Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
ins Wohnzimmer kam, verging ihm das Lachen.
»Du kommst ganz schön spät!«, begrüßte Felicitas ihren Mann mit einem Kuss. Auch sie hatte die Sorge in seiner Miene entdeckt und versuchte, darin zu lesen. »Ist was mit Lenni?«
Daniel antwortete nicht sofort. Er stand mitten im Zimmer und musterte betreten seine Schuhspitzen.
»Dan, bitte!«, versuchte Fee ruhig zu bleiben. »Was ist passiert?«
»Sie ist uns plötzlich weggeklappt«, erwiderte er endlich heiser ,und sowohl Fees als auch Felix’ Augen wurden rund vor Schreck. »Zuerst haben wir einen Hirninfarkt vermutet«, fuhr Daniel seufzend fort. »Allerdings war das CT unauffällig. Und die Angio auch.«
»Eine TIA?«, wusste Fee sofort, wovon ihr Mann sprach.
»Ja«, stimmte Daniel zu, als Felix allmählich ungeduldig wurde.
»Immer diese Fremdwörter und Abkürzungen! Kann mir bitte mal einer erklären, um was es hier geht?«, fragte er deutlich gereizt.
Fee und ihr Mann tauschten betroffene Blicke. Manchmal vergaßen sie, dass sie es nicht nur mit medizinischem Fachpersonal zu tun hatten. Selbst wenn sich ihre Kinder durch die vielen Gespräche inzwischen ziemlich gut auskannten, verstanden sie beileibe nicht alles.
»Entschuldige, Liebling«, wandte sich Felicitas an ihren Sohn. »Bei einer Angiographie, kurz Angio, handelt es sich um die medizinische Darstellung von Gefäßen im Körper. Und eine TIA ist eine kurzzeitige Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff.«
»Besser hätte ich es auch nicht erklären können«, lobte Daniel seine Frau.
Doch sein Lob ging ins Leere, denn längst waren Fees Gedanken weiter geeilt.
»Was bedeutet das alles für die geplante Operation morgen?«, wandte sie sich mit einer berechtigten Frage an ihren Mann.
»Die TIA ist eine Folge der Herzrhythmusstörung. Die müssen wir unbedingt in den Griff bekommen, bevor wir die Operation wagen können. Deshalb müssen wir sie erst einmal verschieben.« Er warf einen bedauernden Blick in die Runde und machte Anstalten, in die Küche zu gehen, um sich ein Bier zu holen.
»Stimmt das?«, rief Felix ihm alarmiert nach. Noch immer plagten ihn Schuldgefühle. »Dann fahre ich sofort in die Klinik.«
Müde hielt Daniel in der Tür inne und drehte sich noch einmal um.
»Lenni hat ein Mittel bekommen. Sie schläft jetzt«, versuchte er, seinen Sohn zu beruhigen. »Falls irgendwas ist, ruft mich der Kollege Weigand sofort an.«
Doch Felix‘ Entschluss stand fest.
»Ich fahre trotzdem zu ihr. Wenn sie aufwacht, kann ich ihr erzählen, dass die Gardinen wieder frisch gewaschen an ihrem Platz hängen. Das hilft ihr vielleicht.« Diesen Worten ließ der zweitälteste Sohn der Familie Norden umgehend Taten folgen, und gleich darauf fiel die Haustür hinter ihm ins Schloss.
*
»Marianne, bitte, ich kann das alles erklären«, flehte Dr. Mario Cornelius die Frau seines Herzens an.
Nach dem unfreiwilligen Kuss waren mehrere Dinge auf einmal passiert. Ohne die Lernschwester noch weiter zu beachten, war der Kinderarzt aufgesprungen und zu seiner Freundin gelaufen. Carina indes hatte in aller Seelenruhe ihre Sachen zusammengepackt und war durch die Bäckerei marschiert, ein stolzes Lächeln auf den Lippen. Niemals hätte sie nach außen gezeigt, wie verletzt sie wirklich war. Aber es interessierte auch niemanden, und noch nicht einmal Mario bemerkte, dass Carina das Café verließ.
Dafür wollte sich draußen Jan voller Wut auf die Lernschwester stürzen.
»Das ist ja wohl der Hammer!«, rief er erbost, kaum dass sie auf die Straße hinaus getreten war.
Damit hatte Carina gerechnet und dreht sich milde lächelnd zu dem Arztsohn um.
»Lass mich in Ruhe, Junge«, verlangte sie und wedelte mit der Hand hin und her, wie um eine lästige Fliege zu verscheuchen.
»Was hast du da angerichtet?«, ließ Jan sich davon allerdings nicht einschüchtern. »Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich das niemals getan.«
Die Lernschwester war inzwischen ein paar Meter weiter gegangen. Jetzt blieb sie stehen und drehte sich zu dem aufgebrachten jungen Mann um.
»Ich weiß und ich bin dir wirklich dankbar dafür, dass du mir diesen kleinen Gefallen getan hast. Wiedersehen.« Carina winkte, ehe sie sich endgültig umdrehte und um die nächste Ecke verschwand.
In diesem Moment musste Janni einsehen, dass seine Versuche, sich Gehör zu verschaffen, vergeblich waren. Schuldbewusst kehrte er zum Eingang des Cafés zurück, um auf Mario zu warten, der noch immer versuchte, seiner Freundin alles zu erklären.
Doch Marianne wollte nicht mit Mario sprechen. Die Tatsache, dass das Café immer noch brechend voll war, kam ihr dabei zu gute.
»Du siehst doch, dass ich im Augenblick keine Zeit für dich habe«, fauchte sie und tippte demonstrativ eine Rechnung in die Kasse.
Sie wartete, bis der Papierstreifen gedruckt wurde, und wollte sich dann an Mario vorbei drängen.
Der hielt sie am Ärmel fest.
»Wann hast du Zeit für mich?«, verlangte er energisch zu wissen.
Der Blick, der ihn traf, war zum Fürchten, und er leistete keinen Widerstand mehr, als Marianne den Arm wegzog.
»Morgen vielleicht«, erwiderte sie unbestimmt. »Kommt drauf an, wie viel hier los ist.« Sie nickte ihm kühl zu und machte sich dann auf den Weg zu ihren Kunden, die ungeduldig auf ihre Rechnung warteten.
Einen Moment lang blieb der Kinderarzt in der Bäckerei stehen und sah seiner Freundin nach, musste aber schließlich einsehen, dass er das Problem an diesem Abend nicht mehr lösen würde. Schweren Herzens verließ er das Café, nichtahnend, dass er draußen schon sehnsüchtig erwartet wurde.
Wie ein Rumpelstilzchen war Janni auf dem Gehweg auf und ab gelaufen und stürzte sich auf seinen Onkel, kaum dass der einen Fuß aus dem Geschäft gesetzt hatte.
»Diese blöde Schnepfe!« Auf den Wangen des Teenagers bildeten sich hektische rote Flecken. »Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich nie auf dieses Geschäft eingelassen.«
Mario starrte seinen Neffen verständnislos an.
»Janni, da bist du ja! Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt? Hast du unsere Verabredung vergessen? Und was für ein Geschäft meinst du überhaupt?«
Die kalte Luft schlug ihm ins erhitzte Gesicht. Während er auf eine Antwort wartete, schloss er den Reißverschluss seiner Jacke.
All die Fragen hatten Jan Norden zur Besinnung gebracht. Schuldbewusst starrte er zu Boden und scharrte mit der Schuhspitze auf dem Asphalt.
»Es ist alles meine Schuld. Das mit Marianne und Carina und so.«
Mario legte den Kopf schief und dachte kurz nach.
»Hm, das klingt nach einer längeren Erklärung.« Er seufzte tief, steckte die Hände in die Jackentaschen und wanderte los. Sein Neffe folgte ihm, und Seite an Seite schlenderten die beiden den Gehweg hinunter.
»Dann schieß mal los!«, verlangte der Kinderarzt und Janni begann zu erzählen.
Er begann am Anfang und berichtete von dem Zusammenstoß mit Carina vor ein paar Wochen auf dem Klinikflur.
»Es war meine Schuld, ich hab einfach nicht aufgepasst«, gestand er zerknirscht. »Die Instrumente sind auf den Boden gefallen, und sie musste sie alle nochmal sterilisieren. Dafür hat sie von mir einen Gefallen verlangt.« Jan kickte einen kleinen Stein weg, der auf dem Weg gelegen hatte. Mit trostlosem Blick sah er ihm nach, wie er über den Asphalt sprang und schließlich im Rinnstein liegen blieb.
»Lass mich raten«, erwiderte Mario düster. »Du solltest dich mit mir verabreden, damit sie eine Gelegenheit hat, privat mit mir zu sprechen.« Im