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Der Hungerturm. Michael ThumserЧитать онлайн книгу.

Der Hungerturm - Michael Thumser


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hatte, ging er ihm schließlich nach. Drinnen hatten seine Augen Mühe, sich an das bedrückende Dämmerlicht zu gewöhnen. An den Wänden neben dem Eingang brannten auf nüchternen Stufengestellen Hunderte von Kerzen, rechts, wenige Schritte weiter, hing von der Decke ein kleines, rot leuchtendes Gefäß; fremde Ansichten aus einer Welt, an die Winberg sich seit seiner Trauung mit Christine nicht mehr erinnert hatte.

      Mit langsamen Schritten erreichte er die hinterste Bankreihe. Durch die Fenster im Lichtgaden hoch über ihm fielen schwere Strahlen und markierten den Weg zur Vierung, zum Altar. Von hier hinten war das Mittelschiff ganz zu überblicken. Um diese Stunde verteilten sich nur wenige Menschen in der Kirche, ein paar alte Frauen, die auf knorrigen Knien, die mürben Hände ineinander verknotet, bewusstlos über den Bänken hingen; und weiter vorne eine kränklich aussehende Schwangere, die Hände im aufgeblähten Schoß, die halb geschlossenen Augen ohne sicheres Ziel nach vorne gerichtet. Von dort näherte sich träge ein Mann, der, einen Sonnenhut auf dem Kopf, die Wandgemälde betrachtete, dabei manchmal stehen blieb und einen Finger an den Stein legte mit einer Geste, mit der ein Fachmann prüft, ob die Farbe trocken ist. In einer der Bänke vor dem Altarraum saß Kryger, unauffällig, in durchaus bequemer, aber nicht nachlässiger Haltung. Hin und wieder legte er den Kopf auf die rechte, dann auf die linke Schulter, veränderte in Abständen die Positur ein wenig, wirkte dabei stets entspannt, fast heiter. Zwischen den Fingern bewegten sich die Perlen des Rosenkranzes, manchmal öffneten sich Krygers Lippen, sodass man ahnte, wie er die Gebete murmelte, ein ums andere Mal. In seiner Sammlung schien er so abwesend, dass Winberg nicht näher an ihn heran wollte. Er setzte sich in eine der hinteren Bänke und starrte nach vorn auf Krygers sorgfältig gebürsteten Hinterkopf. Einmal verließ ein schwarz gekleideter Geistlicher die Sakristei, die ans rechte Seitenschiff grenzte. Als er Kryger erkannte, der jetzt aufgestanden war, ging er mit schnellen Schritten auf ihn zu, lächelte, und beide gaben einander die Hand, jeder mit einem Gesichtsausdruck zwischen Hochachtung und Freude über eine alte Bekanntschaft. Nach ein paar Worten, von denen Winberg nichts verstand, hob der Priester die Hand, zum Abschied winkend, und verließ die Kirche durch einen Seitenausgang. Kryger hatte sich wieder gesetzt; saß ganz ruhig da, als hätte nichts seine Meditation unterbrochen.

      3

      Winberg fand auf einmal, dass er grenzenlos Zeit habe. Ihm wurde bewusst, wie sich eine Geduld seiner bemächtigte, die ihm sein ganzes Leben hindurch fremd gewesen war. Es fiel ihm nicht schwer, mit ein, zwei belanglosen Magazinen in den Händen von zehn Uhr morgens an in der Hotelhalle zu sitzen und auf Krygers Ankunft zu warten. Kurz zuvor hatte er dem sorgenvollen Gesicht des Portiers entnommen, dass alle Einzelzimmer längst vergeben seien, dass man ihm nur noch mit einem weder besonders komfortablen noch preiswerten Doppelzimmer in einem der oberen Stockwerke dienen könne. Bedenkenlos hatte er eingewilligt, ohne nach dem Preis zu fragen. Dann saß er Stunde um Stunde, sah vor sich hin auf die Füße der Kommenden und Gehenden und war sich gewiss, dass auch Kryger kommen werde. Winberg wartete nicht; er war einfach da.

      Kryger traf am frühen Nachmittag ein, ihm auf den Fersen ein Page mit zwei Koffern an den Armen. Auf der Terrasse vor dem Hotel hatte Kryger offenkundig schon einen Teil jener Freunde begrüßt, die er hier übers Wochenende treffen wollte; sie traten gemeinsam mit ihm in die Halle, man redete durcheinander, jeder mit mindestens zwei anderen gleichzeitig, man betrug sich hervorragend freundlich gegeneinander und voller Einverständnis, für das eine ausdrückliche Grundlage nicht nötig war. Manche von Krygers Freunde waren in Begleitung deutlich jüngerer Frauen mit der Begabung, die Modernität teurer Modehefte zur Schau zu tragen und dabei viel zu lachen. Aus ihnen löste sich eine schöne, gut gewachsene Brünette, die Kryger von seinen Freunden mit großartiger Geste zugeführt wurde und die er mit weltmännischem Charme und herzlichen Küssen auf beide Wangen besonders auszeichnete. Krygers Eleganz wuchs noch um ein Stück, als er, das Mädchen am Arm und mit dem Kopf nach hinten grüßend, dem Hotelangestellten und seinem Gepäck in den Lift folgte.

      Später trank Winberg auf der Terrasse Kaffee, ein paar Tische von Kryger und seinen Freunden entfernt in einer kaum einzusehenden Nische. Er belauschte, wie drüben die letzten Augenblicke bemühter Gefälligkeit vorübergingen und wie man sich bald wieder so verstand, als habe man schon ein, zwei gemeinsam verbrachte Wochen hier am Strand hinter sich. Ein paar Herren wollten Kryger überreden, mit ihnen Tennis zu spielen; aber er lehnte ab. Er wolle sich ausruhen, seine Sachen ordnen und, gegen Abend, einen langen Spaziergang den Strand hinauf und hinunter machen. Allein, antwortete er in das vielwissende Grinsen seiner Freunde hinein, die sich nicht beirren ließen. Für den Abend immerhin verabredeten sie, das Wiedersehen in einem Club im Ortsinneren gebührend zu begießen. Dann trennten sie sich.

      Wenig später stand Winberg vor Krygers Tür, ganz so wie zwei Tage zuvor in der Klinik; nur dass er diesmal das Entwürdigende, Unappetitliche seiner Situation genauer empfand. Der Gang zwischen den Zimmern war um diese Zeit menschenleer, die meisten Hotelgäste waren beim Sport oder zum Schwimmen am Meer oder tranken in einer der Bars. Winberg kam sich wie ein kleiner Junge vor, dem es auf Schleichwegen gelungen war, sich in eine nur für Erwachsene zugelassene Kinovorstellung zu schmuggeln.

      Er lehnte den Rücken an die Wand neben der Tür. Sein Körper war in vollständiger Tatenlosigkeit erschlafft. Nach außen mochte Winberg den Eindruck eines enttäuschten Mannes erwecken, der von jemandem versetzt worden war. In seinem Kopf aber war alles voller Konzentration, und seine Ohren waren so sensibel geworden, dass die Stirn vor Anstrengung schmerzte.

      Im Zimmer schmeichelte Krygers weiche, bewegliche Stimme, und die Stimme des Mädchens erwiderte ebenso anhänglich, zierte sich ein wenig, tat, als wäre sie noch ein bisschen weiter vom Ziel entfernt als die Krygers. Eine Flasche wurde auf den Tisch gestellt, und Gläser klangen aneinander. Dann blieben ein paar Augenblicke lang die Worte aus, Winberg meinte, das leise Rascheln eines Kleiderstoffs zu hören, das Reiben von Haut an Haut, das Knistern elektrisierten Haars. Krygers Sprechgesang war jetzt wie sein Lächeln, eine äußerliche Geste, dabei manchmal schonend sanft, dann langsam drängender, härter, deutlicher. Aber noch wollten ein paar Minuten abgewartet sein. Winberg spürte, wie Krygers Worte hinter freundlicher Maske allmählich ungeduldige Mienen machten, wie sie weniger und weniger meinten, was sie sagten, wie allein ihr Klang Hinweise gab auf die fällig gewordene Einlösung einer Vereinbarung, die schon lange vorher abgemachte Sache gewesen war.

      Wenig später herrschte Einigkeit, und die Worte kamen wieder gelöst und spielerisch, wobei es immer weniger wurden. Und nun endlich drangen die Laute einer wachsenden Anstrengung zu Winberg, ein Stöhnen, das etwas Flehendes hatte. Krygers Stimme war sich ihrer Sache jetzt nicht mehr so sicher, etwas in ihr stand infrage. Dann kam wieder der fordernde Ton, mit dem Kryger zu dem Mädchen sprach, aber anders als vorhin, mit einer Anspielung von Hoffnungslosigkeit. Es war, als stellte er Ansprüche, müsste aber Widerstand befürchten, als erteilte er Befehle, von denen er nicht wusste, wie sie ausgeführt würden. In seiner Bereitschaft war jetzt Angst wach geworden, sie ließ seine Lüsternheit nur zögernd wachsen, bald hatte er seine Selbstsicherheit ganz und gar verloren und hörte sich schließlich bittend an wie einer, der sich nicht genug zutraut und darauf bedacht ist, sich nicht zu viel zuzumuten.

      Winberg hatte nicht Verachtung genug und kein Mitleid mit Kryger. Und doch meinte er plötzlich, er müsse sich und ihm ersparen, was folgen musste. Er kam sich lächerlich vor in seinem Versteck, das keines war, er wollte sich abwenden und fortgehen, als ein Zimmermädchen von irgendwoher auf ihn zukam und ihn überrascht ansah. Winberg machte eine verlegene Bewegung und ging mit langsamen Schritten den Gang hinunter. Das Mädchen klopfte an Krygers Tür, und von drinnen schrie es heiser:

      Hier können Sie nicht rein.

      Das Mädchen starrte Winberg mit dem Abscheu eines Menschen nach, der einer schmuddeligen Affäre auf die Schliche gekommen ist, die lange verborgen geblieben war.

      Ist es aussichtslos?, fragte Winberg in sein Handy.

      Das nicht, sagte der Stationsarzt. Ich möchte sie vor zu viel Pessimismus warnen, aber auch vor zu großen Erwartungen.

      Wird sie sich wieder bewegen können?

      Wenn sie erst einmal aufgewacht ist …, sagte der Arzt. Wir müssen sehen, ob sie überhaupt sprechen kann. Wir dürfen zunächst schon zufrieden sein, dass momentan keine akute Lebensgefahr besteht.


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