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Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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      Pieter starrte benommen auf den Papagei. »Er kann tatsächlich sprechen«, flüsterte er ergriffen. »Wie ein Mensch. Oh, Vati, ist das nicht wunderbar?«

      »Ja, Pieter, das finde ich auch.«

      »Banane her! Komm schon, Junge!«

      »Meint er mich?«, fragte Pieter kopfschüttelnd.

      »Ich glaube schon.« Frau Rennert nahm eine Banane aus der breiten Schale auf dem Tisch und schälte sie ab. »So, nun gib Habakuk ein Stückchen davon.«

      »Wird er mich auch nicht beißen?«

      »Das glaube ich nicht, Pieter.«

      »Vati, möchtest du nicht lieber …« Der kleine Junge schien dem Frieden nicht ganz zu trauen. »Vielleicht …«

      »Pieter, sei kein Hasenfuß. Gib ihm schon das Stückchen Banane.«

      »Ja, gib es ihm ruhig«, sagte da jemand hinter ihm.

      Erstaunt drehte Pieter sich um. »Wohnst du auch hier?«, fragte er dann und sah Henrik unverwandt an.

      »Ja, das heißt nur halb. Ich bin Henrik Alexander von Schoenecker und bin mit meiner Mutti aus Bachenau gekommen, um dich zu begrüßen.« Er streckte dem fremden Jungen seine nicht ganz saubere Hand entgegen.

      »Und ich heiße Pieter Cornelius. Ich habe deinen Namen nicht ganz verstanden. Er ist so schrecklich lang.«

      »Ich heiße erst einmal Henrik für dich. Der andere Name und der Familienname ist im Augenblick nicht wichtig. Und Sie sind gewiss Herr Cornelius?«, fragte Henrik höflich.

      »Der bin ich, Henrik«, erwiderte Enno lachend und reichte dem Siebenjährigen seine Hand. Was für ein reizendes aufgeschlossenes Kind, dachte er dabei. Wie froh wäre ich, wenn mein Sohn ebenso wäre.

      »Und da kommt Mutti!«, rief Henrik fröhlich.

      Pieter hielt immer noch das Stückchen Banane in der linken Hand, als er Denise mit einem Diener begrüßte. Sie lächelte ihn liebevoll an. Der Kleine gefiel ihr auf den ersten Blick. Auch bemerkte sie sofort, dass wieder einmal ein Kind seelische Hilfe be­nö­tigte.

      Enno Cornelius war hingerissen von Frau von Schoenecker. Darin erging es ihm nicht viel anders als den meisten Menschen, die ihr begegneten. Aber auch Denise fand Pieters Vater ungeheuer sympathisch. Sie schätzte ihn auf ungefähr vierzig. Man sah ihm an, dass er sich im Leben durchzusetzen wusste. Ja, er schien jedes noch so schwierige Problem, das sich ihm in den Weg stellte, spielend zu bewältigen. Und trotzdem entging Denise nicht die leichte Unsicherheit in seinen dunklen Augen. Auch die silbergrauen Strähnen in seinem dichten mittelblonden Haar fielen ihr auf. Das waren Zeichen dafür, dass auch er mit vielen Dingen nicht fertig wurde.

      »Henrik, nicht wahr, du kümmerst dich um Pieter? Ich ziehe mich mit Herrn Cornelius ins Biedermeierzimmer zurück.«

      »Ja, Mutti, du kannst dich auf mich verlassen.« Henrik klopfte sich auf die Brust. »So, Pieter, und nun gib Habakuk endlich das Bananenstückchen«, forderte er ihn auf. »Schau nur, er schlägt schon mit den Flügeln, ein Zeichen seiner Ungeduld.«

      Pieter blickte seinem Vater einen Augenblick hilflos nach, dann hob ein tiefer Atemzug seine Brust. »Also gut«, sagte er entschlossen. »Ich tue es.« Vorsichtig steckte er das Stück Banane durch die Gitterstäbe. Blitzschnell packte Habakuk es mit seinen Krallen und kletterte mit seiner Beute auf die dicke Stange zurück.

      Entsetzt beobachtete Pieter den bunten Vogel. Aber dann ließ er sich von Henrik zum Aquarium führen.

      »Schau, Pieter, wie viele Fische wir jetzt schon haben. Aber die ganz kleinen Fischchen werden nicht groß. Sie werden von den großen aufgefressen«, erläuterte der jüngste Sproß der Familie von Schoenecker.

      »Das ist aber sehr traurig.«

      »Ach, Pieter, das ist nun mal so in der Natur. Die Großen fressen immer wieder die Kleinen auf. Es gibt auch ein Lied darüber. Mein großer Bruder Nick kennt den Text genau. Du, aber jetzt laufen wir mal schnell ins Eisenbahnzimmer!«

      *

      Henrik bemühte sich sehr, Pieter abzulenken, während im Biedermeierzimmer über dessen nächste Zukunft entschieden wurde.

      Enno Cornelius sprach offen mit Denise über seine schwierigen privaten Probleme.

      »An und für sich ist es nicht fair, wenn ich durch meine Bitte, Pieter bei Ihnen aufzunehmen, einem anderen Kind den Platz wegnehme«, fügte er hinzu. »Trotzdem wäre ich sehr froh, wenn ich Pieter hierlassen dürfte. Vermutlich werden Sie sich fragen, weshalb ich kein Kindermädchen für den Jungen engagiere. Aber Pieter fühlt sich nicht wohl daheim. Er hat … Ja, er fürchtet sich vor seiner Mutter. Meine Frau ist überempfindlich und leicht reizbar.« Das Wort ›nervenkrank‹ vermied Enno absichtlich. Auch wenn seine Liebe zu Betty längst gestorben war und nur noch das Mitleid ihn bei ihr hielt, ging es ihm gegen die Familien­ehre, sie auf irgendeine Weise bloßzustellen.

      »Ich verstehe Sie vollkommen, Herr Cornelius. Pieter wäre nicht das erste unglückliche Kind in wohlhabenden Verhältnissen, das zu uns kommt. Die heutige Zeit ist oft schuld daran. Die Kräfte der Menschen werden viel mehr als früher beansprucht, ihre Nerven werden zu sehr strapaziert. Dann kommt es zu solchen tragischen Kinderschicksalen.«

      »Sie wollen meinen Jungen also in Sophienlust aufnehmen?«, fragte Enno sichtlich erleichtert.

      »Ja, Herr Cornelius. Wollen Sie ihn gleich bei uns lassen?«, fragte Denise herzlich.

      »Ja, sehr gern. Morgen früh muss ich nach London fliegen. Und nach meiner Rückkehr bringe ich meine Frau ins Sanatorium. Einen Teil von Pieters Sachen habe ich schon im Wagen.«

      »Unser Hausmädchen Ulla wird die Koffer holen.«

      »Ende nächster Woche bringe ich dann Pieters restliche Kleidungsstücke. Ich bin sehr froh, dass der Junge in ein solches Heim kommt«, versicherte er noch einmal.

      Enno Cornelius wurde Denise von Minute zu Minute sympathischer. Sein bescheidenes zurückhaltendes Wesen überraschte die lebenserfahrene Frau. Denn sein Werk in Essen und sein Name galten etwas in der Welt. Ja, man konnte sogar sagen, dass er eine führende Rolle in der Industrie spielte.

      »Ich habe einen guten Einfall«, meinte Denise und erzählte rasch von Nick und seiner stillen Hoffnung, als Modefotograf Erfolg zu haben. »Ich würde vorschlagen, dass Sie und Ihr Sohn mich und Henrik nach Bachenau begleiten. Wenn wir uns beeilen, kommen wir noch zu Nicks Filmaufnahmen zurecht. Ich glaube, Pieter würde durch dieses neue Erlebnis leichter über den Abschied von Ihnen hinwegkommen.«

      Enno Cornelius war einverstanden. Aber vorher wollte er noch Pieter sagen, dass er für die nächsten Wochen in Sophienlust bleiben müsse.

      So geschah es auch. Kurz darauf stiegen die beiden Jungen in Ennos Auto ein, weil Henrik durchaus mit einem so tollen Schlitten fahren wollte. Enno folgte Denises Wagen. Henrik redete während der Fahrt wie ein Wasserfall, um bei seinem neuen kleinen Freund keine Traurigkeit aufkommen zu lassen. Aber Pieter wurde trotzdem immer stiller. Seit das Hausmädchen von Sophienlust seinen großen Koffer auf eines der Kinderschlafzimmer getragen hatte, war ihm unendlich schwer ums Herz.

      Obwohl Pieter seinem Vater nie gezeigt hatte, wie sehr er ihn liebte, fiel ihm der Abschied von ihm doch sehr schwer. Am liebsten hätte er laut geweint. Aber er wollte sich vor Henrik nicht blamieren. Mit fast sechs Jahren weinte ein Junge doch nicht mehr, überlegte er.

      Dann dachte Pieter an seinen Teddy, den er in der Eile daheim vergessen hatte. Seit er ihn besaß, hatte er noch keine Nacht ohne ihn geschlafen.

      »Vati, nicht wahr, du bringst meinen Teddy ganz bestimmt mit, wenn du mich am Wochenende besuchst?«, fragte er leise.

      »Ja, Pieter.« Enno lächelte seinen Sohn im Rückspiegel an. Aber es war ein gequältes Lächeln, denn er stellte sich vor, wie leer das große Haus in Essen ohne Pieter sein würde. Er würde sich sehr einsam fühlen …

      Ennos Gedanken


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