Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
»Sie wollte sich als fürsorgliche Freundin aufspielen, aber die kleine Astrid Kürten scheint da eine Schlange an ihrem Busen genährt zu haben.«
Eigentlich lohnte es wohl nicht, über Lilly Friedinger zu reden, aber Fee wollte doch Genaueres wissen.
»Eigentlich eine Frechheit, dir damit zu kommen«, sagte Fee. »Und man muß schon sehr arglos sein, um auf solchen Typ hereinzufallen.«
»Und das Schlimme dabei ist, daß sie ein dickes Fell hat und Astrid Kürten ein ganz dünnes.«
Er hatte es kaum ausgesprochen, als das Telefon läutete. Es war Professor Manzold, der ihn unbedingt noch wegen Karl Kürten sprechen wollte, und der Hotelier hatte selbst auch den Wunsch geäußert, mit Dr. Norden zu sprechen.
»Da bleibt mir dann wohl nichts anderes übrig, als schnell in die Klinik zu fahren«, sagte Daniel seufzend. »Begleitest du mich?«
Bevor sie zustimmen konnte, läutete das Telefon schon wieder.
»Man ist gegen uns«, brummte Daniel. Diesmal war es Frau Kürten, und sie bat ihn dringend, doch sofort nach ihrer Tochter zu schauen. Wohin sollte er nun zuerst? Er sah Fee an, und da kam ihm ein Gedanke.
»Dürfte ich Ihnen vorerst eine Kollegin schicken, Frau Kürten?« fragte er, Fee zublinzelnd, deren Augen sich staunend weiteten. »Ich komme von der Klinik aus zu Ihnen. Ja, darauf können Sie sich verlassen.«
Er wandte sich Fee zu.
»Sei so lieb und übernimm das. Ich habe das Gefühl, daß eine Frau bei der kleinen Kürten mehr ausrichten kann.«
»Du traust mir allerhand zu«, sagte Fee.
»Alles«, erwiderte Daniel. »Dir können nicht mal Frauen widerstehen.«
Er ließ seine Finger durch ihr wundervolles silberblondes Haar gleiten. »Eine richtige Traumfee bist du«, raunte er ihr ins Ohr.
So zärtlich konnte er sein. Ein heißes Glücksgefühl durchströmte Fee.
*
Als sie vor der Villa Kürten stand, war sie darauf gefaßt, daß man ihr mit Mißtrauen begegnen würde, aber auf Frau Kürtens Gesicht malte sich nur Überraschung, als Fee ihren Namen nannte.
»Sie sind Fräulein Dr. Cornelius?« fragte sie ungläubig.
Fee nahm niemandem Skepsis übel. Sie war gewohnt, für jünger gehalten zu werden, als sie war. Und Frau Kürten war eine sympathische Frau, die ihre Verblüffung mit einem mütterlichen Lächeln abschwächte.
»Astrid macht mir große Sorgen«, sagte sie leise. »Es kann ja sein, daß sie, ich meine, daß es nicht der Kummer wegen ihres kranken Vaters ist. Sie ist mir regelrecht zusammengeklappt, als sie aus der Klinik kam.«
Daß Astrid Kürten ein äußerst sensibles Mädchen war, erkannte Fee sofort. Es schien fast so, als sei sie erleichtert, daß nicht Dr. Norden kam.
»Mama macht sich unnötige Sorgen«, sagte sie stockend. »Ich habe diese Magenschmerzen doch öfter.«
Und einen viel zu niederen Blutdruck hatte sie auch, wie Fee zuerst feststellte.
Fee überlegte, wie sie dieses Mädchen zum Sprechen bringen könnte. Einfach würde es wohl nicht sein. Sie dachte daran, was Daniel ihr erzählt hatte, und sie war ziemlich sicher, daß die Beschwerden, die durchaus nicht zu verniedlichen waren, auf schwere seelische Störungen zurückzuführen waren. Aber um die Seele eines Menschen zu ergründen, mußte man erst dessen Vertrauen erlangen.
»Sie haben Kummer«, sagte sie vorsichtig.
»Mein Vater ist sehr krank«, erwiderte Astrid leise.
»Es geht ihm doch schon bedeutend besser«, sagte Fee aufmunternd. »Dadurch brauchen Sie sich nicht aus Ihrem seelischen Gleichgewicht bringen zu lassen.«
Astrid warf ihr einen langen Blick zu. Ihre Augen, weit geschnitten und sehr dunkel, hatten einen melancholischen Ausdruck.
»Ich glaube, ich habe gar kein seelisches Gleichgewicht«; sagte sie leise. »Ich lasse mich immer gleich einschüchtern.« Sie versuchte ein Lächeln, aber es mißlang kläglich, und Tränen standen in ihren Augen.
Zwanzig Jahre jung, mit allen materiellen Gütern reich gesegnet und so resigniert, dachte Fee.
»Wer schüchtert Sie denn ein?« fragte sie vorsichtig.
»Ach, ich habe einfach keine Menschenkenntnis«, sagte Astrid, »und gerade die braucht man doch im Hotelgewerbe. Ich möchte gern so sein, wie Papa sich seine Tochter wünscht.« Ein Fragezeichen stand dahinter, aber das Aber blieb unausgesprochen.
»Möchten Sie etwa so sein wie Ihre Freundin, Fräulein Friedinger?« fragte Fee sehr direkt.
Astrid sah sie erschocken an. »Sie kennen Lilly?« fragte sie heiser.
»Ich bin ihr heute zufällig begegnet. In der Praxis von Dr. Norden.«
Vielleicht war es falsch, ihr das zu sagen, aber Fee ließ sich von ihrem Gefühl leiten.
»Sie war bei Dr. Norden«, sagte Astrid. »Sie war bei mir.« Man sah ihr an, daß sie angestrengt nachdachte. »Sie hat so viel Unsinn geredet, aber was soll ich darüber sprechen.«
»Sprechen Sie ruhig«, sagte Fee. »Das erleichtert. Solange Sie alles in sich hineinschlucken, wird es nichts mit dem seelischen Gleichgewicht.«
»Arbeiten Sie ständig mit Dr. Norden zusammen?« fragte Astrid.
»Nein, aber wir arbeiten Hand in Hand.« Dann begann sie, aus einem zwingenden Gefühl heraus, von der Insel der Hoffnung zu erzählen, von den Menschen, die dort Genesung suchten.
»Manchen Leiden kann man nicht mit Medikamenten beikommen«, sagte sie. »Ihre Magenbeschwerden sind nervöser Natur. Sie kommen immer dann, wenn Sie sich aufgeregt haben, stimmt es?«
Sie mußte einige Zeit auf eine Antwort warten. »Was hat Lilly bei Dr. Norden gewollt?« kam anstelle einer Antwort die Frage. »Wollte sie ihm einreden, was für eine gute Partie ich bin, wie sie mir einreden wollte, daß er sich für mich interessiert?« Sie lachte spröde auf. Dieses Lachen tat Fee wohl. »Um sich so etwas vorzustellen, müßte ich schon eine blühende Phantasie haben«, fuhr Astrid fort, »und die habe ich nicht.«
»Mögen Sie Dr. Norden?« fragte Fee mit Selbstüberwindung, weil sie sich fragen mußte, ob darin die Konflikte des Mädchens zu suchen wären.
»Ich habe ihn doch erst heute kennengelernt«, erwiderte Astrid. »Lilly wußte das wohl nicht, daß Dr. Norden der Hausarzt meiner Eltern ist. Papa hält sehr viel auf ihn. Lilly hat ganz andere Gründe, mir solchen Unsinn einreden zu wollen.«
»Sie sind schon lange befreundet?« fragte Fee behutsam.
»Ich habe mir eingebildet, daß sie meine Freundin ist«, stieß Astrid hervor. »Ich bin ein ganz unmögliches Mädchen.«
»Das sind Sie nicht«, sagte Fee. »Sie sind ein sehr empfindsames Mädchen, vertrauensvoll und nicht fähig, Böses zu denken.«
»Ich bin einfältig«, sagte Astrid.
»Aber, aber, das ist eine zu herbe Selbstkritik. Andern gegenüber kritisch zu sein, ist besser. Ich frage mich, warum Sie so voller Hemmungen sind, Fräulein Kürten. Sie haben vernünftige Eltern …«
»Die mich sehr verwöhnt haben«, fiel Astrid ihr ins Wort. »Mir ist alles aus dem Wege geräumt worden. Lilly hatte es so viel schwerer, und sie ist viel selbstbewußter. Ich habe sie immer darum beneidet.«
»Und Sie sind wohl von ihr beneidet worden, weil Sie alles hatten, was sie gern haben wollte«, sagte Fee nachdenklich. »Versuchen Sie einmal ganz nüchtern darüber nachzudenken.«
»Sie sind sehr nett«, sagte Astrid, »aber kann ein Mensch sich, seinen Charakter ändern? Kann man aus seiner Haut heraus?«
»Man kann in eine andere hineinschlüpfen«,