Physikalische Chemie. Peter W. AtkinsЧитать онлайн книгу.
Betrachtungen
Da die Innere Energie eine Funktion von Volumen und Temperatur ist, ändert sie sich bei einer infinitesimalen Änderung dieser Größen gemäß
(2.39)
In Worten besagt diese Gleichung, dass in einem geschlossenen System mit konstanter Zusammensetzung jede infinitesimale Änderung der Inneren Energie proportional zu den jeweiligen Änderungen von Volumen und Temperatur ist. Die Proportionalitätsfaktoren sind dabei die beiden partiellen Ableitungen nach den Zustandsvariablen (Abb. 2-22).
Partielle Ableitungen kann man in vielen Fällen direkt physikalisch interpretieren; nur wenn man diese Bedeutung aus den Augen verliert, erscheint die Thermodynamik abstrakt und kompliziert. In diesem Fall kommt uns der Differenzialquotient (∂U/∂T)V schon bekannt vor – wir haben ihn in Gl. [2-15] als Wärmekapazität bei konstantem Volumen, CV, eingeführt. Der andere Koeffizient, (∂U/∂T)T, hat ebenfalls eine wichtige thermodynamische Bedeutung: Er ist ein Maß für die Änderung der Inneren Energie eines Stoffs, wenn sich sein Volumen bei konstanter Temperatur ändert (Abb. 2-23). Wir bezeichnen ihn als Binnendruck πT, da er die Dimension eines Drucks besitzt, von den Wechselwirkungen zwischen den Molekülen in der Probe herrührt:
Abb. 2.23 Der Binnendruck πT entspricht der Steigung der Funktion U(V) bei konstanter Temperatur.
Wenn wir diese beiden Größen einsetzen, wird Gl. [2-40] zu
Das Experiment von Joule
Wenn es keine Wechselwirkungen zwischen den Molekülen gibt, hängt die Innere Energie nicht vom Abstand der Teilchen voneinander und daher auch nicht vom Volumen der Probe ab (siehe Abschnitt 2.1.2); für ein ideales Gas ist demzufolge πT = 0. Diese Beziehung (dass die Innere Energie nicht vom Volumen abhängt) kann als Definition des idealen Gases angesehen werden; später werden wir sehen, dass sie der Zustandsgleichung pV = nRT gleichwertig ist. Wenn die anziehenden Kräfte zwischen den Teilchen stärker sind als abstoßenden, dann nimmt die Innere Energie einer Probe bei einer isothermen Expansion zu (dU > 0 für dV > 0), weil die Teilchen dann im Mittel weiter voneinander entfernt sind und schwächer wechselwirken. Eine Auftragung der Inneren Energie gegen das Volumen ergibt in diesem Fall eine ansteigende Kurve und πT ist positiv (Abb. 2-24).
Abb. 2.24 Die Innere Energie eines idealen Gases hängt bei konstanter Temperatur nicht vom Volumen ab. Die Innere Energie eines realen Gases nimmt mit steigendem Volumen zu, wenn die zwischenmolekulare Anziehung überwiegt, weil sich die Moleküle im Mittel weiter voneinander entfernen. Dominiert hingegen die Abstoßung, so nimmt die Innere Energie mit steigendem Volumen ab.
James Joule überlegte sich, dass man πT messen könnte, indem man ein Gas in ein Vakuum hinein expandieren lässt und dabei seine Temperaturänderung verfolgt. Dazu brachte er zwei Metallgefäße in ein Wasserbad (Abb. 2-25), von denen das eine evakuiert und das andere mit Luft (p ≈ 2.2 MPa) gefüllt war. Er öffnete dann einen Absperrhahn zwischen beiden Gefäßen, sodass sich die Luft in das evakuierte Gefäß hinein ausdehnen konnte, und versuchte, eine Temperaturänderung im Wasserbad festzustellen. Dies gelang ihm nicht; die Temperatur blieb konstant.
Aus thermodynamischer Sicht können wir dieses Ergebnis wie folgt erklären: Bei der Expansion in das Vakuum wurde keine Volumenarbeit verrichtet, also ist w = 0. Auch keine Wärme verließ das System (das Gas) oder wurde ihm zugeführt, denn die Temperatur des Wasserbads blieb gleich; also ist auch q = 0. Demnach ist (innerhalb der Genauigkeitsgrenzen des Versuches) ΔU = 0. Joule schloss daraus, dass sich bei isothermer Expansion eines Gases seine Innere Energie nicht ändert, also πT = 0ist. Die von Joule verwendete experimentelle Anordnung ließ allerdings keine sehr genauen Messungen zu. Insbesondere war die Wärmekapazität seiner Gefäße so groß, dass die bei seinem Experiment tatsächlich auftretende Temperaturdifferenz viel zu klein war, als dass er sie hätte messen können. Letztlich fand Joule eine charakteristische Eigenschaft eines Gases im idealen Grenzfall, weil er die kleinen Abweichungen aufgrund des realen Verhaltens übersah.
Die Änderung der Inneren Energie bei konstantem Druck
Partielle Ableitungen haben viele nützliche Eigenschaften. Einige, auf die wir immer wieder zurückgreifen werden, sind im Mathematischen Exkurs 2 am Ende dieses Kapitels näher erläutert. Durch zweckmäßige Verwendung der partiellen Differenzialquotienten kann man unbekannte Größen oft in bekannte, interpretierbare oder messbare umformen.
Abb. 2.25 Schema der Versuchsanordnung, mit der Joule die Änderung der Inneren Energie bei isothermer Expansion eines Gases messen wollte. Die vom Gas absorbierte Wärmemenge ist proportional zur Temperaturänderung des Wärmebads.
Sehen wir uns ein Beispiel dafür an. Wir wollen untersuchen, wie sich die Innere Energie bei konstantem Druck des Systems als Funktion der Temperatur ändert. Dazu teilen wir beide Seiten von Gl. (2-41) (dU = πT dV + CV dT)durch dT und fordern für die beiden resultierenden Ableitungen konstanten Druck. Damit wird auf der linken Seite dU/dT zu (∂U/∂T)p und wir erhalten
Es ist immer sinnvoll, sich einen derartigen Ausdruck daraufhin anzusehen, ob er vielleicht er eine bekannte physikalische Größe enthält. Der Differenzialquotient auf der rechten Seite der Gleichung ist die Steigung des Volumens als Funktion der Temperatur bei konstantem Druck. Diesen Wert findet man tabelliert als Koeffizienten der thermischen Ausdehnung α eines Stoffs. Er ist als
definiert und beschreibt die relative Volumenänderung bei Änderung der Temperatur. Je größer α ist, desto ausgeprägter ist die Reaktion des Stoffs aufeine Temperaturänderung.