Im Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
sagte Thomas.
»Na und? Es ist doch schön, wenn man einen großen Bruder hat.«
»Was hat er denn mit dir angefangen?«, fragte Thomas neugierig. »Hannes, was hast du mit mir angefangen, als ich noch ein Baby war?«, rief Bambi.
Solche Fragen waren Hannes natürlich peinlich in Gegenwart von anderen. Er bekam ganz rote Ohren.
»Aufgepasst habe ich halt, dass du keinen Blödsinn machst«, brummte er.
»Mir ist nie was passiert, weil er so gut aufgepasst hat«, versicherte Bambi strahlend. »Und jetzt passen wir auf unseren kleinen Henrik auf.«
»Habt ihr jetzt auch noch ein Baby?«, fragte Thomas staunend.
»Unsere Schwester hat eins. Es ist unser Neffe«, erklärte sie voller Stolz.
»Wir haben nämlich noch eine große Schwester und einen großen Bruder, die beide schon verheiratet sind.«
»Die schon verheiratet sind?«, wiederholte Thomas verwirrt. »Und ihr vertragt euch alle?«
»Na klar«, meinte Bambi.
»Dann hast du aber keine Freunde«, sagte Thomas.
»Warum denn nicht? Eine Menge Freunde habe ich. Alle Kinder hier in Erlenried sind meine Freunde. Warum fragst du so was eigentlich?«
»Ich habe auch eine kleine Schwester, die noch ein Baby ist«, gab Thomas stockend zu.
»Das ist doch fein. Es ist erst richtig schön, wenn man Geschwister hat.«
»Ich habe aber gar keine«, wisperte Ulrike.
»Dann wünsch dir doch welche«, erwiderte Bambi, »und wenn ihr keins mehr kriegt, dann adoptiert ihr eben eins. Das machen viele Leute. Aber ihr wolltet euch doch die Felsenburg angucken.«
Damit war das heikle Thema dann auch zu Alois Frenzels Erleichterung beendet.
Ihm sollte erst später bewusst werden, dass Bambi ihm einen großen Dienst erwiesen hatte, und dass die Besichtigung der Felsenburg trotz des recht mäßigen Interesses von Thomas und Ulrike Erfolge zeigte.
Thomas erklärte plötzlich: »Ich habe Hunger.«
»Ich habe auch Hunger«, echote UIrike.
»Dann werden wir mal in den ›Seeblick‹ gehen«, schlug Onkel Alois vor. »Da gibt es guten Kuchen«, rief Bambi.
Kopfschüttelnd sah sie dem abfahrenden Auto nach.
»Das sind schon ein bisschen komische Kinder«, meinte sie vorsichtig. »So was Wehleidiges. Bloß wegen Kopf- und Bauchschmerzen in die Klinik gehen.«
»Aber der Onkel ist dufte. Der hat einen Zwanzigeuroschein in die Büchse gesteckt«, warf Hannes ein.
»Wenn Dr. Allard bloß solche Kinder kriegt, wird Schwester Meta sich aber nicht freuen«, lenkte Bambi von diesem kommerziellen Thema ab.
»Es gibt doch auch Krankheiten, die man nicht gleich herausfindet. Da muss man dann in die Klinik zur Beobachtung.«
Bambi war immer voller Bewunderung, wenn Hannes so gescheit redete. Doch diesmal machte sie schon einen Einwand.
»Ein bisschen komisch waren die Kinder aber doch. Hoffentlich verderben sie sich jetzt nicht wieder den Magen.«
*
Was Thomas und Ulrike nicht wussten, als sie mit Onkel Alois den Gasthof »Seeblick« betraten, war die Tatsache, dass schon ein Tisch für sie reserviert war. Und an diesem Tisch waren bereits drei Personen: Das Ehepaar Frenzel und Ilse Eigner.
Schweigen herrschte zwischen ihnen.
Jeder war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Aber als sich die Tür auftat und Onkel Alois mit den Kindern eintrat, sprangen sie gleichzeitig auf.
Ulrike lief als Erste zu ihrer Mutti. »Du bist auch da«, flüsterte sie. »Das hat Onkel Alois uns gar nicht gesagt.« Thomas blickte sich suchend um, als seine Mutter ihm die Hände entgegenstreckte.
»Wo ist denn das Baby?«, fragte er aufgeregt. »Habt ihr es weggegeben?«
»Es ist zu Hause«, erwiderte Jenny Frenzel konsterniert, weil sie auf eine solche Reaktion nicht vorbereitet gewesen war. »Wir haben jetzt ein Kindermädchen, damit ich mehr Zeit für dich habe, wenn du wieder heimkommst, Thomas.«
»Und wenn es nun nicht richtig aufpasst?«, fragte er. »Wenn es nun Blödsinn macht?«
»Dazu ist es zu klein. Geht es dir gut, mein Junge?«, fragte Jenny Frenzel.
Thomas schaute sie, dann seinen Vater an. Sie taten gar nicht so, als wäre er lange weggewesen. Es war schon ein recht eigenartiges Gefühl, wenn man sie so sah.
»Ich habe jetzt Hunger«, erklärte er. Insgeheim hoffte er, dass sie nun auch Ulrike ansprechen würden, damit er dies alles gutheißen könne, denn allzu viel Zugeständnisse wollte er nicht gleich machen.
»Hast du auch Hunger, Ulrike?«, fragte da Jenny Frenzel tatsächlich.
Ulrike, gewohnt, auf Thomas zu hören, sah den Jungen an.
»Freilich hat sie auch Hunger«, sagte er.
»Und was möchtet ihr?«
»Apfelkuchen mit Sahne«, erwiderte Thomas.
»Ich auch«, schloss Ulrike sich an. »Macht es dir eigentlich Spaß, immer das Gleiche zu tun wie Thomas?«, fragte Artur Frenzel beiläufig.
»Er ist schlauer als ich«, antwortete Ulrike.
»Wir sind uns immer einig«, behauptete Thomas.
»Das haben wir gemerkt«, stellte Artur Frenzel hintergründig fest. »Und mit Onkel Alois seid ihr euch auch einig.«
»Wir haben nicht gewusst, dass er uns heute abholt«, verteidigte sich Thomas. »Und dass ihr auch hier seid, haben wir auch nicht gewusst.« Er sah Frau Eigner an, dann seine Eltern. »Seit wann vertragt ihr euch denn?«, erkundigte er sich.
Diese Frage zu beantworten, fiel keinem leicht. Inzwischen war aber der Kuchen gebracht worden, und die Kinder stürzten sich mit Heißhunger darauf.
»Es hat sich einiges geändert«, bemerkte Onkel Alois beiläufig, »aber darüber unterhalten wir uns zu Hause.«
»Nehmt ihr uns gleich mit?«, fragte Thomas. »Erlaubt das denn Dr. Allard?«
»Eure Schmerzen werden auch daheim zu kurieren sein«, meinte Onkel Alois mit einem gutmütigen Grinsen. »Magenbeschwerden scheint ihr ja nach eurem Appetit zu urteilen, nicht mehr zu haben.«
Sie wurden beide knallrot und starrten auf ihre Teller. Diesmal ergriff Ulrike das Wort.
»Wir haben ja auch viel Kamillentee getrunken und Haferbrei gegessen.«
»Ihr habt wahrhaftig Opfer gebracht«, äußerte Onkel Alois. »Na, es hat sich auch gelohnt.«
Er sah dabei Ilse Eigner an, und diese errötete nun auch. Aber so ganz begriffen die Kinder die Bemerkung nicht. Es genügte ihnen auch vollkommen, dass ihren freundschaftlichen Beziehungen nichts mehr im Wege stand.
*
In der Sternsee-Klinik war währenddessen der Operationssaal eingeweiht worden.
Der kleine Patient hieß Peter Grandel, war vier Jahre und der Sohn eines in den Münster-Werken beschäftigten Elektrikers.
Er hatte mit seinem Kätzchen auf dem Fensterbrett gesessen, und als seine Großmutter zu Besuch kam, hatte er das Fenster geöffnet, um ihr zuzuwinken. Dabei war das Kätzchen auf den Sims gesprungen. Peter wollte es festhalten und war selbst aus dem Fenster gestürzt.
So hatte der völlig verzweifelte junge Vater den Vorfall geschildert. Er hatte nicht nur Angst um das Leben seines Sohnes, sondern auch um das seiner Frau, die kurz vor der Geburt des zweiten Kindes stand.
Peter