Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
Eltern sind vor einigen Jahren auf das Altenteil gezogen. Sie tun aber noch sehr viel auf dem Hof. Wir vermieten an Sommergäste. Ich kann es einrichten, dass ich über das Wochenende auf der Berghütte bleibe. Wir könnten dann zum ›Paradiesgarten‹ wandern. Der Flecken ist nur Einheimischen bekannt und auf keiner Karte verzeichnet.«
»Danke für die Einladung, Gaudenz. Du meinst es bestimmt gut. Aber gerade am Wochenende hat Anna sehr viel zu tun. Pfarrer Zandler sagte zu mir, dass ich am Sonntag nicht zur Messe in den Ort zu kommen brauche. Das Wochenende will ich Anna und Toni helfen.«
»Gut, das verstehe ich! Dann verschieben wir unseren Ausflug zum ›Paradiesgarten‹. Wir gehen nächste Woche an einem Werktag. Den Wunsch kannst du mir nicht abschlagen, Rosemarie – bitte!«
»Also gut! Wir gehen irgendwann, wenn auf der Berghütte nicht so viele Hüttengäste sind.«
»Fein! Ich freue mich! Du wirst es nicht bereuen. Man fühlt sich dort dem Himmel so nah.«
»Ich will aber nicht, dass du deine Arbeit vernachlässigst. Wir gehen nur, wenn es dir auch wirklich passt.«
»Rosemarie, was bist du doch für ein Ausbund an Pflichtbewusstsein! Sei doch etwas locker. Das Leben ist schön. Es ist wirklich schön. Du darfst nicht so viel denken und ängstlich sein. Willst du es nicht einmal versuchen?«
Sie schaute ihn an.
»Man kann doch nur etwas versuchen, von dem man weiß, wie es geht, Gaudenz. Ich bin, wie ich bin. Nur so fühle ich mich sicher. Nur so kann ich meine Welt ordnen. Ich kenne nichts anderes.«
Gaudenz seufzte.
»Habe ich etwas Falsches gesagt, Gaudenz?«
»Nein! Aber bei deinen Ansichten komme ich manchmal nicht ganz mit. Ich war noch nie mit jemand zusammen, der sich so gern in sein Schneckenhaus vergräbt. Darf ich dir einen Vorschlag machen?«
»Vorschläge kann man immer machen.«
»Gut! Danke! Wie bleiben jetzt hier sitzen, bis die Sonne ganz aufgegangen ist. Dann bringe ich dich zurück zur Berghütte. Ich gehe hinunter ins Dorf und widme mich verschiedenen anstehenden Angelegenheiten. Und an einem der nächsten Tage melde ich mich bei Toni. Er hat ein Handy. Dann reden wir und planen unseren Ausflug in die Berge. Bist damit einverstanden?«
»Wir können es probieren!«
»Warum sagst du probieren?«
»Das habe ich mir so angewöhnt, dann bin ich nicht enttäuscht, wenn etwas nicht so verläuft, wie ich es erwarte. Je weniger ich vom Leben erwarte, desto weniger kann ich enttäuscht werden.«
»Aus deiner Sicht ist das logisch. Soweit verstehe ich dich jetzt schon. Jetzt sage ich dir etwas! Erwarte, erhoffe dir immer das Schönste und das Beste, was dir Himmel und Erde geben können. Es wird geschehen. Gib dich niemals – wirklich niemals mit weniger zufrieden. Verzichte nie im Voraus auf Glück und auf Liebe!«
Sie schauten sich in die Augen. Rosemarie spürte, wie ihr Herz klopfte.
»Jemandem wie du bin ich noch nie begegnet, Gaudenz.«
»Das hast du schön gesagt! Könntest du dir vorstellen, dass wir dieses Zusammenfinden länger ausdehnen? Wünscht du es dir in einem Winkel, einem verborgenen Winkel deines Herzens?«
Es war inzwischen schon so hell, dass Gaudenz deutlich sehen konnte, wie Rosemarie tief errötete.
Er griff ihr mit der Hand unter das Kinn.
»Rosemarie, habe keine Furcht! Sei nicht ängstlich! Erforsche dein Herz und lasse die Gefühle zu. Fühle das Glück, die Liebe, die Hoffnung. Schäme dich nicht für deine Sehnsüchte und Träume. Willst du mir das versprechen?«
»Ich will es versuchen, Gaudenz! Mir schwindelt. Ich weiß nicht, was mit mir ist. Mir dreht sich alles im Kopf!«
Das ist die Liebe, dachte Gaudenz. Du entdeckst die Liebe, Rosemarie. Aber das sage ich dir nicht. Du musst selbst dahinterkommen. Nur dann wirst du an die Liebe glauben.
»Es war ein langer Tag und eine lange Nacht, Rosemarie! Schau, die Sonne steht schon halb über den Berggipfeln. Lass uns zurückgehen.«
»Ja, gehen wir zurück.«
Sie standen auf und gingen Hand in Hand den Pfad zurück. Als die Berghütte in Sicht kam, sagte Rosemarie leise: »Danke, Gaudenz! Danke für das schöne Gespräch, danke, dass du mir zugehört hast. Mein Herz ist jetzt leichter, irgendwie. So etwas habe ich vorher nie verspürt.«
Er schaute ihr in die Augen. Sie sahen wirklich nicht mehr so traurig aus.
»Das freut mich. Ich möchte dir noch so viel sagen, Rosemarie. Wir werden auf unserem Ausflug wieder reden, einverstanden?«
»Ja, Gaudenz, einverstanden!«
Sie kamen zur Berghütte. Die Tür stand schon offen. Aber Toni war nicht zu sehen. Gaudenz brachte Rosemarie bis zu ihrer Kammertür.
»Schlafe gut! Gute Nacht! Und träume schön!«
Da huschte ein Lächeln über Rosemaries Gesicht und sie errötete.
»Dir auch! Und komme gut heim! Wenn du willst, kannst du deine Eltern unbekannterweise von mir grüßen.«
»Darf ich dir einen Kuss auf die Wange geben?«, fragte Gaudenz.
Sein Herz klopfte sehr.
Rosemarie sah ihn an. Die Röte stieg in ihre Wangen.
Sie schaute unter sich und schwieg.
Gaudenz näherte sich ihr vorsichtig und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Rosemarie drehte sich schnell um und verschwand in ihrer Kammer.
Gaudenz blieb einen Augenblick vor der verschlossenen Tür stehen und lächelte.
Tonis Räuspern im Hintergrund riss Gaudenz aus seinen Gedanken. Er drehte sich zu Toni um.
»Mei, Gaudenz, du hast Rosemarie geküsst! Mei, des ist ja fast wie ein Wunder. Wie hast du den Eisberg zum Schmelzen gebracht?«
»Toni, ich will nicht darüber reden. Behalte bitte für dich, was du gesehen hast. Rosemarie ist sehr empfindsam und sehr verletzlich. Sie ist ein ganz wunderbarer Mensch, ein wunderbares Madl, und ich liebe sie. Ihr kann man sich nicht so nähern wie einem anderem Madl.«
»Ich wünsche dir Glück! Willst noch frühstücken, bevor du dich hinlegst?«
»Ich trinke einen Kaffee im Stehen. Dann gehe ich heim. Ich habe meine Pläne geändert.«
»Was du auch immer für Pläne hast, Denzl, ich drücke dir die Daumen.«
»Danke, Toni!«
Gaudenz ging mit Toni in die Küche der Berghütte. Toni schenkte ihm einen Becher Kaffee ein. Gaudenz gab viel Milch und Zucker hinein und trank aus. Dann holte er seinen Rucksack und machte sich auf den Weg hinunter auf die Oberländer Alm, hinter der er sein Auto geparkt hatte.
*
Er fuhr nicht heim. Mit Höchstgeschwindigkeit brauste er über die Landstraße und später über die Autobahn. Es war schon später Vormittag, als er durch das große offene Tor des Klosterbereiches brauste, zu dem eine schöne, alte Kirche gehörte. Er hielt vor einem großen Portal, von dem er vermutete, dass es zur Verwaltung des Klosters gehörte.
Eine ältere Nonne trat heraus.
»Grüß Gott, junger Mann! Die Parkplätze für Besucher sind auf der anderen Seite der Kirche. Die nächste Führung ist in einer Stunde.«
»Grüß Gott, Schwester!«, sagte Gaudenz. »Ich will nicht in die Führung. Ich suche die Oberin des Ordens.«
Die alte Nonne musterte ihn von oben bis unten.
»Haben sie einen Termin bei unserer Oberin? Sie hat mir nichts davon gesagt, dass sie Besuch erwartet heute am Samstag.«
Gaudenz atmete tief durch.
»Ich