckt.

      Ich bitte dich.

      Wofür hältst du mich, Christian, sagte Güges unwillig. Dann wies er auf die Glastür. Wir sehen uns am Mittwoch um sechs, vor der Vernissage.

      Er sagt, er habe es nicht.

      Sie schrie: Er lügt dich an.

      Unsinn. Ich glaube ihm.

      Er sagt dir kein wahres Wort.

      Christian ließ sie los. Es hat ja keinen Zweck, maulte er, aber er nahm sich zusammen. Ich brauche ihn. Seit ich bei ihm ausstellen kann, verkaufe ich doppelt so viel wie vorher. In zwei Tagen eröffnet er, du weißt, dass ich noch nie so viele Aufnahmen auf einmal ausstellen konnte.

      Das ist mir gleich.

      Er fuhr sie an: Das sollte es nicht sein. Es ist das erste Mal, dass ich in zwei, vielleicht drei überregionalen Zeitungen besprochen


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