Himmlisches Herzflüstern. Michael StahlЧитать онлайн книгу.
zu Beginn steht in der Bibel, dass es nicht gut ist, wenn der Mensch alleine ist. Mir ist bewusst, dass dies für viele Bereiche gilt. Und doch fühle ich, dass, wenn ich mit Jesus spazieren gehe, dies ein unbeschreibliches Geschenk für mich ist. Vielleicht kann sich das mancher nicht vorstellen. Doch während der Pandemie sind viele Menschen noch einsamer geworden und leider sogar einsam gestorben, und ich bin mir absolut sicher, dass in diesen Momenten niemand seine Horoskope oder das Universum um Rat fragte, sondern dass so manches Schreien und Flüstern allein Gott galt.
So möchte auch ich ihm einfach nur alles mitteilen, was mir auf der Seele brennt, egal wo ich bin. Zwar weiß er bereits alles, aber ein liebender Papa hört seinen Kindern gerne zu, weil er auch weiß, wie gut es dem Kind selbst tut.
Und sehr oft bin ich auch einfach nur Kilometer um Kilometer still, ich will ja auch hören was er mir zuflüstern möchte …
Gott flüstert durch die Natur, durch die Bibel, durch andere Menschen, durch die Kunst, durch ein Lied, durch Liebe, die uns im Kleinen oder Großen begegnet, durch Dankbarkeit.
Ja, durch Dankbarkeit! Sehr oft schon haben mir Menschen beteuert, dass sie dankbar sind. Auf die Frage, wem gegenüber sie dankbar sind, erntete ich allerdings oft Schweigen …
Übrigens, wenn Menschen miteinander flüstern, kommen sie sich stets ganz nahe. Vielleicht war das auch mit ein Grund, warum auf der sinkenden Titanic „Näher mein Gott“ gespielt und gesungen wurde, um ganz nah sein Flüstern von Hoffnung, Trost, Leben und Liebe zu vernehmen.
Gott nahe zu sein ist unser Glück! (vgl. Ps 1).
Ich bin mir sicher, dass in aller Hektik, in jedem Lärm und den schier unendlichen Ablenkungen Gott zu uns flüstert. Es ist das sehnsüchtige Flüstern eines Papas, der Sehnsucht nach seinen Kindern, nach uns, nach dir und nach mir hat.
So gehe ich immer wieder besonders gerne in die Natur und mit meinem Gott spazieren. Bei einem dieser Spaziergänge bekam ich den Impuls, dieses Buch zu schreiben. Dieses Flüstern erreicht nun viele und jetzt, in diesem Augenblick, auch dich. Lass dich von nichts und niemandem ablenken und höre mit den Ohren deines Herzens, ob Gott dir etwas zuflüstern möchte …
Kapitel 2: Omas Flüstern
Sie war die beste Oma, die ich mir nur wünschen konnte – meine Oma „Lisa“, die eigentlich Elisabetha hieß. Sie war die Mama meines Vaters. Papa hatte mit ihr einen Glücksgriff getan. Sein eigener Vater, also mein Opa, war allerdings im Krieg und in Gefangenschaft gewesen. Über Gefühle wurde zwischen den Männern so gut wie nie gesprochen, und zeigen konnte man sie kaum. Oma war ganz anders. Oh, wie vermisse ich sie!
Sie war eine bescheidene Frau, konnte viel lachen und vertraute sehr auf Jesus. Papas Schwester, Tante Wilma (Jahrgang 1938), erzählte mir im Februar 2020, vor der Corona-Krise, meine Oma habe mindestens zweimal ihre Kinder unter Gefahr ihres eigenen Lebens verteidigt. Zweimal wurden sie in den 1940er-Jahren von Fliegern aus der Luft beschossen, und beide Male verbarg sie ihre Kinder unter sich und beschützte sie mit ihrem eigenen Körper. (Das Schreiben fällt mir gerade schwer. Ich möchte meinem Herzen freien Lauf lassen und später wohl auch meinen Tränen.)
Dieses intensive Gespräch mit meiner Tante Wilma hatte ich an ihrem 82. Geburtstag, dem 8. Februar, der zugleich auch der Todestag meiner geliebten Oma wurde, doch dazu später mehr. Ich fragte meine Tante, was sie taten, wenn Fliegeralarm war, wenn die Schrecken des Krieges unser kleines Dorf ereilten. Tränen liefen über ihr Gesicht, als sie flüsterte: „Wir versammelten uns in den Kellern, hielten uns an den Händen, lagen uns in den Armen und sangen bzw. beteten dazu.“
Diese drei Dinge also gaben ihnen Halt und Trost mitten in der Todesangst: Gemeinschaft, Festhalten und Singen bzw. Beten. Mich berührt das zutiefst, was meine Tante mir Wochen vor dem ersten Lockdown mitten aus ihrem Herzen zuflüsterte: „Gemeinschaft, Festhalten und Gotteslob.“ Irgendwie hallt dies immer noch in mir nach.
Allerdings waren diese drei Dinge uns eine Zeitlang kaum oder gar nicht möglich. Als ich am 1. November 2020 zuletzt einen Gottesdienst besuchte, waren wir vielleicht zehn Personen. Wir saßen in großen Abständen voneinander; singen durften wir nicht; nicht einmal die Mimik des anderen konnten wir hinter den Masken richtig sehen. Dafür blickte ich in so manches traurige Augenpaar.
Meine Oma war stets der Garant für den Familienzusammenhalt gewesen. Sie war eine starke und herzliche Frau. Liebevoll hatte sie sich um ihre Kinder gekümmert, während Opa im Krieg und in der Gefangenschaft war. Ich kann mir kaum vorstellen, wie sie das alles meisterte. Und Millionen andere auch. Im Glauben an Jesus Christus wurde sie gestärkt; mit dieser Liebe erzog sie ihre Kinder. Jeden Abend betete sie mit den Kleinen, bevor es zu Bett ging. Sie hatte zwei Buben und drei Mädchen gehabt. Ein Junge war bereits nach nur zwei Wochen gestorben. Unbeschreiblich, was diese Frau so alles durchmachte in ihrem Leben; doch nichts, aber auch gar nichts, konnte ihren Glauben erschüttern. Sie war stets ruhig und freundlich, manchmal mahnend, aber voller Liebe.
Es gab Jahre, da besuchte ich Oma und Opa fast täglich. Ich saß auf ihrem kleinen grauen Sofa und sie in ihrem Omasessel hinter ihrem Holzofen. Sie litt an Diabetes, und als ich etwa zehn Jahre alt war, amputierte man ihr ein Bein. So saß sie Tag für Tag hinter ihrem Ofen. Sie „krabbelte“ von einem Raum in den anderen oder saß gemütlich in ihrem kleinen Hof.
Kaum ein Tag verging, an dem sie mir nicht voller Liebe und Ehrfurcht von Jesus erzählte. Ehrfurcht? Was ist das? Ehrfurcht hat nichts mit unserer menschlichen Angst zu tun. Wer meine Oma gekannt oder ihren Worten gelauscht hätte, dem müsste ich das nicht mehr erklären. Vielleicht hat es auch mit Faszination, Staunen, Respekt und Würde zu tun.
Es war wenige Monate vor ihrem Tod, als sie mir eindringlich sagte: „Halte dich stets an Gott! Die Welt lacht mehr und mehr über ihn; den Menschen geht’s zu gut. Sie denken, sie schaffen es ohne Gott. Vielleicht braucht so mancher Mensch die Not, um nach Gott zu rufen. Ich wüsste nicht, was ich zu Kriegszeiten ohne ihn getan hätte. Er war immer für uns da!“
Solche Worte kamen aus dem Munde einer Frau, die ihr Kind verloren hatte, die so oft um das Leben ihres Mannes gebangt hatte und schauen musste, wie sie ihre Kinder versorgen konnte. Die sich selbst stets zurücknahm und gab, wo sie nur geben konnte – und das alles zu Kriegszeiten!
Oft erzählte sie mir biblische Geschichten. Ich bin so dankbar für jede Minute, in der ich ihr zuhören konnte. Gerade jetzt fällt mir ein, dass ich ihr wohl nie gesagt habe, wie sehr ich sie liebe. Sie wusste es immer, doch ist es so wertvoll, es auszusprechen. Ich wusste es ja auch erst mit 37 Jahren, wie unendlich kostbar es ist, die Liebe auszusprechen.
Sehr oft erzählte sie mir von dem ersten Märtyrer „Stephanus“, dass er für sein Bekenntnis zu Jesus sterben musste, dass er aber im Sterben den offenen Himmel sehen durfte. Diese Begebenheit sollte später noch eine größere Bedeutung bekommen.
So oft beteten wir gemeinsam. Welch ein Segen, Eltern und Großeltern zu haben, die beten und segnen können. Immer wieder erzählte sie mir von ihrem kleinen Jungen, dem „Werner“, der mit gerade mal zwei Wochen gestorben war. Sie gab Gott nie die Schuld für seinen Tod, sondern sagte mir mit Gewissheit, dass er nun bei Jesus sei.
Omas Sofa war ein Stück Zufluchtsort für mich, wenn die Welt da draußen brüllte. Hier wurde nie geschrien. Opa war wortkarg; nie sprach er aus seinem Herzen. Nähe konnte er auch keine spenden. Heute weiß ich, warum. Er starb 1988, als ich 18 Jahre alt war. Ich glaube, seine Erziehung sowie der Krieg und die Gefangenschaft haben vieles in ihm zerstört und sein Herz versteinert. Würde ich ihm nur noch ein einziges Mal begegnen, so würde ich ihn in meine Arme nehmen (wenn er es zulassen würde) und ihm in sein Ohr flüstern: „Opa, ich verstehe dich und ich liebe dich!“ Oh Mann, geht mir das ans Herz!
Ende Dezember 1983 kam meine Oma ins Krankenhaus. Die ersten vier Wochen dachten wir, dass alles gut werden würde, doch auf einmal schien sie uns nicht mehr zu erkennen. Es war eine schlimme Zeit. Meine geliebte Oma wusste meinen Namen nicht mehr.
Eines Tages saß ich an ihrem Bett, als ich ein Strahlen in ihrem Gesicht bemerkte; es war