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Mami Staffel 8 – Familienroman. Lisa SimonЧитать онлайн книгу.

Mami Staffel 8 – Familienroman - Lisa Simon


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nicht mehr ganz dicht im Oberstübchen, weil ich nur mit meinen Katzen zusammen bin.«

      »Ich verstehe, aber bitte werfen Sie doch trotzdem einen Blick auf das Foto. Vielleicht haben Sie den Jungen gesehen und können uns sagen, wohin er gegangen ist.«

      Julia hielt der alten Frau Kevins Foto direkt unter die Nase. Diese sah flüchtig hin, dann nahm sie Julia das Bild aus der Hand. »Sind Sie die Eltern?«

      »Ja, das heißt nein, aber…«

      »Und warum interessieren Sie sich so sehr für den Jungen?« fragte sie mißtrauisch.

      Roland und Julia sahen sich an, die Frau schien wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank zu haben.

      »Er ist vor fast zwei Wochen aus dem Waisenhaus ausgebüxt«, meldete sich jetzt Roland. »Haben Sie darüber nicht in der Zeitung gelesen? Die ganze Stadt ist auf der Suche nach ihm.«

      Jetzt wurde der Blick der alten Frau aufmerksamer. »Tatsächlich? Wissen Sie, ich lese keine Zeitungen, steht doch sowieso nur dummes Zeug drin.« Noch einmal sah sie auf Kevins Foto, dann nickte sie nachdenklich.

      Roland und Julia sahen sich wieder an, aber dieses Mal aufgeregt. Wie es schien, wußte Frau Schröder etwas über Kevin.

      »Frau Schröder«, begann Roland langsam, »haben Sie den Jungen gesehen, oder wissen Sie, wo er steckt?«

      »Er heißt Kevin, nicht wahr?« fragte die alte Frau und lächelte plötzlich. Entweder wußte sie etwas über ihn, oder sie hatte zufällig seinen Namen gehört und sich jetzt schnell eine Geschichte zurechtgesponnen.

      Während Julia und Roland ungeduldig auf eine Antwort warteten, setzte Waltraud Schröder die kleine Katze auf den Fußboden. »Sieh mal, da kommen deine neuen Freunde. Das da ist Napoleon, weißt du. Er ist ein alter Haudegen, aber er tut einem Babykätzchen ganz bestimmt nichts. Und das ist Cleopatra, die ist ganz lieb.«

      »Bitte, Frau Schröder«, flehte Julia, den Tränen nahe. »Sagen Sie uns, wenn Sie etwas über Kevin wissen.«

      Auch Roland trat unruhig von einem Bein auf das andere. Frau Schröder hob überrascht den Kopf, als hätte sie ihre Besucher völlig vergessen. Sie richtete sich mühselig auf und sagte nur: »Na, dann kommen Sie mal rein.«

      Zögernd betraten die beiden das Haus. Sie wollten sich nicht lange bei Frau Schröder aufhalten, es war schon fast halb acht. Sie hatten noch eine Menge vor. Zu spät konnte man schließlich auch nicht bei den Leuten klingeln.

      Waltraud Schröder winkte ihnen vom Ende des dunklen Flures zu, wo sie vor einer Tür stehenblieb und den Zeigefinger auf den Mund legte. Weder Roland noch Julia wußten, was die alte Frau ihnen zeigen wollte, als diese leise die Tür einen Spalt öffnete.

      »Gehen Sie ruhig hinein«, flüsterte sie, »aber wecken Sie ihn bitte nicht auf. Er hat den ganzen Tag im Garten gespielt und ist todmüde ins Bett gefallen.«

      Langsam trat Julia zu dem Bett in der Ecke; ihr Herz klopfte so laut, daß sie meinte, jeder müsse es hören können. Zuerst sah sie nur einen wirren Haarschopf neben einer rabenschwarzen Katze. Schritt für Schritt trat sie näher. Roland folgte ihr auf den Fuß.

      Julia beugte sich vorsichtig über das Bett und zog die Bettdecke etwas zurück. Um nicht aufzuschreien, hielt sie sich die Hand vor den Mund.

      »Was ist?« fragte Roland leise im Hintergrund. »Ist es Kevin?«

      Julia konnte nur nicken, und schwankend hielt sie sich am Bettpfosten fest. Jetzt trat auch Roland näher. Er konnte nicht glauben, daß dies hier sein Sohn war.

      »Bist du sicher?« fragte er leise mit bebender Stimme.

      »Ich kenne doch Kevin. Das ist er hundertprozentig.«

      Roland kniete sich vor das Bett und strich dem schlafenden Kind über den Haarschopf. Circe machte einen langen Hals. Wer mochten diese Leute sein, die sich so komisch verhielten? Sie wollten ihr doch wohl nicht ihren kleinen Menschenfreund wegnehmen? Da würde vielleicht ein kleines Fauchen helfen, damit die Leute wieder gingen?

      »Circe, hör auf damit!« zischelte Frau Schröder, die inzwischen auch dazugetreten war. »Kevin hat sich mit ihr angefreundet, die beiden sind unzertrennlich geworden.«

      Julia nickte und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Dann zog sie leicht an Rolands Jacke. »Komm, laß ihn schlafen. Du kannst doch dein ganzes Leben mit ihm verbringen.«

      Nur widerwillig erhob sich Roland, Julia mußte ihn direkt aus dem Zimmer schieben, Frau Schröder schloß die Tür, dann fragte sie: »Sie möchten doch sicherlich wissen, wie ich zu dem kleinen Ausreißer gekommen bin. Ich koche schnell eine Kanne Tee, dann erzähle ich Ihnen alles.«

      »Das ist wirklich ganz reizend, Frau Schröder. Aber zuerst müssen wir die Polizei und die Heimleiterin verständigen, daß Kevin wieder da ist. Dürfen wir Ihr Telefon benutzen?«

      Waltraud Schröder schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, ich besaß mal ein Telefon, habe es jedoch abgemeldet. Ich kenne sowieso niemanden.«

      »Aber ich habe mein Handy dabei«, warf Roland, der sich inzwischen etwas gefaßt hatte, ein.

      Als alle wichtigen Anrufe erledigt waren, setzten sie sich in Frau Schröders gemütliches kleines Wohnzimmer und hörten gebannt zu, was sie ihnen über den Jungen erzählte.

      »Ich kann es gar nicht erwarten, meinen Sohn richtig kennenzulernen«, sagte Roland und schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf. »Als ich ihn vorhin da so liegen sah, dachte ich, daß sei alles ein schöner Traum.«

      »Ich werde mir wohl doch wieder die Tageszeitung abonnieren«, sagte Waldtraud Schröder nachdenklich, während sie Napoleon streichelte, der sich auf ihrem Schoß breitgemacht hatte. »Jetzt merke ich erst, wie abgeschieden ich gelebt habe – glauben Sie, daß ich jetzt Ärger mit der Polizei bekomme?«

      »Dafür werde ich schon sorgen, daß dies nicht passiert«, sagte Roland schnell. »Sie brauchen keine Angst zu haben.«

      »Eigentlich hätten Sie sogar einen Orden verdient«, fügte Julia sanft hinzu. »Wenn Sie Kevin nicht bei sich aufgenommen hätten – wer weiß, in wessen Arme er gelaufen wäre.« Sie schüttelte sich bei dem Gedanken.

      »Na ja, ich konnte das Jungchen nicht einfach da draußen stehenlassen, so müde und durchgefroren, wie es war. Ich habe mich richtig an ihn gewöhnt, und meine Katzen lieben ihn. Was wird jetzt mit ihm passieren? Muß er etwa wieder ins Waisenhaus zurück?«

      »Zunächst einmal«, erklärte Julia vorsichtig. Sie wußte ja auch nicht richtig, was Roland und Marion sich vorgenommen hatten – und sie hatte Angst, ihn darauf anzusprechen. »Am besten, Sie lassen ihn erst einmal richtig ausschlafen. Sagen Sie ihm morgen früh ruhig, daß ich hier war, aber erwähnen Sie seinen Vater bitte noch nicht. Das werde ich dann tun, wenn ich ihn abhole. Ich glaube, das muß man ihm ganz vorsichtig beibringen, schließlich war er der Meinung, daß er keinen Vater hat.«

      Auch Roland fand diesen Vorschlag am vernünftigsten und nickte zustimmend. »Kann ich denn morgen nachmittag Kevin aus dem MARIENKÄFER abholen, um mich allein mit ihmzu unterhalten? Ich möchte das nicht gerne im Heim tun, wo er so ungern dort ist.«

      »Ich werde ihn zu dir nach Hause bringen«, sagte Julia, »das ist kein Problem. Ein großes Problem wird allerdings sein, die vielen Reporter, die morgen sicherlich wieder auftauchen werden, von dem Jungen fernzuhalten.«

      Noch immer vermied es Julia krampfhaft, Roland zu fragen, ob Marion Seifert bei dem Treffen zwischen ihm und seinem Sohn dabei sein würde. Sie hatte erleichtert festgestellt, daß Roland zwar Frau Clasen und Kommissar Geißler angerufen hatte – aber er hatte sich nicht die Mühe gemacht, Marion zu verständigen. Anscheinend hatte sie wohl doch nicht so ein großes Interesse an ihrem Kind.

      »Und Sie wollen den Jungen dann zu sich nehmen?« fragte Frau Schröder anteilnehmend.

      »Auf jeden Fall. Ich werde mir noch eine Verkaufskraft für den Laden einstellen, dann habe ich mehr Zeit für meinen Jungen.«


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