Mami Bestseller Staffel 4 – Familienroman. Jutta von KampenЧитать онлайн книгу.
wich nicht von der Seite ihres Bruders, der sich zielstrebig daranmachte, Kakao zu wärmen und Knäckebrot auszupacken.
Dazu gab’s Marmelade und frische Butter.
»Kai! Du sagst ewig. Bleiben wir denn ewig hier im Olsenhaus?«
Vorsichtig stellte Heike die Tassen auf den Tisch, blickte dann zu Kai hin, der am Herd stand und in einem Topf rührte.
»Es wäre ganz in Ordnung, wenn wir beide ewig hierbleiben könnten. Findest du nicht? Ist mir ganz egal, daß sonst niemand hier ist. Besser so als bei Onkel Max oder Tante Sofia. Ist auch für Bimbo besser.«
Von der offenen Tür her kam ein freudiges Bellen. Dort stand Bimbo und schüttelte sich, so daß seine langen Ohren flogen.
Das entlockte Kai ein helles Lachen, das erste Lachen seit Tagen. Es schien einen Bann zu brechen, unter dem die Kinder seit dem Tod der geliebten Eltern standen.
»Du hast recht, Heike!« rief Kai fröhlich. »Wir sind hier ganz gut aufgehoben, Bimbo auch. Hier soll uns so rasch niemand vertreiben. Aber dazu müssen wir einen Plan machen.«
»Einen Plan?« Verdutzt blickte Heike den Bruder an, der plötzlich sehr geheimnisvoll tat.
»Jawohl, Heike, wir machen uns einen regelrechten Plan zurecht, wie wir hier unbemerkt leben können. Droben auf dem Dachboden errichten wir ein Notquartier. Immer wenn es hier brenzlig wird, verduften wir dort hinauf und verhalten uns mäuschenstill. Paß auf, ich erkläre dir alles ganz genau. Wir legen dort auch eine Vorratskammer an und schaffen Decken und Kissen hoch. Trocken ist es ja auf dem Boden, und jetzt im Sommer werden wir auch nicht frieren. Bimbo kriegt auch seine Ecke. Aber wir müssen stets auf der Hut sein vor Henry Olsen. Sobald sein Boot am Steg auftaucht, gehen wir in unser Versteck. Vielleicht kommt die alte Lina überhaupt nicht mehr zurück, dann sind wir eben allein. Pah, ich fürchte mich nicht!«
Heike hatte atemlos zugehört. »Ich fürchte mich auch nicht!« rief sie nun tapfer.
»Also gut! Nach dem Frühstück beginnen wir mit der Arbeit«, entschied Kai.
Sie beeilten sich und machten hinterher die Küche wieder sauber.
»Wir müssen das immer gleich tun, falls mal überraschend jemand auftaucht«, erklärte Kai und stellte den sauberen Topf zurück in den Schrank.
Dann verließen sie die Küche, um ihren Plan zu verwirklichen. Der Dachboden eignete sich prima dazu, denn er war groß und voll alter Möbelstücke, die sich herrlich zusammenschieben ließen.
Am Schluß hatten Kai und Heike wirklich ein gemütliches Eckchen geschaffen.
Bettzeug gab es genug im Olsenhaus, und Eßgeschirr und Obst in Dosen auch. Dazu einige Päckchen Zwieback, die die alte Lina ihres Leberleidens wegen am Morgen zu essen pflegte.
»Die bleiben lange frisch«, wußte Kai und betrachtete voller Stolz ihr Werk. »Fertig, Heike! Was sagst du nun? Sieht das nicht richtig gemütlich aus?«
Das fand Heike auch, aber nun hatte sie wieder Hunger. Außerdem war sie schmutzig.
»Erst machen wir uns draußen am Wasser sauber, dann kochen wir eine Gulaschsuppe aus der Dose«, entschied Kai.
Über diesem allen war der Tag zur Neige gegangen, und bisher hatten Kai und Heike kaum einen Gedanken an die Eltern richten können.
Nun jedoch, als sie zusammen in der Küche saßen und Kai sich abmühte, seine Hose zu reparieren, kam die Verzweiflung zurück.
»Was wird nur nach den Ferien«, meinte der Junge und piekte sich zum drittenmal in den Finger.
Heike saß mit Bimbo am Fenster und hielt den Bootssteg im Auge, wie Kai es ihr befohlen hatte.
»Old Henry kommt meistens am Abend von seiner Fahrt zurück«, hatte Kai vorhin gesagt. »Wir müssen also am Abend besonders vorsichtig sein.«
Jetzt brach die Dämmerung über den Garten und den Fluß herein, und Kai seufzte ungeduldig auf, denn er hatte den Riß immer noch nicht bewältigt und konnte fast nichts mehr sehen.
In diesem Augenblick schrie Heike leise auf und schloß rasch das Fenster.
»Onkel Henry kommt! Sein Boot legt gerade an. Was… was sollen wir nun tun, Kai?«
Dieser riß den Faden ab, stopfte Garn und Nadel zurück ins Körbchen und klappte den Deckel zu.
»Na was schon! Wir haben doch alles besprochen. Zuerst verschwinden wir auf die Galerie. Wir ziehen uns die Schuhe aus und warten ab, was Onkel Henry tut. Meistens geht er zuerst ins Wohnzimmer und mixt sich einen Drink. Oft legt er sich dann gleich dort auf die Couch und schläft. Das müssen wir beobachten. Wenn er nämlich hochkommt, dann schleichen wir uns auf den Dachboden. Wenn er unten bleibt, gehen wir im Gästezimmer zu Bett. Er kommt doch nie in unser Gästezimmer.«
Bimbo wurde ermahnt, leise zu sein, dann eilten die Kinder die Treppe hinauf.
Es geschah alles so, wie Kai vorausgesagt hatte. Henry Olsen betrat den Wohnraum.
Dann jedoch geschah etwas Unerwartetes. Es schellte, und dann mußte Kai seiner Schwester rasch die Hand auf den Mund legen. »Da!« Heikes erschreckter Ruf erstickte.
»Pst! Sei ruhig!« raunte Kai ihr geistesgegenwärtig zu, obgleich auch er beim Anblick der Frau einen gehörigen Schrecken bekam.
»Aber das ist die Frau, die uns mitgenommen hat!« wisperte Heike an Kais Ohr.
Beide hielten die Gesichter dicht an das Schnitzwerk des Geländers gepreßt und starrten hinunter auf die Frau und Olsen, die sich zornig anfuhren.
»Es ist Fräulein Krümel«, flüsterte Kai der ängstlichen Heike zu, »die Fürsorgerin! Möchte bloß wissen, was die hier will. Ich gehe nicht zurück ins Waisenhaus, ganz bestimmt nicht! Lieber renne ich fort ins Schilf. Da findet sie mich niemals.«
Heikes zitternde Hand legte sich auf Kais Arm.
»Aber du nimmst mich doch mit, nicht, Kai?«
Stumm nickte Kai, legte den Zeigefinger auf die Lippen und blinzelte durch ein größeres Muster im Holz, denn dort unten wurde es jetzt sehr spannend.
»Geben Sie sich keine Mühe, mich hinters Licht zu führen«, stieß Fräulein Krümel ärgerlich hervor, »ich weiß, daß die Kinder hier sind! Im Apfelbaum fand ich diese Schleife, sie gehört Heike. Außerdem ist das Gras zertrampelt, als habe dort eine Horde Kinder Fußball gespielt.«
O weh! Kai warf Heike einen schuldbewußten Blick zu, denn er hatte am Nachmittag in dem hohen Gras mit Bimbo herumgetobt.
»Die Kinder jetzt schon hier?« meldet sich die Stimme Olsens voller Erstaunen. »Das muß ein Irrtum sein. Niemand befindet sich im Haus außer mir. Und was reden Sie da von einer Kindesentführung! Sie sind wohl verrückt! Frau Brünnig kommt allerdings in einigen Tagen mit Kai und Heike, um hier die Ferien zu verbringen.«
Schweigen! Dann die etwas ruhigere Stimme von Fräulein Krümel.
»Sie behaupten also, Kai und Heike seien nicht hier? Das sollten Sie sich gut überlegen, Herr Olsen! Die Verwandten der Kinder müssen morgen die Heimreise antreten, notfalls ohne die beiden. Damit berauben Sie, Herr Olsen, die armen Kinder der Möglichkeit, in einer Familie aufwachsen zu können. Es bleibt also nur das Waisenhaus für die beiden.«
»Wer sind Sie überhaupt?« erklang nun die eiskalte Stimme von Olsen. »Was reden Sie für einen Unsinn von wegen Waisenhaus! Die Kinder haben schließlich Eltern!«
Schweigen! Oben auf der Galerie legte Kai seiner kleinen Schwester den Arm um die bebenden Schultern.
Heike drückte ihre Wange an das harte Holz, sie sah Kai aus tränenumflorten Augen an und konnte nur mit Mühe ein verzweifeltes Aufschluchzen unterdrücken.
Unten sagte Fräulein Krümel in diesem Moment zu Henry Olsen, wobei sie ihre Stimme senkte und den Blick abwandte: »Nein, Herr Olsen, die Kinder haben keine Eltern mehr. Ich weiß nicht,