G.F. Barner Staffel 1 – Western. G.F. BarnerЧитать онлайн книгу.
hier weiß es auch. Wirf ihn auf den Wagen, los!«
Clancy gehorchte. Kaum war der Brocken polternd auf dem Wagen gelandet, als Kinsey ihm das Gewehr mit voller Wucht in den Bauch stieß. Clancy knickte ein, sein Mund öffnete sich, und er brach auf der Stelle zusammen. Einen Augenblick bekam er keine Luft mehr.
»Das nächste Mal blase ich dich um!« schwor Kinsey und zeigte sein Affengebiß. »Euch zeige ich noch, wer hier was zu sagen hat! Los, zieht dem alten Heuler da den Stiefel aus. Und du stehst auf, Clancy, hoch mit dir, sonst mache ich dir Beine! Das war ein Arbeitsunfall, kapiert? Er hat den Brocken auf seinen Fuß fallen lassen. Und wehe euch, einer redet jemals etwas anderes über die Sache. Hast du verstanden, Floyd, du Unschuldslamm?«
»Yeah, Mr. Kinsey«, würgte Floyd. Er war kreidebleich geworden und sah Kinsey nicht an. In dieser Minute hätte sich Floyd vergessen können. Er hatte noch nie jemanden getötet, aber er wußte jetzt, daß er einen Mann wie Kinsey kaltblütig mit dem nächsten Stein hätte erschlagen können.
Der Schurke, dachte Floyd, und der Stahlkeil fiel ihm ein. Zwei Mann müssen den Wagen immer bis zur Verladestelle am Snake River begleiten, um ihn dort abzuladen. Wenn Kinsey zufällig in acht oder zehn Tagen mit uns diese Fahrt macht, dann...
Es waren immer zwei Sträflinge, die mit zwei Wächtern hinfahren mußten.
Es waren immer verschiedene Wächter.
Darauf baute Clancy. Das gehörte zu seinem Plan. Niemals hatten die Wächter auf jenem Wagen die Schellenschlüssel. So war es ausgeschlossen, daß ein Sträfling weit kam. Niemand konnte mit einer Kette am Bein weit laufen. Er brauchte etwas, um die Kette abzuhacken, einen Stahlkeil. Und den hatten sie jetzt. Den Preis dafür aber hatte der alte Perry bezahlen müssen.
Man zog ihm jetzt den Stiefel herunter. Sein Fuß war schon geschwollen und blau unterlaufen. Vielleicht waren auch einige Zehen gebrochen.
Der Hundesohn, dachte Clancy, während er sich aufraffte und Floyd ihm unter die Arme griff, wenn doch O’Mallon hier gewesen wäre! Der hätte Kinseys Teufelei niemals zugelassen.
Henry O’Mallon war der oberste Aufseher des Jails. Er verwaltete die Außenstation und duldete keine Übergriffe der Wächter, solange er im Dienst war. Aber O’Mallon war nicht da – er hatte Urlaub. Dieser Mann war gerecht, aber unerbittlich, klug, listig und ein menschlicher Fährtenhund. Jeder Sträfling wußte – war O’Mallon einmal auf einer Fährte, gab er niemals auf. Dieser Mann hatte noch zwei Wochen Urlaub.
Sie mußten ausbrechen, ehe O’Mallon wiederkam.
*
Clancy wurde unwillkürlich blaß. Der Rippenstoß Floyds hatte ihn getroffen, und als er Floyds verzerrtes Gesicht und dessen Kopfbewegung sah, blickte er sich um.
Der Küchenwagen, den wie immer Beecham fuhr, rollte vor die Hütte. Neben Beecham saß jedoch noch ein Mann, der einen Ölumhang trug.
Es war Henry O’Mallon, der irische Oberaufseher.
Im Nieselregen, der seit gestern vom Himmel herabfiel, verschwamm der Eingang des Tales. Sämtliche Sträflinge waren bis auf die Haut naß, aber die Arbeit mußte weitergehen.
»Allmächtiger!« stieß Clancy leise hervor. »Floyd, O’Mallon! Wir sind dran, Junge, heute sind wir dran – und er kommt eine ganze Woche zu früh zurück. Dabei haben wir Regenwetter. Kein günstigerer Tag hätte es sein können.«
»Aus... Alles aus«, würgte Floyd entsetzt. »Clancy...«
»Reiß dich zusammen!«
Das war alles, was Clancy noch flüstern konnte.
Dann ertönte der schrille Mittagspfiff, und sie kletterten von den leicht glitschigen Bohlen des Gestells herunter. Die Ketten rasselten und klirrten, als sie an den Wagen traten, unter dessen Plane der Essenkessel stand. O’Mallon, er war nicht groß, aber breit und stämmig, blieb an der Hütte stehen.
Clancy hatte sich wieder gefangen. Sein Blick zuckte zu Kinsey hinüber. Der Aufseher kam langsam und mit einem Grinsen auf dem Affengesicht zur Hütte.
»Hallo, O’Mallon, schon wieder zurück?« erkundigte er sich. »Zuviel Regen auf Ihren Feldern?«
»Vielleicht«, erwiderte O’Mallon düster. Er hatte eine tiefe, rauhe Stimme und blickte zu den anderen drei Posten, die nun auch herankamen.
»Gates, was war hier vorige Woche los, he?«
Es hieß, daß O’Mallon Kinsey nicht leiden konnte. Deshalb sprach er jetzt Gates an, der noch der ruhigste aller Wächter war.
»Ich weiß nicht, Mr. O’Mallon«, antwortete Gates achselzuckend. »Was soll denn los gewesen sein, Sir?«
Der Oberaufseher schob plötzlich seinen schweren, massigen Kopf vor und starrte Gates durchbohrend an.
»Gates, ich habe was gefragt und erwarte eine anständige Antwort!« knurrte O’Mallon scharf. »Was war mit dem alten Perry?«
»Nichts. Ein Unglücksfall, Sir«, stotterte Gates erschrocken. »Er hatte Pech, Sir.«
»So, Pech?« zischte O’Mallon leise. »Es ist doch verdammt seltsam, wie schnell Gerüchte von hier zum Statejail und von dort wiederum zu mir dringen. Gerüchte, die unseren Boß veranlaßt haben, mich herzuschicken. Nun gut, ich mache die letzte Woche Urlaub später. Gates, wie war das mit dem verschwundenen Keil?«
»Es ist keiner verschwunden gewesen. Es war ein Irrtum«, meldete sich Gould hastig. »Ich hatte mich verzählt, Sir.«
»Und wer hat die Männer diese idiotischen Auf- und Abladerei tun lassen?« flüsterte O’Mallon drohend.
Er fuhr jäh herum und sah nun Kinsey an, dessen Gesicht erstarrt war.
»Mr. O’Mallon, ich... Es war ein Unfall, bestimmt. Strafe mußte sein, aber konnte einer ahnen, daß der Alte den Brocken fallen lassen würde?«
»Fallen lassen?« knirschte O’Mallon. »Es war also ein Unfall? Es waren ja auch nur zwei Zehen, die es dem alten Perry kostete, was? Kinsey, passen Sie auf, Mann, wenn so was noch mal passiert, dann ist einige Unruhe irgendwo, und danach fliegt jemand, verstanden? Es war also ein Unfall?«
»Sicher, Sir«, erwiderte Kinsey hastig. »Nur ein Unfall.«
O’Mallon schien das breite Grinsen Kinseys so zu reizen, daß er plötzlich losfluchte und sich umdrehte. Mit wenigen Schritten war er bei den auf den nassen Steinen kauernden Sträflingen und trat vor den ersten Mann.
»Hingman, was ist passiert?«
»Es – war ein Unfall«, antwortete Hingman gepreßt.
»Carpenter!«
»Sir, es war so!«
»War es so?« knirschte O’Mallon. Er rannte plötzlich die ganze Reihe entlang und schrie jedem zweiten Mann ins Gesicht: »Es war ein Unfall, was? Ich werde euch sagen, was es war. Der Alte hätte das Bein verlieren können! Was es dann gewesen wäre, brauche ich euch Halunken wohl nicht zu sagen, was? Ah, dir auch nicht... Clancy, ich rede mit dir!«
Clancy senkte den Löffel und sah hoch. Dann stand er langsam auf.
»Clancy, war es ein Unfall?«
Clancy wendete langsam den Kopf. Er sah zu Kinsey hinüber, der ihn drohend anstarrte.
»Sehen Sie mal, Mr. O’Mallon«, sagte Clancy dann träge. »Nun sehen Sie mal, wie mich Kinsey ansieht.«
O’Mallons Kopf flog herum. Er kniff die Lider zusammen und sah genau, daß Kinsey sich vergeblich bemühte, wieder schnell zu grinsen.
»Kinsey, was sehen Sie Clancy so an?« schrie O’Mallon grimmig. »He, Sie – was bedeutet dieser Blick?«
»Nicht viel, er will mir nur Angst machen«, murmelte Clancy eiskalt. »Er denkt, ich rede vielleicht Dinge, die nicht wahr sind – sie sind doch nicht wahr, wie, Kinsey?«
Kein