Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
dass sie immer wieder ekelhaft zu Nanni ist. Das mag Daddy nämlich auch nicht.«
Was ist sie nur für ein durchtriebenes Persönchen, dachte Jan, aber er dachte es nicht ohne Stolz. Er betrachtete Rubinchen als seine größte Verbündete.
Rubinchen redete sich in Feuer.
»Wenn Daddy aus der Türkei zurück ist, wird er bestimmt alles in Ordnung bringen, Pipp. Man muss ja nicht immer im Ausland arbeiten. Hast du nicht einmal gesagt, dass du ein Haus im Schwarzwald gekauft hast, Daddy?«
»Das ist nur ein kleines Häuschen, wo man Urlaub machen kann«, erklärte er.
»Dann können wir ja Urlaub machen. Nicht bloß zwei Tage. Nanni kann dann Gymnastik mit dir machen, damit du nicht so steif wirst.«
»Ich bin doch nicht steif«, sagte er.
»Onkel Friedrich hat aber gesagt, dass du ein bisschen steif bist und dass es Zeit braucht, bis du warm wirst.«
Nanni musste unwillkürlich lachen. Sie sah so schelmisch aus, dass Jan Rubinchen und Pipp vergaß und ihr ganz schnell über die Wange streichelte.
Rubinchen bemerkte es mit Wohlgefallen und verhielt sich nun ganz still. Leider gelangten sie viel schneller nach Sophienlust, als ihr lieb war. Dort wurden sie freudig empfangen.
Leider war Nick schon in der Schule, aber für Henrik begann sie erst eine Stunde später. Deshalb leitete er das Empfangskomitee mit Pünktchen, die nun endlich in den Genuss kam, die kleine Eisprinzessin, von der Nick so geschwärmt hatte, kennenzulernen. Alle Zweifel in ihr schwanden. Das war ja ein ganz kleines Mädchen, und wenngleich es auch sehr niedlich war, so brauchte sie nicht zu fürchten, dass Nick sein Herz an sie verloren haben könnte. Es war für Pünktchen eine so große Beruhigung, dass sie ganz besonders freundlich zu Rubinchen war.
Nur wenige Minuten blieben Jan und Nanni für den Abschied. »Du wirst keine Zweifel hegen?«, fragte er bittend.
»Wir wollen jetzt noch nicht an die Zukunft denken, Jan«, erwiderte Nanni. »Für Rubinchen ist im Augenblick die beste Wahl getroffen. Du kannst nicht alles hinter dich werfen.«
»Sag mir, dass du mich liebst und mir vertraust«, bat er.
»Ich liebe dich«, flüsterte sie, doch eine bange Ahnung erfüllte sie, dass mit Yasmin noch zu rechnen wäre.
Und wenn man nach Pipp gehen wollte, der herzzerreißend jaulte, als Jan davonfuhr, musste ein Wiedersehen wohl in ganz weiter Ferne liegen.
*
»Nun, Nanni, wie wäre es, wenn Sie wenigstens eine Woche blieben?«, fragte Denise.
»Ich muss zur Beerdigung von Frau Hagen zurück sein«, erwiderte sie. »Das bin ich ihr schuldig.«
»Aber dann können Sie doch wiederkommen. Es gibt wirklich einiges für Sie zu tun.«
»Bitte, bitte, Nanni«, ließ Rubinchen sich vernehmen.
»Mir gefällt es hier ja, aber ohne dich und Pipp bin ich doch allein.«
»Pipp kannst du hierbehalten«, räumte Nanni ein.
»Das ist aber sehr lieb von dir«, schmeichelte Rubinchen.
Pipp dagegen schien sich noch nicht ganz schlüssig zu sein, ob es für ihn denn angebracht war, zwischen all dem Getier, das an ihm herumschnupperte, ein angenehmes Leben zu verbringen.
Rubinchen, schon ganz mit seinem Seelenleben vertraut, redete ihm zu. »Stell dir vor, wenn ich mich wieder verlaufe, kennt mich keiner so gut wie du, und stell dir vor, wenn Tante Lilo käme, um mich fortzuholen, was wäre dann?«
Ernsthaft hegte sie einen solchen Gedanken wohl nicht, aber als sie ihn ausgesprochen hatte, kam er ihr doch tiefer zu Bewusstsein, und sie umklammerte Pipps Hals so fest, dass jeder überzeugt sein musste, dass sie ohne seinen Schutz Angst hatte.
So fuhr Nanni allein zurück. Sie fühlte sich sehr einsam. Aber Rubinchen erging es nicht anders, und ebenso Pipp. Doch auch von Jan konnte man nicht sagen, dass er das Büro seines Chefs voll Zuversicht betrat.
*
Generaldirektor Dr. Peschke war eine imponierende Erscheinung. Er überragte den ohnehin recht langen Jan noch um einige Zentimeter und war auch eine beträchtliche Spur breiter. Jan und er sahen sich forschend an, dann nahmen sie Platz.
»Große Ereignisse stehen bevor«, begann Dr. Peschke.
»Ich rief am Samstag in Ankara an und erfuhr, dass Sie schon unterwegs wären.«
»Ich musste schwierige Familienangelegenheiten regeln«, sagte Jan rasch, »meine Tochter war bei meiner Schwägerin untergebracht.«
»Und nun haben Sie wohl alles in die Wege geleitet, um das Kind mit nach Ankara zu nehmen?«
»Nein, ich habe sie in ein Kinderheim gebracht, wo sie besser aufgehoben ist.«
»Das war ein guter Entschluss«, sagte Peschke erfreut. »Ankara fällt nämlich flach für Sie. Wir haben andere Dispotitionen getroffen. Sie werden Herrn Suliman nachher kennenlernen. Er wird die Niederlassung übernehmen. Er weiß mit den Gegebenheiten vor Ort besser umzugehen, und vor allem stiftet er nicht so viel Verwirrung unter den weiblichen Angestellten.«
Man hatte also schon Wind bekommen. Jan sah der Fortsetzung des Gesprächs mit einigen Bedenken entgegen, denn meist begannen sie taktvoll und freundlich, und das dicke Ende kam dann nach. Doch seltsamerweise fühlte er sich gar nicht so sehr bedrückt. Du liebe Güte, selbst wenn man ihm den Stuhl vor die Tür setzte, würde er anderswo eine Stellung finden. Kismet, dachte er, doch da fuhr Dr. Peschke schon fort:
»Sie haben gute Arbeit geleistet da drunten, lieber Campen, aber wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass Sie an einem anderen Platz nützlicher sein könnten. Wir haben mit der Maschinenfabrik Dexter fusioniert, aber im Stammwerk im Südwesten eine heillose Unordnung vorgefunden. Ich bin zwar durchaus dafür, die leidenden Herrn nicht vorzeitig in Pension zu schicken, aber wenn sie starrsinnig auf Kosten von Firma und Angestellten weiterwirtschaften, muss man mit hartem Besen kehren. Ich mache Ihnen also das Angebot, das Werk zu übernehmen, was natürlich auch mit einer höheren Dotierung verbunden wäre. Außerdem steht Ihnen ein hübsches Haus zur Verfügung, dass Sie sich ganz nach Ihrem Geschmack einrichten können. Vierzehn Tage werden Sie schätzungsweise brauchen, um Suliman in Ankara einzuweisen. Nanu, Sie machen ja ein deprimiertes Gesicht. Fühlen Sie sich so stark an Ankara gebunden?« Es klang hintergründig.
»Nein, ich wäre sehr froh, in der Nähe meiner Tochter zu sein«, sagte Jan rasch, »und das wäre dann ja gegeben. Es kommt eigentlich wie ein Geschenk des Himmels, Herr Generaldirektor.«
»Deswegen brauchen Sie nicht gleich so formell zu werden«, meinte Peschke lächelnd. »Vielleicht wünschen Sie mich zum Teufel, wenn Sie mit dem Tohuwabohu fertig werden müssen, das Sie erwartet, und außerdem muss die Produktion um zwanzig Prozent während des laufenden Jahres gesteigert werden, sonst geraten wir in die roten Zahlen. Wenn Sie ja sagen, können Sie in genau vierzehn Tagen anfangen.«
»Ich sage ja.«
»Dann ist alles klar. Sie können morgen früh mit Herrn Suliman zurückfliegen. Ihr Herz werden Sie in Ankara wohl kaum zurücklassen?«
Lauerte da nicht schon wieder eine Anzüglichkeit im Hintergrund?
»Nein«, erwiderte er ein bisschen zu rasch und hatte ein schlechtes Gewissen dabei.
*
Er hatte hin und her überlegt, ob er Nanni anrufen sollte, aber dann kam er doch zu der Überzeugung, dass es besser sei, sich zuerst mit Yasmin auseinanderzusetzen.
Am Abend war er mit Dr. Peschke zusammen, und auch Herr Suliman leistete ihnen Gesellschaft. Es war ein gescheiter Mann, und Jan hatte gleich das Gefühl, dass er der Mentalität seines eigenen Volkes weit besser gewachsen sein würde als er. Yasmin würde von dem neuen Chef nicht erbaut sein. Jan hatte ein recht ungutes Gefühl, wenn er an sie dachte. Yasmin wollte bestimmt, dass er sie mitnähme, dessen