Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max WeberЧитать онлайн книгу.
zuspitzt, nicht der einzige und für manche Wissenschaften nicht einmal der wesentliche ist. Mag man insbesondere seine These, daß die Objekte der »äußeren« und »inneren« Erfahrung uns grundsätzlich in gleicher Art »gegeben« seien, annehmen, so bleibt doch, gegenüber der von Rickert stark betonten »prinzipiellen Unzugänglichkeit fremden Seelenlebens«, bestehen, daß der Ablauf menschlichen Handelns und menschlicher Aeußerungen jeder Art einer sinnvollen Deutung zugänglich ist, welche für andere Objekte nur auf dem Boden der Metaphysik ein Analogon finden würde, und durch welche u.a. jene eigentümliche, oft – auch von Roscher – hervorgehobene Verwandtschaft des logischen Charakters gewisser ökonomischer Erkenntnisse mit der Mathematik begründet wird, die ihre gewichtigen, wennschon oft (z.B. von Gottl) überschätzten Konsequenzen hat. Die Möglichkeit dieses Schrittes über das »Gegebene« hinaus, den jene Deutung darstellt, ist dasjenige Spezifikum, welches trotz Rickerts Bedenken es rechtfertigt, diejenigen Wissenschaften, die solche Deutungen methodisch verwenden, als eine Sondergruppe (Geisteswissenschaften) zusammenzufassen. In den Irrtum, für sie eine der Rolle der Mathematik entsprechende Grundlage in einer erst noch zu schaffenden systematischen Wissenschaft der Sozialpsychologie für nötig zu halten, braucht man, wie später zu erörtern sein wird, deshalb noch nicht zu verfallen.
25 Das wäre nicht nur faktisch, sondern nach dem logischen Wesen »gesetzlicher« Erkenntnis prinzipiell unmöglich, da die Bildung von »Gesetzen« – Relationsbegriffen von genereller Geltung – mit Entleerung des Begriffsinhalts durch Abstraktion identisch ist. Das Postulat der »Deduktion« des Inhalts der Wirklichkeit aus Allgemeinbegriffen wäre, wie später noch an einem Beispiel zu erörtern sein wird, selbst als in der Unendlichkeit liegendes Ideal gedacht sinnlos. Hier hat meines Erachtens auch Schmoller in seiner Entgegnung gegen Menger (Jahrbuch 1883, S. 979) in dem Satze: »Alle vollendete Wissenschaft ist deduktiv, weil, sobald man die Elemente vollständig beherrscht, auch das komplizierteste nur Kombination der Elemente sein kann«, Konzessionen gemacht, die nicht einmal auf dem eigensten Anwendungsgebiete der exakten Gesetzesbegriffe gelten. Wir kommen darauf später zurück.
26 Wenn wir diesen Ausdruck hier vorerst ohne nähere Deutung akzeptieren.
27 Ueber die so einfachen und doch so oft verkannten Unterschiede der Bedeutungen von »allgemein« voneinander, mit denen wir immer wieder zu tun haben, ist grundlegend der Aufsatz von Rickert, Les quatre modes de l'universel en histoire, in der Revue de synthèse historique 1901.
28 Vgl. darüber und überhaupt über diese Probleme die vorzügliche Arbeit eines sehr begabten Schülers von Rickert: E. Lask, Fichtes Idealismus und die Geschichte, S. 39 ff., 51 f., 64.
29 Wir lassen hier die für die Nationalökonomie zentralen logischen Probleme, zu welchen die besondere Art von anschaulicher Evidenz führt, der die Deutung menschlicher Motivation zugänglich ist, und mit denen neuestens Gottl a.a.O. sich befaßt, zunächst noch absichtlich beiseite. Wir können dies, da Roscher diesen Gesichtspunkt in keiner Weise verwertet hat. Nach ihm nähern wir uns der Erkenntnis der Zusammenhänge menschlichen Handelns diskursiv und von außen her, ganz ebenso wie der Erkenntnis des Naturzusammenhangs. Ueber die »Selbstbeobachtung« als Erkenntnisquelle vgl. die kurze Bemerkung: Gesch. d. Nationalökonomik, S. 1036. Daselbst die oft zitierte Stelle über die relativ geringe Tragweite des Unterschiedes von »Induktion« und »Deduktion«, welch letztere mit der Selbstbeobachtung identifiziert wird, ohne daß Roscher den sich daraus ergebenden logischen Problemen hier oder sonst weiter nachginge.
30 Roschers ausführliche Stellungnahme zu Hegel in der Geschichte der Nationalökonomik (S. 925 ff.) ist für uns belanglos, da er fast nur die Beurteilung konkreter praktischer Fragen durch Hegel kritisiert. Bemerkenswert ist nur der Respekt, mit welchem er die »dreistufige Entwickelung vom abstrakt Allgemeinen durch das Besondere zum konkret Allgemeinen« behandelt, welche »eines der tiefsten historischen Entwickelungsgesetze berühre«, – ohne nähere Erläuterung.
31 Auch B. G. Niebuhr, dem er in der Gesch. d. Nationalökonomik (S. 916 f.) ein schönes Denkmal setzt, rechnet er selbst dazu.
32 Thukydides S. 19. Er nennt Hegel, den er weiterhin gelegentlich zitiert (S. 24, 31, 34, 69), an dieser Stelle nicht.
33 Thuk. S. 28.
34 Das. S. 24 f., bes. S. 27.
35 Das. S. 29.
36 Das. S. 22. Der Unterschied zwischen künstlerischer und wissenschaftlicher Wahrheit findet sich S. 27 und S. 35 entwickelt.
37 Das. S. 35.
38 Vorrede S. XII.
39 Eine eingehendere Auseinandersetzung mit derjenigen Form der Hegelschen Dialektik, welche das »Kapital« von Marx repräsentiert, hat Roscher nie unternommen. Seine Ausführungen gegen Marx in der Gesch. d. Nationalökonomik, S. 1221 und 1222 (eine Seite!) sind von erschreckender Dürftigkeit und zeigen, daß ihm damals (1874) jede Reminiszenz an die Bedeutung Hegels abhanden gekommen war.
40 So Thuk. S. 10.
41 Thuk. S. 35.
42 Thuk. S. 58.
43 Thuk. S. 188.
44 Selbst für die künstlerische Produktion ist ihm das allein interessierende »Hauptsächlichste« (das was der Künstler von der Erscheinung erfassen will und soll) dasjenige, welches »zu allen Zeiten, unter allen Völkern und in allen Herzen wiederkehrt« (Thukydides S. 21 mit Exemplifikation auf Hermann und Dorothea und die Reden im Thukydides).
45 § 22 des Systems, Band I.
46 Vgl. dazu unter anderen die Ausführungen von Rickert, Grenzen S. 245 f.
47 »Jedes historische Urteil beruht auf unzähligen Analogien«, meint er Thukydides S. 20, – ein Satz, der in dieser Form jenem Irrtum verwandt ist, der das Studium einer – erst zu schaffenden! – Psychologie als Voraussetzung exakter historischer Forschung ansieht und bei den sehr energischen Worten gegen den Mißbrauch von historischen Analogien S. XI der Vorrede besonders auffällt.
48 Vgl. Thukydides S. 195.
49 § 13 Note 4 des »Systems«, Band I.
50 Roschers Stellung zum Wunder ist reserviert und vermittelnd (vgl. Geistliche Gedanken S. 10, 15 u. öfter). Wie Ranke, so hat auch er das konkrete Geschehen lediglich aus natürlichen Motiven zu erklären gesucht. Wo Gott in die Geschichte hineinragen würde, hätte auch für ihn unser Erkennen ein Ende.
51 Im ganzen verläßt also Roscher nicht den Boden der von ihm allerdings nicht korrekt gehandhabten und ihm wohl auch nicht gründlich bekannten Kantischen analytischen Logik. Er zitiert von Kant wesentlich nur: Die Anthropologie (§ 11 Anm. 6 des Systems, Bd. I) und die metaphysischen Anfangsgründe der Rechtslehre und der Tugendlehre. Der Abschnitt über Kant in der Geschichte der Nationalökonomik (S. 635 f.), der ihn lediglich als Vertreter des »Subjektivismus« recht oberflächlich erledigt, zeigt die tiefe Antipathie Roschers – des Historikers sowohl wie des religiösen Menschen – gegen alle nur formale Wahrheit.
52 Roscher zitiert Humboldts auch neuerdings viel erörterte Studie (in den Abhandlungen der Berliner Akademie von 1820): Thukydides, S. 44, ebenda und oft die Gervinussche Historik. (Ueber das allmähliche Verschwinden des metaphysischen Charakters der »Idee« bei Gervinus vgl. u.a. die Jenenser Dissertation von Dippe 1892.)
53 Siehe die Bekämpfung des Droysenschen Standpunktes zur »Unparteilichkeits«-Frage, Thukydides S. 230/1, aus der wohl sein Lehrer Ranke mitspricht. – Auch der formale Charakter der gleich zu besprechenden Roscherschen Geschichtsepochen erklärt sich zum Teil wohl mit aus seinem »Objektivitäts«-Streben. Er fand keine andere (nach seiner Meinung) unanfechtbare Basis als die einfache Tatsache