Handlungsfelder des Bildungsmanagements. Ulrich MullerЧитать онлайн книгу.
the job), sind ausschließlich auf die Person des Teilnehmers und seine persönliche Qualifikation gerichtet, ohne Berücksichtigung des Kontextes, in dem sie/er handelt und in dem die neue Qualifikation etabliert werden müsste.
■ Viele Maßnahmen werden von den veranlassenden Stellen im Unternehmen nach dem Gießkannenprinzip zugeteilt oder durch beliebige Selbstbedienung der Interessierten genutzt.
■ Der Transfer des Gelernten in die Praxis ist nicht systematisch eingeplant, sondern bleibt dem guten Willen der Beteiligten überlassen.
Fazit: (Weiter-)Bildung als geplante Folgenlosigkeit
Und so ist es kein Wunder, dass es viele Konzepte und Maßnahmen zur (Weiter-) Bildung gibt, die man getrost als geplante Folgenlosigkeit bezeichnen darf. Drei Parteien sind die Ursachen dafür – allein oder in jeweiligem Eigeninteresse gemeinsam verbunden: die Adressaten, die Anbieter – und diejenigen, welche die Ware „Training“ bestellen, einkaufen oder in sonst einer Weise dafür die Verantwortung (mit-) tragen. Geplante Folgenlosigkeit heißt, es ist beileibe nicht so, dass Nichtkönnen oder Nichtwissen der Einkäufer und Adressaten zufällig mit dem Nichtkönnen, Nichtwissen oder Nichtwollen der Anbieter zusammentreffen. Im Gegenteil, ich möchte geradezu unterstellen: Nicht selten machen beide Seiten sehr wohl gemeinsame Sache, um aus Angst vor wirklichen Veränderungen die Folgenlosigkeit der Maßnahmen gezielt zu produzieren – und sind bereit, um den Schein zu wahren, diese in gezielter Absprache auch falsch zu etikettieren. Ich werde versuchen, im Folgenden den einen oder anderen Aspekt näher zu beschreiben und zu begründen.
3 Integration von Bildungsmanagement und Change Management
Wenn wir nun davon ausgehen, dass einerseits das generelle Umfeld und der allgemeine Handlungsrahmen eigentlich allen bekannt sind und dass andererseits Menschen sich in ihren eigenen Augen immer vernünftig verhalten – selbst wenn wir dies, von außen betrachtet, nicht unbedingt immer nachvollziehen können – stellen sich drei grundsätzliche Fragen: Erstens, wie müssten denn nun Bildungskonzepte konkret aussehen, die in die Situation passen? Zweitens, warum können solche geeigneten Konzepte nicht so ohne Weiteres entwickelt bzw. umgesetzt werden? Drittens, fehlt es uns an Wissen oder mangelt es „lediglich“ an der Umsetzung – und wenn ja, warum?
Anforderungen an Menschen und Institutionen
Auf dem Hintergrund der eingangs geschilderten Rahmenbedingungen müsste sich eigentlich jedes Unternehmen ebenso wie jedes einzelne Individuum grundsätzlich andauernd in Frage stellen, ständig seine Produkte bzw. Leistungen, seine Strategien, Organisationsstruktur und die Spielregeln seines Handelns überprüfen, gegebenenfalls neu erfinden und neu definieren. Dreh- und Angelpunkt: Schneller am Kunden und am Markt sein, dazu kostengünstig und trotzdem mit der vom Kunden geforderten Qualität. Um dies zu gewährleisten, müssten viele herkömmliche Lösungen über den Haufen geworfen und gegebenenfalls völlig neue Formen der Zusammenarbeit entwickelt werden. Ganzheitliches und vernetztes Denken, Flexibilität und Wandel wären zentrale Punkte auf der Tagesordnung. Soweit zu den prinzipiellen generellen Erfordernissen, denen Menschen und Institutionen theoretisch entsprechen müssten. Wie aber sieht demgegenüber die alltäglich erlebbare Praxis aus – und warum sind die Dinge so, wie sie sind?
3.1 Der „Durchschnittsmensch“ im Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen
Ohne Not will sich niemand verändern
Der durchschnittliche, also „normale“ Mensch sucht grundsätzlich nach Ruhe, Ordnung, Stabilität und Sicherheit. Er schützt sich zunächst einmal gegen jede neue Anforderung mit Abwehrroutinen. Er ist quasi ein Energiesparer und verlässt höchst ungern die Komfortzone des Gewohnten. Lust und Überlebensangst sind meiner Ansicht nach die einzigen wirklichen Antriebsfaktoren für Veränderung. Und außerdem: Je älter Menschen werden, desto stolzer blicken sie auf ihre Erfahrungen aus der Vergangenheit, die ja einen wesentlichen Teil ihrer Identität ausmachen. Wir fahren sozusagen nach vorne – den Blick fest in den Rückspiegel gebannt. Erfahrungen aber sind doppelbödig. Ihr wesentlicher Wert liegt darin, für zukünftige ähnliche Situationen besser gerüstet zu sein. Was aber sind Erfahrungen für die Zukunft (noch) wert, wenn sich die Rahmenbedingungen immer wieder so dramatisch ändern, dass die aktuelle Situation mit der Vergangenheit nicht mehr vergleichbar ist?
Sigmund Freud hat einmal konstatiert: „Alles Unbekannte bereitet Angst“. Dem elementaren Grundbedürfnis des Menschen nach Sicherheit, Ordnung und Kalkulierbarkeit werden stürmische Zeiten wie diese überhaupt nicht gerecht. Die Konsequenz ist angst – und um diese Angst zu binden – Verdrängung. Wir sind deshalb weit davon entfernt, aktuelle Krisen als Chance zu nutzen, um Altes aus dem Verkehr zu ziehen und Neues auszuprobieren – und deshalb auch weit davon entfernt, dem Hinweis des österreichischen Nationalökonoms Josef Schumpeter zu folgen: Wer Innovation will, muss dafür durch „schöpferische Zerstörung“ Platz schaffen.
Überholte mentale Modelle
Die generelle, Veränderungen abwehrende Basisprogrammierung wird zusätzlich gestützt durch weitere detailliertere Programmierungen. Wir haben zu allen verhaltensrelevanten Aspekten innere Orientierungsmuster beziehungsweise Leitbilder im Kopf (mental models), mit denen wir uns die Welt erklären und nach denen wir unser Handeln ausrichten. Solche Deutungsmuster sind uns oft gar nicht bewusst. Wir haben sie im Verlauf unserer Erziehung und späteren Erfahrung „gelernt“ – und diese Muster erfüllen das grundsätzliche Bedürfnis nach Ordnung und Sicherheit. Das Problem: Unsere Modelle ändern sich nicht automatisch mit der sich verändernden Umwelt. Die aktuellen Entwicklungen im Umfeld stellen alle – Institutionen und Menschen – vor neue Herausforderungen. Verlangt werden Reaktionsfähigkeit und Flexibilität, um den notwendigen Wandel sicherzustellen. Viele Probleme und Situationen lassen sich aber innerhalb der herkömmlichen funktionsteiligen Linienorganisation mit den damit verbundenen hierarchischen Führungsmodellen kaum noch oder nicht schnell genug lösen. Gefragt sind neue Leitbilder und Modelle im Hinblick auf Organisation, Führung und Verantwortung. Ich möchte das an einigen Beispielen deutlich machen.
3.2 Verständnis von Organisation
Im Hinblick auf die Gestaltung von Organisationen standen und stehen häufig drei Elemente im Vordergrund: Trennung von Funktionen, eindeutige Zuständigkeiten, auf den eigenen Teilbereich eingegrenzte Verantwortung. Jeder handelt und optimiert nur im Interesse seines Sektors. Wissen und Information sind Herrschaftsgüter der einzelnen Funktionsträger oder Ab-Teilungen. Die Beziehungen zu anderen Bereichen sind geprägt von Vorsicht, Misstrauen, auf jeden Fall von Abgrenzung – und viele Vorhaben verenden im Niemandsland zwischen den einzelnen Zuständigkeitsbereichen. Fataler noch als die Funktionsteilung ist die daraus folgende Teilung der Verantwortung. Im Olymp, auf dem die übergreifende Gesamtverantwortung angesiedelt ist, ist das für die Koordination notwendige konkrete Wissen in den meisten Fällen nicht mehr verfügbar.
Schlüsselaspekte des herkömmlichen Verständnisses von Organisation:
■ Klare Strukturen und Zuständigkeiten
■ Vertikal exakt voneinander abgegrenzte Funktionen
■ Auf die eigene Ab-Teilung eingegrenzte Verantwortung
■ Analogie: feste Burg, byzantinische Kathedrale, Großtanker etc.
Das Leitbild für die Entwicklung zu einem zeitgemäßen Verständnis von Organisation lautet:
!
Von der vertikalen funktionsteiligen Ab-Teilungs-Struktur zur horizontalen funktionsübergreifenden Wertschöpfungskette.
Gewachsene Organisationsstrukturen werden aufgebrochen, funktionale Abteilungsgrenzen eingerissen und im Sinne von übergreifenden Geschäftsprozessen radikal neugestaltet. Jede Leistung wird gewissenhaft an ihrer eigentlichen Wertschöpfung gemessen und als überschaubare Abfolge von Lieferanten-Kunden-Beziehungen neu konzipiert und organisiert. Statt in starren Verfahren und eindeutigen Zuständigkeiten zu denken, müssen alle in erster Linie nach guten und schnellen Lösungen suchen – über die Grenzen von Bereichen, Funktionen, selbst über die Grenzen des Unternehmens hinweg. Die ausschlaggebende Messgröße ist