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„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“. Richard A. HuthmacherЧитать онлайн книгу.

„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“ - Richard A. Huthmacher


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      Zu Zeiten Luthers war der Topos von den gottlosen, verfluchten, verstockten, uneinsichtigen, ganz und gar christenfeindlichen Juden wohlbekannt; sie stammten vom Teufel ab, seien der Antichrist selbst, an Ritualmorden beteiligt (die – angeblich – oft an christlichen Festtagen stattfanden, Kinder zu Opfern hatten und die Kreuzigung Christi nachahmten), sie betrieben Hostienfrevel (vorgebliche Hostienschändung zur Verhöhnung der Kreuzigung Christi) und Brunnenvergiftung (insbesondere zur Zeit der Großen Pest Mitte des 14. Jhd., die in ganz Europa Judenpogrome zur Folge hatte).

      Aus „ehrbaren“ christlichen Berufen wurden die Juden verdrängt, anschließend warf man ihnen Arbeitsscheue vor, zudem Wucher und Ausbeutung von Menschen nicht mosaischen Glaubens; seit Erfindung des Buchdrucks mehrte sich die Verbreitung alter wie neuer Adversus-Judaeos-Hetzschriften.

      Den Judenverfolgungen zur Zeit der (Ritter-)Kreuzzüge gingen Ende des 11. Jhd. (1096) die Pogrome des Volks- oder Bauern- oder auch Armen-Kreuzzugs voraus (ein erstes Judenmassaker hatte bereits 1066 in Granada stattgefunden); der aufgestachelte Pöbel tat sich namentlich durch Plündern, Brandschatzen und Morden hervor.

      Im Spätmittelalter erlangte neben den Pest-Pogromen (Juden als angebliche Brunnenvergifter) auch das „Rintfleisch-Pogrom“ traurige Berühmtheit; wegen angeblicher Hostienschändung wurden in Franken von sog. Judenschlägern unter Führung des „nobilis Rintfleusch“ Tausende von Juden ermordet und viele jüdischer Gemeinden ausgerottet.

      Zwar fanden vertriebene Juden oft in Reichsstädten Zuflucht, aber auch dort wurden sie vielfach in Ghettos isoliert. Und auch die Reichsstädte verwehrten aufgenommenen Juden eine freie Berufswahl und zwangen sie, die Judentracht zu tragen, insbesondere den (gelben und spitzen) Judenhut und einen gelben, an der Brust zu befestigenden Juden-Fleck (oder auch -Ring).

      [Anm. des Herausgebers: Heutigentags müssen nicht in Masken schnüffelnde (weil diesbezüglich befreite) Kinder in manchen Schulen eine – sinnigerweise gelbe! – Armbinde tragen. Sic! Damit man sie prima vista erkenne. Mithin: 500 Jahre Menschheitsgeschichte ohne irgendeinen Fortschritt? Sic est!]

      Zudem wurden die Juden der sog. Kammerknechtschaft unterworfen, einem Rechtsstatus, der sie (ab dem 12./13. Jhd.) zum Besitz des Kaisers machte und nach dem Wormser Privileg ausgestaltet war; in letzterem hatte Heinrich IV. den Wormser Juden (1090) ihre Rechte verbrieft (so, zum Beispiel, den Schutz von Eigentum und Leben, die Freiheit der Religionsausübung und eine verbindliche Verfahrensordnung bei Streitigkeiten zwischen Juden und Christen).

      Solche Rechte – die wir heutzutage, zumindest in Europa und jedenfalls in der Theorie – als Menschenrechte betrachten und als solche achten – mussten die Juden mit dem Judenregal, vulgo der Judensteuer bezahlen, die ihnen den Schutz des Kaisers sicherte. Derart spielte das Judenregal eine nicht unbedeutende Rolle bei der Finanzierung zunächst des Kaisers, später (auch) der Fürsten (Goldene Bulle von 1356) und sonstiger Territorial-Herren; auch deutsche Städte erhoben eine „Reichsjudensteuer“ (insofern machte Stadtluft nicht frei, jedenfalls befreite sie die Juden nicht von Steuern, die, grundsätzlich, bis zu einem Drittel ihres Einkommens betrugen).

      Aus vorgenannten Gründen waren Juden zu Luthers Zeit meist im Zins- und Wechselgeschäft, oft auch als Pfandleiher tätig (wobei einbehaltene Schuldscheine im Nachhinein meist für ungültig erklärte wurden – ein Schelm, der denkt, dass Christen sich an Juden bereichern wollten); ständig drohte ihnen, den Juden, als Häretikern (also als Anhängern einer Lehre, die christlichen Glaubenssätzen widerspricht) die Vertreibung.

      Folgerichtig lebten zu Beginn des 16. Jhd. nicht einmal 40.000 Juden nördlich der Alpen (was einem Bevölkerungsanteil von etwa 2 Promille entsprach); im Kurfürstentum Sachsen waren anteilig noch viel weniger Anhänger des mosaischen Glaubens ansässig (nicht zuletzt aufgrund eines Aufenthalts- und Durchzugsverbot, das 1543 auf Betreiben Luthers erneuert wurde); in Thüringen gab es zu dieser Zeit gerade einmal 25 kleine und kleinste jüdische Siedlungen. Mithin war die Relevanz der Juden zur Zeiten Luthers nicht gerade groß, jedenfalls ihren numerischen Anteil an der Bevölkerung betreffend. Judenpogrome gingen indes munter weiter.

      Weil es zu Zeiten Luthers kaum noch Juden in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gab, waren dessen persönliche Kontakte zu Juden (wohlwollend formuliert) recht spärlich. Gleichwohl: „Seit 1525 habe er sogar obsessive Angst gehabt, von Juden vergiftet zu werden.“ Sollte es sich hier etwa um eine Projektion handeln – Freud lässt grüßen!

      „Liebe Kethe! Ich bin ja schwach gewesen auf dem Weg hart vor Eisleben, das war meine Schuld“, so Luther (am 1. Februar 1546) an sein Käthchen (Katharina von Bora). „Aber wenn du wärest da gewest, so hättes tu gesagt, es wäre der Juden oder ihres Gottes Schuld gewest. Denn wir mussten durch ein Dorf hart vor Eisleben, da viel Juden innen wohnen, vielleicht haben sie mich so hart angeblasen.“

      Wie Du weißt, Liebste, steigerten sich Luthers Paranoia und Hass nach und nach ins schier Unermessliche:

       „Sie sind aller Bosheit voll, voll Geizes, Neides, Hasses untereinander, voll Hochmut, Wucher, Stolz, Fluchen wider uns Heiden ... Ebenso mögen die Mörder, Huren, Diebe und Schälke und alle bösen Menschen sich rühmen, dass sie Gottes heilig, auserwähltes Volk sind“

       „Wenn mir Gott keinen anderen Messias geben wollte, als ihn die Juden begehren und fordern, so wollte ich lieber eine Sau als ein Mensch sein“

       „Wenn ich einen Juden taufe, will ich ihn an die Elbbrücke führen, einen Stein an den Hals hängen und ihn hinab stoßen und sagen: Ich taufe dich im Namen Abrahams“

       „Ein solch ... durchböstes, durchgiftetes, durchteufeltes Ding ist`s um diese Juden, so diese 1400 Jahre unser Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen“

       „Sie lassen uns arbeiten im Nasenschweiß, Geld und Gut gewinnen. Dieweil sitzen sie hinter dem Ofen, faulenzen ... und braten Birnen, fressen, saufen, leben sanft und wohl von unserem erarbeiteten Gut, spotten dazu und speien uns an, dass wir arbeiten …“

       „Pfui euch hier, pfui euch dort, ihr verdammten Juden!“

       „Sorgen wir uns aber, dass sie uns an Leib, Weib, Kind, Gesinde, Vieh usw. Schaden tun möchten ..., so lasst uns ... mit ihnen abrechnen …

       „Darum immer weg mit ihnen“

       „Darum wisse du, lieber Christ, und zweifle nicht daran, dass du nächst dem Teufel keinen bitteren, giftigeren, heftigeren Feind habest, denn einen rechten Jüden, der mit Ernst ein Jude sein will“

       „So lasset uns (wie Christus spricht) den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschuldig an eurem Blut.“

      Es kann und darf nicht als Entschuldigung nachhalten, Luther habe im Zeitgeist gehandelt – welches Unrecht im Zeitgeist geschieht, haben gerade wir Deutschen (pars pro toto) in jenen zwölf Jahren vor Augen geführt, die ursprünglich ein Millennium dauern sollten.

      Mithin: Luther war nicht nur Antijudaist, sondern schlichtweg und schlechterdings auch Antisemit. Einer der übelsten Sorte. Nicht von ungefähr beriefen sich die Nationalsozialisten auf ihn. Er war nachgerade ein Menschenverächter, ein rücksichtslos seine Ziele verfolgender Eiferer: (euphemistisch formuliert) zeigte er paranoide Züge, die ihn heutzutage mit einiger Wahrscheinlichkeit hinter Psychiatriemauern bringen würden.

      Menschlich war er, allzumenschlich, nicht weniger, aber auch nicht mehr – er, „Luther, der ein wackerer Bergmannssohn blieb, als man ihn in´s Kloster gesperrt hatte und [er] hier, in Ermangelung anderer Tiefen und ´Teu- fen´, in sich einstieg und schreckliche dunkle Gänge bohrte“. So, zutreffend, Nietzsche.

      Recht wenige Granden der deutschen Literatur haben sich mit Luther beschäftigt, beispielsweise Kleist im Michael Kohlhaas und Thomas Mann in Luthers Hochzeit, auch Stefan Heym in seinem Roman Ahasver; die meisten literarischen Verarbeitungen des Phänomens Luther und seiner religiös-politisch-sozialen Wirkmacht sind im 16. bis 19. Jahrhundert angesiedelt.

      Es ist Heine, der –


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