Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
etwas Ähnliches.«
»Da hat man sehr wenig Zeit«, sagte Dodo. »Da muss man manchmal sogar nachts aus dem Bett, wenn ein Baby auf die Welt kommt. Und weit muss man fahren.«
»Julia wird ein Seelendoktor«, sagte Harald.
»Ich weiß, was eine Seele ist«, sagte Dodo. »Großväterchen hat es mir erklärt. Eine Seele kann nicht sterben. Sie bleibt zurück. Sie wird zu einer Blume oder zu einem Baum.«
Harald stand auf. »Ich muss mich jetzt um den Wagen kümmern«, sagte er tonlos.
»Wenn er fertig ist, müssen wir dann gleich fahren?«, fragte Dodo. »Wann musst du arbeiten, Muttichen?«
»Wir brauchen nichts zu überstürzen«, sagte Julia.
Sie begleitete Harald zur Tür. Hilflos sah sie ihn an. »Ich bin Dodo nicht gewachsen«, flüsterte sie.
»O doch, besser jedenfalls als ich. Aber ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll.«
Sie hätte es gewusst, in diesem Augenblick ganz genau, und sie fürchtete, dass ihre Augen es verrieten. Wenn sie den Mut dazu gehabt hätte, hätte sie ihn geküsst.
Wahrscheinlich dachten sie das gleiche, denn eine atemraubende Spannung war zwischen ihnen, und Harald ging dann sehr schnell fort.
Es war kurz vor neun, als es läutete, und da Julia dachte, Harald käme zurück, eilte sie rasch zur Tür. Sie war schneller dort als Felicia, aber sie wich zurück, als Franco vor ihr stand.
Sie wich so weit zurück, dass sie Dodo fast umgestoßen hätte. Völlig verwirrt beugte sie sich zu dem Kind herab und nahm es in die Arme.
»Habe ich dir weh getan?«, fragte sie.
»Nein.« Dodo sah den Mann an. Ihre Lippen pressten sich fest aufeinander.
»So früh am Morgen, Franco?«, fragte Julia abweisend.
»Ich mag ihn nicht«, sagte Dodo laut. »Was will er von dir, Muttichen?«
Sie musste wohl eine Antenne haben, dass Franco eine Gefahr bedeuten konnte. Julia kroch ein Frösteln über den Rücken.
»Warum so aggressiv, junge Dame?«, fragte Franco. Er streckte die Hand nach Dodo aus, aber wie ein Pfeil schoß Hannibal dazwischen und kläffte ihn an.
»Platz, Hannibal«, sagte Dodo, und dann warf sie Julia einen traurigen Blick zu.
»Hast du ihn lieber als mich?«, fragte sie schluchzend.
Franco sah sie mindestens ebenso gespannt an, wie die kleine Dodo. Er begriff, dass Julias Antwort über ihr gemeinsames Leben entscheiden würde.
Aufgewühlt blickte Julia von einem Gesicht zum anderen, sie fühlte sich zerrissen. Doch sie sah erneut in die Gesichter und konnte den Kummer in Dodos Gesichtchen nicht ertragen. Tröstend nahm sie die Kleine in die Arme. Franco biss grimmig die Zähne aufeinander. Er hatte verstanden – auch ohne Worte.
In seinem männlichen Stolz zog er es vor, sich gleich zu verabschieden, er würde nie um die Liebe einer Frau betteln und auch nicht gegen ein Kind kämpfen.
Das Schicksal hatte es anscheinend entschieden, er spürte, hier gab es nichts mehr für ihn zu tun. Steif verabschiedete er sich.
Harald hatte alles mit verfolgt.
»Ich glaube, wir sollten jetzt nach Sophienlust fahren, Dodo«, sagte Harald heiser. »Tante Isi und Henrik werden warten.«
Das hatte Harald Gottschalk nun wirklich nicht ahnen können, dass die Reise nach Sophienlust einen so dramatischen Verlauf nehmen würde, der alles auf den Kopf stellte, was bisher sein und auch Dodos Leben bestimmt hatte. Diese Autopanne noch einen Zufall zu nennen, vermochte er nicht. Und dass die Begegnung mit Julia nur eine Episode bleiben würde, glaubte niemand, der bei diesem Abschied zugegen war.
Zuerst sträubte sich Hannibal wirklich mit Haut und Haaren, im Auto Platz zu nehmen, dann wanderte Dodo von einem Arm in den andern, und zuguterletzt der lange Händedruck zwischen Harald und Julia, der so viel verriet.
Dodo kletterte zu Hannibal auf den Rücksitz. Beide pressten ihre Nasen an die Fensterscheibe. Hannibal jaulte in den höchsten Tönen, und Dodo schluchzte leise vor sich hin.
Mit tränenblinden Augen sah Julia dem Wagen hinterher. Diese Begegnung hatte ihr Leben aus den Angeln gehoben.
*
»Willst du dich nicht zu mir setzen, Dodo?«, fragte Harald, als sie etwa zehn Minuten gefahren waren und das leise Schluchzen langsam verstummte.
»Doch, ich möchte schon«, sagte Dodo. »Ich habe soviel mit dir zu bereden.«
Er hielt an, und sie setzte sich nach vorn. Hannibal war zwar beleidigt, aber er streckte sich dann lang aus und schloss die Augen.
»Ich bin sehr traurig«, begann Dodo stockend, als Harald wieder anfuhr.
»Da wird Henrik aber sehr betrübt sein.«
»Ich kann es ihm erklären, warum ich traurig bin«, sagte Dodo. »Meinst du, dass wir eine Menge Geld für das Fernrohr bekommen könnten, wenn wir es verkaufen? Es ist sehr wertvoll, hat Großväterchen immer gesagt.«
»Warum willst du es verkaufen?«, fragte er überrascht.
»Damit Muttichen nicht soviel zu arbeiten braucht. Großväterchen wäre bestimmt auch damit einverstanden. Er hätte es gar nicht gern, wenn sie arbeiten muss. Ach, wenn ich doch nur mal mit ihm reden könnte. Warum kann man mit einer Seele eigentlich nicht reden, Onkel Harald?«
Er war gewöhnt, dass sie so wunderliche Fragen stellte, doch auf diese wusste er keine Antwort. Ihm saß ein Kloß in der Kehle.
»Das kann man wohl nicht erklären?«, fragte Dodo nachdenklich.
»Nein, das kann man nicht erklären.« Nichts, was zwischen gestern und heute geschehen war, konnte man erklären, auch seine Gefühle nicht.
»Ich mag Tante Isi und Henrik wirklich gern«, begann Dodo von neuem, »aber sie werden doch verstehen, dass ich lieber bei Muttichen sein will, nicht wahr, Onkel Harald?«
»Sicher würden sie das verstehen«, erwiderte er ausweichend. »Aber es wird dir in Sophienlust bestimmt gefallen.«
»Das mag schon sein. Bekomme ich ein eigenes Zimmer?«
»Ja, ich denke schon.«
»Ich habe nämlich viel nachzudenken, und da brauche ich Ruhe«, erklärte sie.
In einer anderen Situation hätte er über diese Bemerkung bestimmt lächeln müssen, aber jetzt konnte er es nicht.
»Brauchst du eigentlich viel Geld, Onkel Harald?«, fragte Dodo weiter.
»Eigentlich nicht.«
»Verdient ein Doktor viel?«
»Manche schon.«
Momentan war Dodo abgelenkt. »Hier gibt es auch Kühe«, stellte sie aufgeregt fest. »Schau mal, Onkel Harald. Sie sehen aber anders aus als unsere Kühe. Sind die hier gescheiter?«
»Wieso meinst du das?«, fragte er, froh, dass sie das Thema wechselte.
»Weil sie nicht auf die Straße laufen. Unsere Kühe sind ziemlich dumm.«
»Bei uns ist auch nicht so viel Verkehr«, sagte Harald.
»Kann eine Seele eigentlich auch ein Tier werden?«, fragte sie nun wieder.
Ihm wurde es wieder schwer ums Herz. Vielleicht hatte der gute Wilm Brodersen doch etwas zu viel getan, mit diesem Kind schon tiefsinnige Gespräche zu führen. Harald fragte sich, was er wohl auf solche Fragen geantwortet hatte.
»Was meinst du, würde Großväterchen gesagt haben?«, fragte er.
»Er hat mir immer eine schöne Geschichte erzählt, wenn er auch keine Antwort wusste«, erklärte Dodo. »Aber wenn