Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
dass dieses Mädchen für Geld sehr empfänglich war, bot sie eine fantastische Summe für das Baby.
Und Lucy hatte nur ein Ziel. Sie wollte ihr Studium sorglos beenden. Der Handel wurde damit perfekt.
Noch völlig benommen von den turbulenten Ereignissen verließ Claus Aarhof Betty am Morgen des dritten Tages. Auf dem Weg zur Frauenklinik kam ihm erst voll und ganz zu Bewusstsein, worauf er sich eingelassen hatte, welches Risiko er einging. Aber Betty war nicht mehr von ihrem Plan abzubringen. Noch am gleichen Tag schrieb sie an den Anwalt ihres Mannes, dass sie in zwei Monaten ein Kind erwarte – Ennos Kind.
Claus hatte noch immer den Klang ihrer Stimme in den Ohren, als Betty ihm sagte: »Stell dir vor, Claus, es hat geklappt. Enno glaubt an meine Schwangerschaft und hat die Scheidung zurückgezogen. Ich sehe ihn erst nach der Geburt des Kindes wieder. Was für ein Glück, dass meine Eltern auch erst in ungefähr zwei Monaten heimkommen. Ich habe ihnen bereits mitgeteilt, dass sie bald Großeltern werden.«
»Ach, Betty, mir ist nicht wohl bei dieser Geschichte«, erwiderte er. »Nur aus Liebe zu dir lasse ich mich auf diese unkorrekte Sache ein.«
»Das weiß ich, Claus. Deine Liebe ist für mich wie ein Wunder. Würde ich nicht Enno so sehr lieben, würde ich mich von ihm trennen und dich heiraten«, fügte sie leiser hinzu.
»Eigentlich müsste ich für deinen Mann nur Hass empfinden. Aber ich tue es nicht.«
»Du bist ein einmaliger Mensch, Claus. Und ich liebe dich auch, aber auf eine ganz andere Art als Enno.«
*
Dr. Claus Aarhof fuhr sich wie ein Erwachender über die Augen und blickte zum Fenster hinaus. Draußen auf dem Vorplatz des Hospitals stand eine Ansammlung von Schwarzen. Ihre lauten Stimmen drangen zu ihm ins Zimmer. Dann erblickte er eine der weißen Pflegerinnen. Sie hieß Ilse Dollinger und war seine Geliebte. Aber sie bedeutete ihm nichts. Sie war nur eine weiße Frau.
Claus wischte sich mit dem Taschentuch über die schweißfeuchte Stirn. Das ganze Leben bedeutete ihm nichts mehr, gar nichts mehr, denn sein Gewissen ließ ihn keine Ruhe finden. Es peinigte ihn und bereitete ihm viele schlaflose Nächte. Und wieder kehrten seine Gedanken in die Vergangenheit zurück.
Als bei Lucy die Wehen einsetzten, brachte er sie selbst in die Klinik, um in ihrer schwersten Stunde bei ihr zu sein.
An diesem Vormittag lagen vier Frauen im Kreißsaal. Darunter auch Julia van Arx, eine junge Witwe, die ihren Mann auf so tragische Weise verloren hatte. Sie hatte großes Vertrauen zu ihm, Claus, gefasst – und er hatte es missbraucht. Auf die gemeinste Weise, die es gab, missbraucht.
Lucy und Julia van Arx entbanden fast zur gleichen Zeit. Während der kleine Junge der Witwe völlig gesund zur Welt kam, war das Kind der Studentin in einem äußerst schlechten Zustand.
Bevor man Julia van Arx aus dem Kreißsaal fuhr, verlangte sie ihr Baby zu sehen. Danach schloss sie mit einem glücklichen Lächeln die Augen.
Als die Schwestern die jungen Mütter hinausschoben, war er mit den beiden neugeborenen Kindern allein. In diesem Augenblick trat die Versuchung mit aller Macht an ihn heran. Er handelte nun wie in Trance. Er vertauschte die beiden Babys. Keine Sekunde zu spät, denn die eine Schwester kehrte zurück und bemächtigte sich der Kinder.
»Das Baby von Frau van Arx muss schleunigst unter das Sauerstoffzelt«, sagte er heiser.
»Mein Gott, es ist ja schon ganz blau!«, rief die Schwester. »Es scheint kaum eine Lebenschance zu haben.«
Eine Sekunde lang focht er einen schweren inneren Kampf mit sich aus. »Aber nein, es ist nicht das Kind von Frau van Arx«, wollte er der Schwester zurufen, aber kein Ton kam über seine Lippen. Denn er dachte zugleich an die bittere Enttäuschung, die er Betty bereiten würde, wenn er ihr das Kind nicht bringen konnte.
Und dann gab es auch kein Zurück mehr.
Lucy war noch heute fest überzeugt davon, dass sie ihr Kind an Betty Cornelius abgetreten hatte. Betty aber glaubte, dass es Lucys Sohn sei, für den sie soviel Geld bezahlt hatte. Nur sein Bruder wusste die volle Wahrheit. Damals, in seiner inneren Zerrissenheit und seiner maßlosen Verzweiflung, hatte er sich in einem schwachen Augenblick dazu hinreißen lassen, Martin sein Vertrauen zu schenken und ihm alles zu erzählen. Er hatte einfach mit einem Menschen über seine seelische Qual sprechen müssen, die daher kam, dass er einer jungen leidgeprüften Mutter das Kind »gestohlen« hatte, um seiner früheren Verlobten zum Glück zu verhelfen.
Das war ein folgenschwerer Fehler gewesen, wie sich jetzt herausstellte. Martin hatte zwar den verständnisvollen Bruder gespielt, aber eines Tages Geld von ihm verlangt. Bald hatte er begonnen, ihn zu erpressen. Als seine Forderungen immer unverschämter und seine Erpressungen immer offensichtlicher geworden waren, hatte er diesen verantwortungsvollen Posten mitten im Busch angenommen, um allen weiteren Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen.
Natürlich hatte er damit gerechnet, dass Martin ihn weiter erpressen würde. Doch zu seiner Verwunderung hatte er ihn in Ruhe gelassen und ihm geschrieben, er verdiene nun genügend Geld, um ein gutes Auskommen zu haben.
Ein gutes Auskommen, dachte Dr. Claus Aarhof nun mit einem bitteren Lächeln. Wie wenig hatte er doch seinen Bruder gekannt. Wenn er ihn damals angezeigt hätte, wären Betty die Erpressungen erspart geblieben. Nur durch diese neue Geldquelle hatte er selbst vor seinem Bruder Ruhe gehabt. Wie gemein war Martin doch, wie entsetzlich gemein! Und die größte Gemeinheit war, dass er ihn, Claus, als Erpresser vorgeschoben hatte. Arme Betty! Nun glaubte sie auch noch dass er, Claus, ein Lump sei. Ja, er würde Urlaub nehmen, um mit ihr zu sprechen. Wenn er Glück hatte, würde er in acht Tagen nach Europa fliegen können. Sollte Martin ihm dann auch nur die geringsten Schwierigkeiten machen, würde er ihn mit seinen eigenen Händen erwürgen, dachte er und war zugleich entsetzt über den wilden Hass, den er für seinen Bruder empfand.
*
Enno konnte kaum sein Erschrecken verbergen beim Anblick seiner Frau. Betty war abgemagert und sah sehr krank aus. Am meisten erschütterte ihn ihre Lethargie, die so gar nicht zu ihr passte. Auch fragte sie diesmal nach ihrem Sohn.
»Es geht Pieter gut«, erwiderte er und zog den Stuhl näher an das Bett heran. Denn Betty hatte sich geweigert, aufzustehen.
»Das ist fein.« Sie lächelte gequält. Wie einfach wäre es doch, wenn ich Enno alles beichten könnte, dachte sie. Aber sie hatte Angst, ihn zu verlieren. Enno war so stolz auf seinen Sohn. Würde er erfahren, dass der Junge ein untergeschobenes Kind war, würde eine Welt für ihn in Trümmer gehen. Darum musste sie schweigen. Diesen Schmerz konnte sie ihrem Mann nicht zufügen.
»Pieter und ich freuen uns schon darauf, dass du bald wieder gesund bist, Betty«, sagte er herzlich.
»Wirklich? Ich glaube es gar nicht. Nicht wahr, ich habe mich scheußlich benommen? Aber ich konnte nicht anders. Die Angst frisst mich auf.«
»Betty, wovor hast du Angst?«, fragte er eindringlich. »Warum hast du kein Vertrauen zu mir? Ich habe doch für alles Verständnis. Brauchst du Geld?«
»Geld! Ja, ich brauche Geld!«, schrie sie fast und richtete sich auf. »Bares Geld.«
»Betty …«
»Bitte, Enno, frage nicht. Wenn du noch ein Fünkchen Liebe für mich übrig hast, dann frage nicht«, flehte sie. Dabei brach ihr wieder der Schweiß aus allen Poren.
»Betty, du beschaffst dir doch nicht etwa die Tabletten, die dir so schaden? Dann kann ich dir das Geld nicht geben.«
»Enno, du musst es mir geben!« Sie umklammerte seinen Arm, als er aufstehen wollte. »Nur ein paar hundert Euro. Später werde ich dir alles erzählen. Aber jetzt noch nicht. Nein, jetzt noch nicht«, schluchzte sie.
Enno hatte ein weiches Herz. Auch hatte er Frauen noch nie weinen sehen können. »Also gut«, sagte er leise und zog seine Brieftasche.
Später, als er das Sanatorium verließ, war ihm gar nicht wohl zumute. Hatte er nicht einen unverzeihlichen Fehler begangen, als er sich von Betty hatte überreden lassen,