Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
sollst du wissen. Meine Lieben warten schon lange auf mich. Wäre Karlheinz bei uns geblieben, wärest du eines Tages wohl meine Schwiegertochter geworden, und ich hätte das Glück genießen können, Enkel zu haben. Das Schicksal wollte es anders. Aber weil ich dich so lieb habe, will ich nicht, dass du aus einem nüchternen Testament erfährst, dass du meine Erbin sein wirst. Du sollst nämlich keine Verpflichtungen darin sehen, Karlheinz immer die Treue zu halten. Ich meine, dass Jahre genug vergangen sind und dass du Anspruch auf Glück hast.«
»Es lässt sich nicht erzwingen, Tante Tresi. Es muss von selbst kommen«, sagte Nanni.
»Ach, man muss manchmal auch etwas dazu tun. Wie viel Menschen verbauen sich das Glück aus Rücksicht auf andere, vielleicht auch Selbstlosigkeit und manchmal wohl auch aus Unglauben. Man muss an das Glück glauben und manchmal auch dafür kämpfen. Ich weiß selbst nicht, warum ich das sage. So manches geht mir jetzt durch den Sinn. Ach was, erzähl mir jetzt lieber von Rubinchen. Gesehen hätte ich das Kind schon gern einmal.«
Nanni erzählte zunächst von Rubinchen, dann von den Schoeneckers, damit Frau Hagen auf frohere Gedanken gebracht wurde.
»Ja, das ist eine schöne, beglückende Lebensaufgabe«, sagte sie. »Aber es gehört viel Mut dazu und Selbstaufopferung.«
»Und dennoch haben sie es verstanden, auch in ihrer eigenen Familie eine vollkommene Harmonie zu erhalten.«
Während Nanni erzählte, bewegte sie die Arme und Beine der alten Dame in sanftem Rhythmus, aber sie spürte, wie kraftlos diese schon war.
*
Mittags war Jans Maschine mit halbstündiger Verspätung in München gelandet. Jede Minute der Verzögerung hatte seine Ungeduld gesteigert. Dann fand er auch noch einen Taxifahrer, der eine so weite Fahrt strikt ablehnte, weil er schon auf sein freies Wochenende vorbereitet gewesen war, und ihm einen Zug empfahl, der bereits in einer Stunde vom Hauptbahnhof fahren würde. Damit käme er bei dem Wochenendverkehr, wo alles in die Berge ströme, ohnehin schneller zum Ziel.
Er erreichte den Zug gerade noch und blieb bis zur nächsten Station allein im Abteil. Dann stieg eine sehr elegante junge Dame ein. Sie maß ihn mit einem kurzen abschätzenden Blick, setzte sich ihm gegenüber und schlug die Beine graziös übereinander.
Aus ihrer Tasche kramte sie ein goldenes Zigarettenetui. »Würden Sie bitte haben Feuer?«, fragte sie mit deutlichem Akzent. Er tippte auf Amerikanerin, die sich jedoch die Eleganz einer Pariserin angeeignet hatte.
Er holte ein Feuerzeug aus seiner Tasche und knipste es an. Als sie sich vorbeugte, fielen ihr die Illustrierten, die auf ihren wohlgeformten Knien gelegen hatten, zu Boden.
Jan bückte sich, und seine Augen wurden starr, denn auf dem Titelbild war unverkennbar seine Tochter Rubinchen zu sehen.
»Verzeihung, dürfte ich diese Zeitschrift einmal ansehen?«, fragte er höflich.
»Bitte schön«, erwiderte die junge Dame lächelnd, ihn unter halbgeschlossenen Lidern betrachtend.
Seine Tochter als Titelbild auf einer Illustrierten! Schlug Lilo etwa auch daraus Kapital? Stimmt wirklich alles, was Nanette von Willbrecht ihm geschrieben hatte?
»Ein süßes Kind, nicht wahr?«, fragte sein Gegenüber. »Ein ganz großes Talent. Ihretwegen fahre ich in diesem Zug.«
In Jans Kopf tickte es. Sollte der Zufall ihm mehr an Auskünften bescheren, als er auch nur im Entferntesten hatte ahnen können? Mit einigem diplomatischen Geschick müsste er eigentlich mehr aus ihr herausbekommen. Er war gewiss nicht eitel, aber er wusste recht gut, dass er seine Wirkung auf Frauen nicht verfehlte, wenn er seinen Charme spielen ließ.
»Ich finde es immer ein wenig bedauerlich, wenn kleine Kinder sich schon so produzieren«, bemerkte er beiläufig.
Die junge Dame lachte hellauf. »Ach, das macht ihnen doch Spaß, und sie verdienen schon eine ganze Menge Geld damit«, sagte sie. »Diese kleine Eisprinzessin kann in ein paar Jahren steinreich sein. Mein Name ist übrigens Jane Watts. Ich habe selbst meine Karriere als Eiskunstläuferin gemacht – finden Sie, dass mir dies schlecht bekommen ist?« Ein klingendes Lachen folgte.
»Haben Sie auch schon so früh angefangen?«, erkundigte sich Jan.
»Darf ich nicht erst Ihren Namen erfahren?«, fragte sie anzüglich.
Er überlegte blitzschnell. Sie kannte Rubinchen, also würde sie auch ihren Familiennamen kennen. Himmel, wollte ihm denn nichts einfallen!
»Hagen«, sagte er dann. »Jan Hagen.«
»Jane und Jan«, lachte sie, »wie amüsant! Ich bin immer froh, angenehme Reisegesellschaft zu haben. Mit dem Wagen kommt man heute ja nicht voran. Die Straßen sind alle verstopft.«
Er lenkte ganz schnell wieder auf das Thema über, das ihn mehr interessierte.
»Sie kennen diese kleine Eisprinzessin persönlich?«, fragte er.
»Ich konnte ihr Talent bewundern, und wir hatten sie schon in unsere Eisrevue eingeplant. Aber da ergaben sich ein paar Schwierigkeiten mit dem Manager, der mit der Trainerin nicht klar kam. Man muss natürlich gerade, was ein Kind anbetrifft, vorsichtig sein. Die Trainerin hat Haare auf den Zähnen. Sie hat auch vielleicht ein bisschen des Guten zu viel getan. Uns ist bekannt geworden, dass der Vater des Kindes am Wochenende kommt, und vielleicht kann man mit ihm besser ins Geschäft kommen. Väter, die keine Zeit für ihre Kinder haben, sind oft aufgeschlossener.«
Jane blieb redselig. Der attraktive Mann gefiel ihr, und da er selbst wenig zum Gespräch beitrug, plauderte sie munter weiter.
»Man muss natürlich Freude in einem so kleinen Mädchen erzeugen. Es darf das Training nicht als Strafe empfinden. Ich selbst werde mich des Kindes annehmen, wenn es zu einem Vertrag kommt, und ich muss gestehen, dass ich noch immer erreichte, was ich wollte.« Ein vielsagendes Lächeln begleitete diese Worte. »Schade, dass Sie dieses Kind noch nicht tanzen und springen sahen«, redete sich Jane in Begeisterung. »Sie wären doch bestimmt stolz, eine solche Tochter zu haben.«
»Ich weiß nicht«, erwiderte er gepresst.
Jane lachte wieder. »Dann bräuchten Sie nichts mehr zu tun. Das Geld würde das Kind bringen. Verstehen Sie übrigens etwas vom Eislaufen?«
»Für den Hausgebrauch geht es«, erwiderte Jan.
»Haben wir das gleiche Ziel? Wollen wir es einmal probieren?« Lockend sahen ihn ihre graugrünen Augen an.
»Vielleicht ergibt es sich. Ich fahre zu einem Bekanntenbesuch«, erwiderte er ausweichend.
»Und ich kann nur hoffen, dass unsere kleine Eisprinzessin wieder auf den Beinen ist.«
»Hatte sie sich verletzt?«, fragte Jan mit rauer Stimme.
»Ach Gott, mit Verletzungen laboriert man eigentlich immer herum. Aber da mischten sich dann solche Spießer ein, weiß der Himmel, was das für Leute sind, die es als Verbrechen betrachten, wenn man ein ungewöhnliches Talent fördern will. Ich werde die Dinge jetzt selbst in die Hand nehmen, und wenn der Vater des Kindes einigermaßen ansprechend ist, werde ich es mit Charme machen.«
Charme hatte sie jetzt schon genug an ihn verschwendet, und Jan war heilfroh, ihr seinen richtigen Namen vorenthalten zu haben. Die attraktive junge Dame schien tatsächlich mit allen Wassern gewaschen zu sein. Wie gut es doch gewesen war, dass er nicht mit dem Taxi gefahren war. Er wollte den Zufall nutzen. Er hoffte nur, dass niemand ihn vorzeitig mit dieser Jane beisammen sah.
»Bleiben Sie länger?«
»Leider nur bis morgen«, erwiderte er.
»Dann könnten wir doch vielleicht den heutigen Abend miteinander verbringen? Es gibt eine schicke Bar. Bongo-Bar. Dort finden Sie mich, wenn Sie Zeit haben.«
Ganz hübsch forsch. Wie verschieden doch die Frauen waren. Yasmin hatte es mit sehr viel Zurückhaltung und Raffinesse geschafft, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ruth hatte es damals mit ihrer mädchenhaften Natürlichkeit erreicht. Die paar Frauen dazwischen