Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
hatte Herr Suliman keinen sehr gesprächigen Reisegefährten, aber auch er schien keinen Wert darauf zu legen. Erst als die Reise sich dem Ende entgegen neigte, begann er zu sprechen. Von seiner Frau und seinen beiden Kindern Sib und Fatima, die er nun nach einjähriger Trennung wiedersehen sollte.
Jan erwartete am Flughafen eine große Überraschung. Er erkannte Yasmin schon von Weitem. Sie musste auch auffallen in ihrem hocheleganten Mantel.
Sie kam ihm ein paar Schritte entgegen, doch da tauchte Suliman hinter ihm auf. Es war eine eigentümliche Situation, denn Yasmin wich zurück, als wäre sie auf der Flucht.
Jan war völlig verwirrt. Er sah Suliman, wie er auf eine sehr attraktive Frau zueilte, die zwei Kinder an der Hand hielt, und wie es dort eine freudige Begrüßung gab. Dann hielt er wieder Ausschau nach Yasmin, aber sie war nirgends zu sehen. Er hatte nur die Erklärung, dass sie ahnungslos gewesen war, dass er sich in Gesellschaft befand, und sie deshalb taktvollerweise nicht in Erscheinung getreten war.
Suliman machte ihn mit seiner Frau und den Kindern bekannt. Alle strahlten, und Jan wurde schon für den nächsten Abend zum Souper eingeladen.
Er entfernte sich danach rasch, hielt nochmals Ausschau nach Yasmin, aber er fand sie erst in einem Taxi, aus dem sie ihm winkte. Er setzte sich zu ihr, und das Taxi fuhr rasch los, als fürchte man, noch erkannt oder verfolgt zu werden.
»Es kam nur die Mitteilung, dass du mit dieser Maschine eintriffst«, erklärte sie überstürzt.
»Ich flog mit meinem Nachfolger Suliman«, bemerkte er mit rauer Stimme. »Du wirst ihn morgen kennenlernen, Yasmin.«
»Nein, das werde ich nicht.« Sie sagte es so zornig, dass er aufhorchte.
»Aber ich bitte dich, Yasmin, er ist ein sehr gebildeter, wohlerzogener Mann.«
»Man wird dich versetzen. Ich habe es geahnt. Bringe mich schnell fort von hier, Jan. Ich bitte dich. Ich will fort. Ich will nicht mehr hierbleiben. Ich habe geahnt, dass man uns auseinanderbringen will.«
»Davon kann keine Rede sein«, erwiderte er, »zumindest nicht, was die Direktion anbetrifft. Gewiss ist mir eine neue Aufgabe zugeteilt worden, aber das hat doch nichts mit dir zu tun. Du behältst deinen Posten.«
»Du willst, dass ich hierbleibe, während du weggehst?«, begehrte sie auf. »Wohin wirst du versetzt?«
»Nach Deutschland, und das kommt mir sehr entgegen. Die Sache mit Rubinchen ist kritischer, als ich dachte.«
»Wir wollten heiraten. Hast du das vergessen?«, fragte sie.
»Yasmin, es fällt mir nicht leicht. Aber darüber müssen wir noch sprechen.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Hierzulande gilt ein Versprechen«, sagte sie hart. »Sage jetzt nicht, dass du es dir anders überlegt hast, Jan.«
Das hatte er gefürchtet, und vielleicht war es Nanni ebenso gegangen. Man konnte nicht einfach einen Schlussstrich ziehen. Man musste an Yasmins Vernunft appellieren. Doch wohl war ihm bei diesem Gedanken nicht.
»Du wirst heute Abend zu uns kommen«, sagte sie herrisch.
Gerade das durfte er nicht tun, denn in dem Augenblick, wo er die Schwelle eines türkischen Hauses überschritt, in dem er als Schwiegersohn betrachtet wurde, war er schon so gut wie verheiratet. Bisher hatte er es vermeiden können, und es war ihm von Yasmin auch noch nicht angetragen worden.
»Ich bin sehr müde. Ich habe anstrengende Tage hinter mir«, erklärte er. »Ich fahre jetzt zu meiner Wohnung. Morgen sprechen wir weiter.«
Sie ließ das Taxi halten. Unter halbgeschlossenen Lidern sah sie ihn an.
»Du bist sehr elegant heute«, stellte er beiläufig fest.
»Für dich«, sagte sie spöttisch, »aber du nimmst es ja kaum zur Kenntnis.«
Er überlegte jedoch nur, woher sie das Geld für diesen teuren Mantel hatte. Aber warum sollte ihn das interessieren? Er musste sich auf diplomatische Weise aus einer prekären Situation ziehen. Das allein war wichtig.
Erst, als er allein in seiner Wohnung war, kam ihm nach längerem Überlegen in den Sinn, dass Yasmin etwas gegen Suliman haben musste, da sie alles vermieden hatte, um ihm zu begegnen. Aber Suliman hatte mit ihm so wenig zu schaffen wie mit Yasmin – erst recht nicht mit seinen privaten Verstrickungen. Wenn er ihr als Chef nicht behagte, würde er sich eine andere Chefsekretärin suchen müssen. Aber das war ein zweitrangiges Problem. Viel komplizierter würde es sein, Yasmin klarzumachen, dass es in seinem Leben eine Frau gab, die ihm mehr bedeutete als alles andere auf der Welt.
Yasmin war zu einer Episode geworden. Das Alleinsein in dem fremden Land war die Voraussetzung dafür gewesen, dass er ihren Reizen nicht widerstehen konnte. Aber konnte er sich tatsächlich als Gentleman aus der Affäre ziehen?
*
Zu gern wollten nun auch die Kinder von Sophienlust Rubinchens Eislaufkünste bewundern. Pünktchen meinte, dass der Dorfweiher noch ganz fest zugefroren sei. Da Rubinchen nun wieder ganz gesund war, wollte sie doch auch beweisen, dass sie sich geschickt anstellte.
Denise war dagegen, aber Rubinchen meinte, dass sie zum Spaß gern laufen würde. Es war ihr doch in den Ohren hängen geblieben, dass man sehr viel Geld damit verdienen könnte, und in ihrer kindlichen Phantasie spukte die Sorge, dass ihr Daddy seine Stellung verlieren würde, wenn er Yasmin nun doch nicht heiratete, wie man es wohl von ihm erwartete. Rubinchen war überzeugt, dass Daddy Nanni nicht so lieb anschauen und ihr auch noch die Wange streicheln würde, wenn er sie nicht ganz mächtig gern hätte. Ob sie wohl einmal mit Tante Isi darüber sprechen konnte? Sie scheute sich zwar ein bisschen davor, aber Tante Isi kannte Nanni schon recht lange, und Erwachsene wussten eben doch mehr als Kinder.
So begab sich Rubinchen zu Denise ins Büro. Natürlich folgte ihr Pipp auf dem Fuß. Er blieb stets seiner Beschützerrolle treu, und außerdem konnte er sich nicht recht daran gewöhnen, der alten Umgebung entrissen worden zu sein. Hier wurde ihm nicht erlaubt, Brötchen zu holen, und die Zeitungen kamen mit einem Boten ins Haus. Auch gab es noch all die anderen Kinder, die ihn dauernd streicheln wollten. Begeistert war er davon nicht, denn meist ging das nicht besonders sanft vor sich, und Pipp war sanfte Hände gewohnt.
»Nun, was hast du auf dem Herzen, Rubinchen?«, fragte Denise. »Na, den Pipp haben wir ja auch. Vermisst ihr etwas?«
»Ganz ehrlich, Tante Isi, Nanni vermissen wir schon«, erwiderte Rubinchen. »Das verstehst du doch?«
»Freilich verstehe ich das. Sie wird bald wiederkommen. Du weißt doch, dass sie zu der Beerdigung von Frau Hagen fahren musste.«
»Beerdigungen sind nicht schön. Da kriegen die Leute nur so ein Grab. Ich habe das nicht gern. Meine Mutti, die ich nicht gekannt habe, hat auch ein Grab. Ich möchte sie mir lieber im Himmel vorstellen.«
»Du wolltest dich doch sicher nicht über so traurige Dinge mit mir unterhalten«, sagte Denise.
»Nein, ich wollte dich eigentlich fragen, wie es ist, wenn man einen Menschen sehr lieb hat, Tante Isi. Bei einem Hund ist es doch so, dass man ihn streichelt und ihn lobt, und wenn nun ein Mensch einen anderen streichelt und lieb anschaut, was ist das dann?«
»Dann hat er ihn wohl auch lieb«, erwiderte Isi verblüfft. Bei Rubinchen musste sie sich wohl noch auf einiges gefasst machen.
»Und wenn nun ein Mensch einen anderen sehr, sehr lieb hat, was tut er dann?«
»Nun, er bemüht sich, ihm keinen Kummer zu bereiten.«
»Wie ist das dann direkt bei einem Mann und einer Frau?«
Du liebe Güte, wenn ich nur wüsste, worauf sie hinaus will, dachte Denise.
»Es kann doch auch sein, dass ein Mann eine Frau heiraten will, die er nicht so richtig lieb hat, was meinst du?«, fragte Rubinchen.
»Jeder Mensch kann sich irren.«
Rubinchen seufzte. »Mein Daddy kann sich wohl auch geirrt haben,