Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
auf dich, auf die Männer überhaupt, nicht als geringer erachten, aber der Druck auf die Frauen ist riesig. Wir sollen schönen, dem Ideal der schlanken, Frau aus den Hochglanzmagazinen entsprechen. Wir sollen emanzipiert sein und berufstätig. Dabei sollen wir sehr erfolgreich sein. Aber gleichzeitig – und das ist in meinen Augen irgendwie pervers, das muss ich schon so hart sagen – sollen wir die perfekte Hausfrau sein. Die Fenster müssen glänzen, die Böden spiegeln, die Wäsche muss immer sofort gebügelt werden und akkurat in den Schränken sitzen. Wir hetzen zwischen Beruf und Haushalt hin und her. Und eines sage ich dir, Hausarbeit ist eine oft eine sehr frustrierende Tätigkeit.
Beispiel: Man kocht stundenlang, deckt einen sehr schönen Tisch und binnen kurzer Zeit ist alles gegessen und der Tisch sieht aus wie ein Schlachtfeld. Von der Arbeit einer Hausfrau bleiben keine dauernde Resultate übrig, jedenfalls nicht von den meisten Arbeiten.«
»Ich verstehe, was du meinst, Hanna. Früher hätte ich es wahrscheinlich nicht verstanden. Hausarbeit ist einfach ein notwendiges Übel. Deshalb werden wir – pardon – könnten wir es uns in Zukunft ehrlich teilen. Geteilter Frust ist halber Frust!«
»Klingt gut, so auf den ersten Blick!«
»Hast du auch Ideen, Hanna? Ich meine, wie könnten wir es machen, wenn wir es schaffen, es noch einmal zu versuchen? Was ich sehr hoffe!«
Johanna dachte nach. Sie schwieg einen Augenblick.
»Ich habe mir bisher darüber keine Gedanken gemacht, wie ich es mit dir anders machen wollte, denn ich konnte mir nicht vorstellen …« Johanna brach den Satz ab. »Ich habe mir nur vorgestellt, welches Leben ich mit einem anderen Mann führen wollte.«
»Erzähle!«
»Schwer zu sagen! So genau wie du, habe ich das nie durchdacht. Ich kann dir nur von meinen Sehnsüchten erzählen. Ich wollte Zeit, Stunden oder auch Tage, vielleicht einen Tag in der Woche, an dem die Pflichten hinten anstehen und nur der Partner im Vordergrund ist. An so einem Tag werden keine Störungen geduldet. Die Welt wird einfach ausgesperrt, verstehst du. An diesem Tag, in diesen Stunden sollte alles so sein, wie es ist, wenn man frisch verliebt ist. Alles sollte leicht und sorglos sein, voller Zuversicht und Hoffnung auf ein wunderschönes gemeinsames Leben, ohne Schattenseiten. Ich wollte nie mehr zulassen, dass meine Liebe unter dem Alltag erdrückt wird. Besser kann ich es nicht sagen. Verstehst du mich?«
»O ja! O ja, meine Hanna! Ich verstehe dich!«
»Ich will dir etwas gestehen, Ruppi! So glücklich bin ich in meinem Fitnessstudio nicht, wie du es vielleicht denkst. Sicher, ich verdiene gutes Geld und bin unabhängig. Aber es ist so wie bei den Kunden, die auf dem Laufband ihre Kilometer laufen. Wirklich glücklich machte es mich nicht.«
»Das überrascht mich jetzt doch! Kannst du mir das näher erklären? Du hast immer so glücklich ausgesehen, wenn du von der Arbeit heimgekommen bist.«
»Ja, sicher! Ich habe selbst viel trainiert. Mein Körper hat nach täglich zwanzig Kilometer auf dem Laufband Glückshormone ausgeschüttet. Das ist doch ganz normal, ein biologischer Vorgang. Aber so schnell, wie du dich superglücklich fühlst, so schnell bist du auch wieder im Tal. Im Grunde war ich auf der Suche nach dem Glück, das dauerhaft anhält, das innere Glück, das einfach das Herz ausfüllt. Damals, als wir noch halbe Kinder waren und uns gefunden hatten, dachte ich, das ist es – du bist es – du bist der Mann, der mir dauerhaft das Gefühl geben kann. Und irgendwann stellte ich fest, dass mein Herz leer war. Natürlich gab ich dir daran die Schuld. Das war um so vieles einfacher und bequemer.«
Rupold legte seinen Arm fest um Johannas Schultern.
»Die Liebe, oder wie immer du diese Kraft auch nennen möchtest, hat es gut mit uns gemeint. Wir haben uns gefunden, als wir jung waren und unverdorben vom Leben und von jedem gesellschaftlichen Zweckdenken und jedem Leistungsdruck. Wir, du und ich, wir hatten die Chance, eine Weile den Geschmack des Paradieses zu erleben.«
»Bis wir freiwillig von der verbotenen Frucht naschten, Ruppi?«
»Nein, wir haben nicht von der verbotenen Frucht genascht. Wir wurden damit zwangsgefüttert und haben uns zu wenig gewehrt. Verstehst du, was ich damit sagen will?«
Johanna schaute Rupold in die Augen.
»Ja, ich verstehe, was du damit sagen willst. Wir haben unser Leben, unsere Liebe zu wenig von den Einflüssen von außen abgeschirmt. Wir wollten es allen recht machen und haben uns dabei verloren.«
»Aber wir haben uns nur für kurze Zeit aus den Augen verloren und jetzt haben wir uns wieder gefunden. Ja?«
Rupold sah Johanna tief in die Augen.
»Ja, wir haben uns wieder gefunden. Weißt du, es war so! Wir waren verabredet für ein langes, gemeinsames, schönes Leben. Das war unser Ziel und wir kamen auch die ersten Jahre gut voran. Dann haben wir uns im Jahrmarktsgedränge aus den Augen verloren.«
»Das ist ein schönes Bild, Ruppi!«
Sie schaute ihm tief in die Augen und flüsterte leise und voller Zärtlichkeit:
»Dann sind wir am Ende doch auf einer Hochzeitsreise?«
Seine Antwort war eindeutig. Rupold zog Johanna fest an sich und sie küssten sich. Die Küsse waren voller Tiefe und Leidenschaft. Es war ihnen beiden, als wollten sie alle Küsse nachholen, die sie versäumt hatten.
Später trug Rupold die Polster aus dem Campingbus und legte sie ins Ufergras. Darauf kuschelten sich die beiden und schauten hinauf in den nächtlichen Sternenhimmel. Und es war ihnen, als lächelte ihnen der Mond zu.
*
Nach dieser wunderschönen Nacht, in der sie sich wieder so nahe gekommen waren, schlief Johanna lange.
Das gab Rupold Gelegenheit, sie zu überraschen. Als er alles fertig hatte, weckte er sie mit einer Tasse Kaffee.
»Guten Morgen, liebste Hanna!«
»Guten Morgen, Ruppi! Oh, du hast mir Kaffee gemacht, wie lieb von dir!«
Sie küssten sich.
»Leider ist es kein Filterkaffee, sondern nur Pulverkaffee.«
Johanna trank einen Schluck.
»Oh, er schmeckt ausgezeichnet, da ist viel Liebe darin! Das gibt eine besondere Note!«
Johanna schälte sich aus den Decken. Ihr Blick fiel auf den gedeckten Tisch.
»Oh, wie schön! Ruppi, du kannst ja wirklich zaubern.«
Rupold hatte liebevoll den Frühstückstisch gedeckt. Er hatte als Tischsets Blätter des Löwenzahns aufgehäuft, den er auf der Wiese gestochen hatte.
Dazu hatte er über den ganzen Tisch die Blütenköpfe von Gänseblümchen und gelben Butterblumen gestreut. Auf Johannas Teller lag ein Herz aus Binsen.
»Wie lieb von dir! Du bist ja ein richtiger Künstler!«
Rupold strahlte.
»Erinnerst du dich, dass ich damals nach dem Abitur gerne die Kunsthochschule besucht hätte?«
»Stimmt, davon hattest du gesprochen. Das war die Zeit, als wir uns kennenlernten. Doch dann hast du Ingenieurwissenschaft studiert.«
»Es war ein Zugeständnis an meinen Vater! Kunst ist eine brotlose Beschäftigung, hämmerte er mir damals ein. Es brach mir fast das Herz! Manchmal frage ich mich, ob ich im Leben glücklicher oder zufriedener geworden wäre, wenn ich meiner Leidenschaft gefolgt wäre. Ich träumte immer davon, Bühnenbilder zu entwerfen und Ähnliches zu machen.«
»He, du bist erwachsen, Ruppi! Du kannst es immer noch tun. Heute gibt es auch viel mehr Möglichkeiten als damals. Mache doch einen Fernkurs!«
»Himmel, Hanna!«
Er schaute sie mit großen Augen an.
»Schau nicht so, ich meine es ernst!«
»Ja, vielleicht sollte ich einmal ernsthaft darüber nachdenken!«
»Tu