Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
wird einfach an mir vorbeigehen, in ihr Auto steigen und wegfahren.«
»Dann musst du eben dafür sorgen, dass das nicht möglich ist.« Die Hand auf der Klinke, zuckte Felicitas ratlos mit den Schultern.
Mario lachte unfroh.
»Und wie stellst du dir das vor? Ich kann ja schlecht mit einem Bus aufkreuzen…« Er hatte kaum ausgesprochen, als sich seine Miene plötzlich erhellte. Danny hatte ihm von dem Linienbus erzählt, der tags zuvor die komplette Straße vor der Bäckerei versperrt hatte. »Warum eigentlich nicht?«, fragte er sich selbst und konnte auf einmal wieder lächeln.
Ehe sich Fee erkundigen konnte, was Mario mit dieser kryptischen Bemerkung meinte, verabschiedete er sich und eilte den Flur hinab. So blieb seiner Schwester nichts anderes übrig als abzuwarten, was passieren würde, und sich im Übrigen auf all die anderen Dinge zu konzentrieren, mit denen ihr buntes Leben aufwartete.
*
An diesem Morgen wartete Felix Norden ungeduldig auf die erstbeste Gelegenheit, um sich aus der Abteilung für Ergotherapie zu stehlen und seine geliebte Lenni zu besuchen. Als seine Chefin Silvie Riemerschmidt ihn damit beauftragte, Patientenakten aus der Orthopädie abzuholen, nutzte er seine Chance für einen Abstecher bei seiner Ersatzomi.
»Lennilein, wie geht‘s dir heute?«, erkundigte er sich, nachdem er einen Kuss links und rechts auf ihre blassen Wangen gehaucht hatte.
Normalerweise beschwerte sie sich immer über das Kitzeln und lachte so lustig dabei, dass die Falten um ihre Augen tanzten. Doch an diesem Tag beachtete sie den zweitältesten Sohn der Familie Norden kaum. Ihr starrer Blick hing an der weißen Wand gegenüber.
»Wie würde es dir denn gehen, wenn du wüsstest, dass du nie mehr richtig laufen geschweige denn arbeiten kannst?«, fragte sie mit Grabesstimme.
»Also, das mit der Arbeit ließe sich verkraften«, witzelte Felix und musste dabei unwillkürlich an seine übellaunige Chefin denken. »Außerdem finde ich, dass du schon genug gearbeitet hast in deinem Leben.« Er hatte nicht viel Zeit. Deshalb verzichtete er auf einen Stuhl und setzte sich kurzerhand zu Lenni auf die Bettkante. »Es gibt auch noch andere Dinge im Leben, die Spaß machen«, versuchte er, sie zu trösten.
Doch davon wollte die Haushälterin nichts wissen.
»Wenn ich nicht mehr arbeiten kann, könnt ihr mich nicht mehr brauchen. Das ist wie mit einem kaputten Staubsauger. Der steht auch nur im Weg rum.«
Unwillig verdrehte Felix die Augen gen Himmel. So eine Aussage war typisch für seine sture Ersatzomi.
»Du willst dich doch wohl nicht mit einem Staubsauger vergleichen?«, tadelte er sie mit gestrenger Miene.
»Nein, mit einem kaputten«, wiederholte sie trotzig. »Die rangiert man auch aus.«
»Tut man nicht«, widersprach Felix energisch. »Man repariert sie. Genauso, wie dein Knie wieder repariert wird. Dann kannst du vielleicht nicht mehr so viel arbeiten. Aber zum Beispiel mit deiner Freundin auf diese Ausstellung gehen«, erinnerte er sie an die schönen Dinge des Lebens.
»Ach, was! Ich kann doch nicht den Rest meiner Tage im Museum verbringen.« Überraschend energisch schüttelte Lenni den Kopf. »Nein, ich hab mir das schon alles überlegt. Bevor ich euch zur Last falle, gehe ich in ein Pflegeheim. Ich hab mir schon ein paar Nummern rausgesucht. Du musst nur mein Telefon hier anmelden.« Sie deutete auf den Apparat auf dem Nachttisch. »Den Rest erledige ich selbst.«
Felix traute seinen Ohren kaum und wollte schon widersprechen, als sein Telefon klingelte. Er zog den Apparat aus dem Kittel und warf einen Blick darauf.
»Oh, ich muss leider los. Meine Chefin, der Drache, meldet mich als vermisst, wenn ich nicht sofort zurückrufe.«
Im Normalfall hätte Lenni einen ironischen Kommentar zum Besten gegeben. So aber sah sie Felix nur dabei zu, wie er sich erneut über sie beugte und sie küsste.
»Ich komm wieder, sobald ich kann«, versprach er schweren Herzens. Am liebsten wäre er gar nicht erst gegangen. Doch es nützte nichts. Die Pflicht rief, und mit Frau Riemerschmidts Unerbittlichkeit hatte er bereits mehrfach seine eigenen, leidvollen Erfahrungen gemacht.
Trotzdem kehrte Felix Norden nicht direkt in seine Abteilung zurück. Lennis Bemerkungen hatten den Arztsohn alarmiert. Auf keinen Fall wollte er schon wieder etwas falsch machen. Deshalb rief er seine Chefin kurz an und versprach, gleich mit den gewünschten Akten zurückzukommen. Sie brauchte nicht zu wissen, dass er zuvor noch eine dringende Angelegenheit erledigen musste.
Nur ein paar Minuten später klopfte Felix an die Tür des Büros, das sein Vater für die Zeit der Vertretung bezogen hatte. Ohne eine Antwort abzuwarten, stürmte er ins Zimmer. Er hatte Glück. Daniel hatte eben ein Telefonat beendet. Er hielt den Hörer noch in der Hand und blickte überrascht auf.
»Was ist passiert, mein Sohn?« Felix‘ Miene sprach Bände, und sofort erschrak Dr. Norden.
»Lenni will, dass ich ihr Telefon anmelde. Sie will sich einen Platz im Pflegeheim suchen.«
»Wie bitte?« Überrascht schnappte Daniel nach Luft. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. »Wie kommt sie denn auf diese Idee?«
»Sie fühlt sich unnütz, wenn sie nicht mehr für uns arbeiten kann.«
»Entschuldige, das ist wirklich Blödsinn«, entfuhr es Daniel, und Felix nickte energisch.
»Ich weiß und ich hab auch alles versucht, um ihr das auszureden. Aber offenbar ist sie gerade dabei, sich völlig aufzuge…«
Weiter kam er nicht. In diesem Augenblick war lautes Fußgetrappel auf dem Flur zu hören, das schnell näher kam. Gleich darauf wurde die Tür zu Daniels Büro aufgerissen. Völlig aufgelöst, mit wirrem Haar und nach Luft ringend tauchte Fee im Zimmer auf.
»Lenni hatte einen Herzstillstand. Kommt schnell!«
*
Wie jeden Mittag war Marianne Hasselt nach Hause gefahren, um für ihren Sohn Tobias zu kochen und gemeinsam mit ihm zu Mittag zu essen. Danach hatten sie noch eine Weile zusammen gesessen und sich über dies und das unterhalten. Die Konditorin bemühte sich, sich nichts von ihrem Ärger mit Mario anmerken zu lassen, und lachte und scherzte mit ihrem Sohn, bis es schließlich Zeit wurde, ins Café zurückzukehren.
»Heute Abend kann es wieder später werden«, erklärte Marianne, als sie vor dem Spiegel stand und sich mit einer Bürste durch die kräftigen, lockigen Haare fuhr. »Ich hoffe nur, dass es nicht wieder so zugeht wie gestern. Das hält auf Dauer kein Mensch aus.« Ohne nachzudenken griff sie nach einem bunten Schal – ein Geschenk von Mario – und schlang ihn um den Hals. Sie lächelte ihrem Spiegelbild kurz zu, als sie sich wieder daran erinnerte, was zwischen ihnen passiert war. Das Lächeln erlosch, und schnell tauschte sie den Schal gegen einen anderen, mit dem sie keine Erinnerungen verband.
»Warum holt ihr euch denn keine Hilfe?«, stellte ihr Sohn eine berechtigte Frage.
»Weil das nicht so einfach ist. Kein Mensch will mehr zu diesen Uhrzeiten und für so wenig Geld arbeiten.«
»Also, ich finde deine Arbeitszeiten cool.« Tobias lehnte am Fensterbrett im Wohnzimmer und sah seiner Mutter im Flur dabei zu, wie sie in die Jacke schlüpfte.
»Ich arbeite ja auch nicht nachts wie ein Bäcker, sondern habe halbwegs zivile Arbeitszeiten. Was man von Tatjana nicht gerade behaupten kann.« Wenn Marianne an ihre Chefin dachte, zog sich ihr Herz vor Mitgefühl zusammen. »Im Augenblick fängt sie frühmorgens an und schläft oft mittags ein paar Stunden, um wenigstens halbwegs über die Runden zu kommen und nicht vor Erschöpfung zusammenzubrechen.«
Ein lautes Hupen schallte von unten herauf. Neugierig drehte sich Tobias um und blickte hinunter auf die schmale Straße vor dem Haus.
»O Mann, da unten steht ein Bus!«, rief er aufgeregt. »Was macht der denn hier? Die Haltestelle ist doch vorn an der Hauptstraße!«
»Vielleicht hat er