Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
ich kenne dich, Carin. Du bist wie eine Glucke und hättest mich total unter deine Fittiche genommen. Aber ich will nicht das fünfte Rad am Wagen sein und bei dir und deiner Familie rumhängen. Ich muss auf eigenen Beinen stehen. Je eher ich mich der Wirklichkeit stelle, desto besser für mich. Vielleicht wird es besser, wenn erst einmal juristisch alles geregelt ist. Doch Rupold und ich wollen uns damit Zeit lassen. Das hat steuerliche Gründe. Als Single wird man hier vom Staat nur abgezockt. Also haben wir uns geeinigt, dass jeder seinen Weg geht. Das Einzige was uns noch verbindet, ist die gemeinsame Steuererklärung. Wie geht es ihm?«
»Das kann ich dir nicht sagen, Johanna!«
»Ist auch besser so! War nur eine rhetorische Frage. Wie dumm von mir.«
»Du liebst ihn vielleicht immer noch?«
»Lieben – nein! Ich habe schon lange aufgehört, ihn zu lieben. Damals war ich Mitte zwanzig, gerade mit meinem Sportstudium fertig. Damals hätte ich gehen sollen, da hätte ich bessere Chancen gehabt als heute in meinen Alter!«
»Du, das kann ich mir nicht vorstellen. Es gibt doch auch viele Männer, die sich erst einmal in die Karriere gestürzt haben und erst später zur familiären Planung übergehen. Hast du schon mal im Internet nachgesehen? Ich meine, da gibt es eine Menge Partneragenturen. Sicher sind einige unsolide, aber es gibt auch gute Firmen darunter. Eine Kollegin hatte darüber jemanden kennengelernt, sie sind jetzt zusammengezogen. Sie sind so verliebt.«
Carin, die als Lehrerin für Sport und Musik an einer Schule unterrichtete, erzählte von einer Kollegin.
»Als Lehrerin für Latein und Griechisch war sie immer etwas vergeistigt, wie wir sagten, unter Kollegen. Sie wirkte ein wenig wie ein richtiger Blaustrumpf. Aber das war einmal. Du müsstest sie mal jetzt sehen! Die Liebe hat sie völlig umgekrempelt. Sie hat da so einen Test gemacht bei einer Agentur im Netz. Sie bekam dann verschiedene Profile von Männern, mit deren Interessen es die meisten Übereinstimmungen gab. Sie wechselten Mails. Sie telefonierten, mit einigen traf sie sich. Dabei hat es dann gefunkt.«
»Klingt wie eine Bestellung per Katalog! Welche Größe, welche Farbe, welche Qualität? Bitte liefern Sie! Rückgabe innerhalb von zwei Wochen, bei Nichtgefallen!«
»Ja und? Was ist dabei? Früher gab es auch Heiratsvermittler. Vielleicht gibt es irgendwo jemanden, der genau zu dir passen würde, aber auf Grund eurer persönlichen Lebensumstände begegnet ihr euch so niemals. Das wäre doch schade. He, Johanna! Sei kein Frosch! Probiere es doch einfach aus! Du musst zuerst nicht einmal deinen echten Namen angeben bei den Männern. Alle schreiben sich über die Agentur unter Decknamen. Du kannst entscheiden, wann und bei wem du dann in die Vollen gehst, verstehst du? Kapierst du? Du gehst kein Risiko ein. Ihr lernt euch unter einem Pseudonym kennen.«
Johanna trank einen Schluck Rotwein. Sie schwieg. Carin ließ aber nicht locker.
»Selbst wenn du keinen findest, was ist schon dabei? Du hast einen Zeitvertreib. Schreib einigen dieser Typen und deine Abende sind nicht mehr so einsam, Hanna!«
Carin schaute Johanna in die Augen. Dass sie die Freundin bei ihrem Kosenamen aus der Kindheit genannt hatte, verfehlte nicht die Wirkung. Johanna lächelte zaghaft.
»Vielleicht hast du recht, Carin! Ich kann mir die Sache ja mal durch den Kopf gehen lassen!«
»Gut!«, sagte Carin.
Sie wühlte in ihrer Handtasche.
»Hier ist der Prospekt!«
»Du bist ja eine ganz Raffinierte!«, lachte Johanna.
»Ja, das bin ich! Außerdem kennst du mich! Ich bin immer auf alles vorbereitet. Meine Kollegin ist so glücklich! Ich war mit meinem Mann gestern Abend bei ihr eingeladen. Sie gab eine große Party nach ihrem Einzug bei ihm. Das Glück stand in ihren Augen. Die beiden passen wirklich zueinander.«
Carin schaute auf die Uhr.
»So, jetzt gehe ich! Die Sachen lasse ich dir hier! Dann hast du morgen noch etwas zu futtern.«
»Danke, Carin! Danke für deinen lieben Besuch. Vielleicht ist das eine gar keine so schlechte Idee. Auch wenn ich es nur als Spiel ansehe. Es wird mir die Zeit vertreiben.«
Die beiden Frauen gingen zur Tür.
»Ich mache das Studio für einige Tage zu und fahre in Urlaub. Es sind Sommerferien. Viele meiner Stammkunden sind in Urlaub und es ist ruhiger. Da kann ich schon mal einige Tage zuschließen. Vielleicht komme ich auf andere Gedanken.«
»Gute Idee, Hanna!«
Die Freundinnen umarmten sich. Johanna schloss hinter Carin die Tür zu. Sie löschte im großen Trainingsraum das Licht, ging nach hinten und räumte den Tisch ab. Dabei fiel ihr der Prospekt der Internetpartneragentur in die Hände. Johanna legte ihn achtlos beiseite. Sie duschte und ging ins Bett. Sie schlief auch einige Stunden. Doch dann war sie wieder hellwach. Mehr zum Zeitvertreib ging sie an den Computer in ihrem Büro. Sie gab die Internetadresse ein und sah sich die Homepage an.
Langsam stieg ein Kribbeln in ihr auf. Wenn eine langweilige Lateinlehrerin darüber die Liebe ihres Lebens gefunden hat, dann müsste ich auch Chancen haben, dachte Johanna.
Kurzentschlossen meldete sie sich an. Sofort kam die Bestätigung. Die Extraseiten für Mitglieder wurden geöffnet. Johanna machte den Flirttest. Es waren viele Fragen. Sie betrafen sie selbst, ihr Aussehen, ihre Hobbys, ihre Vorlieben und Abneigungen. Dann musste sie ein Profil eines möglichen Idealpartners erstellen. Das war nicht einfach.
»Wie soll der ideale Mann sein?«, flüsterte sie vor sich hin.
Johanna holte sich noch ein Glas Rotwein und machte die Angaben. Dabei hielt sie sich an den Rat.
Da stand oben auf der Bildschirmseite:
Denke nicht so viel nach! Lass dein Herz sprechen!
Draußen war schon die Sonne aufgegangen, als Johanna endlich den Computer ausschaltete. Sie legte sich schlafen. Ihr Fitnessstudio hatte meist nur am Nachmittag und abends geöffnet. Am nächsten Morgen standen keine Fitnesskurse für Haufrauen an. So genoss es Johanna, ausschlafen zu können. Bevor sie endgültig in den Schlaf sank, träumte sie davon, wie es jetzt weitergehen könnte.
*
Um die Mittagszeit läutete Johannas Telefon. Der Anrufbeantworter schaltete sich ein. Johanna hörte, wie Carin ihr auf das Band sprach:
»Hallo, Hanna! Hier spricht Carin! Wie geht es dir? Ich hoffe, ich habe dich nicht all zu sehr überfahren mit meinen Vorschlag, dich an die Internetpartneragentur zu wenden. Aber du kennst mich ja, ich bin eben jemand, der nicht zusehen kann, wenn jemand so unglücklich ist. Rufe bald mal zurück!«
Johanna setzte sich auf die Bettkante. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen. Sie musste schmunzeln.
Barfuß ging Johanna zum Telefon. Sie drückte Carins Nummer, die eingespeichert war. Es läutete mehrmals, dann nahm die Freundin ab.
»Hallo, Carin! Hier Johanna!«
»Wie geht es dir? Ich hoffe …«
»Du hast mich geweckt. Aber das ist nicht schlimm. Ich hätte ohnehin bald aufstehen müssen. Und wegen der Partneragentur, da mache dir keine Gedanken. Du hast es doch nur gut gemeint.«
»Heißt das, dass du es probierst?«, fragte Carin in den Hörer.
Johanna schwieg. Sie rieb sich die Stirn.
»He, Hanna? Bist du noch dran?«, fragte Carin.
»Ja, ich bin noch dran!«
»Gut, also du solltest es wirklich ausprobieren.«
»Du solltest selbst so etwas aufziehen, so eifrig bist du dabei. Wärst vielleicht eine gute Kupplerin geworden in früheren Zeiten.«
»Du hast dich schon angemeldet?«
»Ja, damit du endlich Ruhe gibst! Ich habe mich angemeldet und diesen Test gemacht und die Fragen nach meinem ›Idealmann‹ beantwortet.«