Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.
irgendwelche leicht bekleideten Models im Sinn, die am Strand entlang durch die Brandung hüpften.
»Billy Tarnowski ist tot«, sagte Olivia.
»Wer?«, fragte Danielle.
Bevor Olivia eine spitze Bemerkung abgeben konnte, warf Randy ein: »Ist das nicht der Autor? Der in dem alten Haus am Stadtrand wohnt? Ich hab mal einen Artikel über ihn gelesen. Er und ein paar seiner Freunde sind in den 80ern in die alte Schule eingebrochen.«
»Oh. Klar. Der.« Mason ging zum Kofferraum und schwang sich neben seinen besten Freund. Olivia hätte sie am liebsten beide an den Ohren gepackt und herunter gezogen. »In der Schule hat mal jemand von dieser Marietta King gesprochen. Ein Mädchen, das vor dreißig Jahren umgebracht wurde.« Er zuckte die Schultern. »Mein Dad wollte davon nichts hören, als ich nachgefragt habe.«
»Und dieser Tarnowski war damals dabei?«, fragte Danielle. »Als der Mord passiert ist, meine ich.«
Randy nickte. »Ich hab in der Richtung mal recherchiert. Damals war die ganze Stadt in Aufruhr. Der Mord war das Stadtgespräch.«
Olivia warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Wie auch immer. Tarnowski hat wohl zwei Bücher geschrieben, mit einem wurde er ziemlich berühmt. Die Gazette widmet ihm eine Sonderseite.«
»Oookay«, sagt Danielle. »Und was hat das mit dir zu tun?«
»Ich mache Fotos von seinem Anwesen. Die Redaktion hat sich beim Nachlassverwalter die Erlaubnis geholt, und da der Artikel am Montag erscheinen soll, ist jetzt Eile angesagt. Also springt rein. Wir holen die Schlüssel in der Redaktion ab, dann fahren wir dorthin. Das dauert nicht lange.«
Gemeinsam fuhren sie davon.
*
Randy bekam eine Gänsehaut, als sie vor dem abgelegenen Anwesen hielten. Trotzdem war er froh darüber, endlich aus dem Auto steigen zu dürfen. Olivia und Danielle hatten sich die ganze Fahrt über gekabbelt, es war nicht auszuhalten. Ab und an hatte Mason noch etwas eingeworfen, was alles nur noch schlimmer gemacht hatte. Hinzu kam Olivias Fahrstil, der nichts für schwache Nerven oder Mägen war.
Er musste jedoch zugeben, dass sie ihn beeindruckte. Olivia fuhr einen – wenn auch altersschwachen – Dodge, fotografierte für die Gazette und gab sich auch sonst ziemlich tough.
Der Frequenz nach zu urteilen, in der sich Mason sein mittellanges dunkelblondes Haar zurückgestrichen hatte, war auch er beeindruckt. Es war unschwer zu erkennen, dass Olivia nicht das geringste Interesse daran hatte, mit seinem Freund zu flirten, doch es würde vermutlich noch eine Weile dauern, bis Mason das kapierte.
Randy stieg aus, schlug die Autotür hinter sich zu und starrte auf das baufällige Herrenhaus. Ein Großteil der Dachschindeln war vom Wind abgedeckt worden oder dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen. Die Fenster starrten vor Schmutz, das Holz der Rahmen war morsch, die Farbe darauf abgeblättert. Vermutlich hatte der Vorgarten schon seit Jahren keinen Gärtner mehr gesehen, weshalb er sich in einen kleinen Urwald verwandelt hatte.
»Wow, hier könnte meine Mutter sich mal austoben«, sagte Mason. »Putzen ist ihr Hobby.«
»Wer macht so was freiwillig?«, fragte Danielle.
Olivia sah für einen Moment so aus, als wollte sie etwas Patziges erwidern, schwieg dann aber glücklicherweise.
Olivia fischte ihre Nikon aus dem Kofferraum. »Beeilen wir uns. Das Mittagslicht ist gerade perfekt, im Haus ist es nämlich eher dunkel.«
Gemeinsam traten sie vor das schmiedeeiserne Gartentor.
Es quietschte, als sie es öffneten. Der Weg bestand aus zwei Reihen quadratischer Steinplatten, die wie die Facetten eines Reißverschlusses versetzt nebeneinander angeordnet waren. Ihre Oberfläche war von Rissen durchzogen.
»Bist du sicher, dass das Haus nicht einstürzt, wenn wir uns gerade darin befinden?«, fragte Danielle spitz.
»Angst?«, gab Olivia zurück.
»Pff.« Danielles Nase wanderte in die Höhe.
Randy grinste.
Das Eingangsportal bestand aus einer wuchtigen Holztür. Ein altmodischer Messingklopfer mit der Form eines Gesichts hing auf Brusthöhe. Das Holz war einst sicher hübsch gewesen, wirkte jetzt aber nur noch alt und verfallen, der Lack blätterte auch hier ab.
Olivia friemelte die Schlüssel heraus und öffnete.
Ein lautes Knarzen erklang, gefolgt von einem Quietschen, das Randy durch Mark und Bein ging.
Als er die Eingangshalle betrat, schaute er sich ehrfürchtig um. Sie war fast leer. Hier und da stand ein verlassenes Möbelstück, bei einigen davon konnte Randy nicht einmal sagen, was es war. Als hätte sich ein verrückter Wissenschaftler am Schreinern versucht.
Im Reflex tastete er nach dem Smartphone in seiner Tasche. Es war noch da. Das war seine Welt: moderne Technologie. Computer, Smartphones, Platinen und Lötzinn, Roboter und Armaturen. Gleichzeitig faszinierte ihn aber auch das Alte.
Die Recherche im Stadtarchiv vor einiger Zeit hatte er genossen. Der Geruch des Papiers, das Gewicht des Wissens um ihn herum, die Aura einer längst vergangenen Zeit. Wer benutzte heute noch Papier, um wichtige Informationen festzuhalten?
»Aufwachen, Alter!« Masons Stimme holte ihn in die Wirklichkeit zurück. »Du stehst im Weg.«
Randy trat zur Seite.
Durch ein Deckenlicht fiel lediglich ein Schimmer, da es seit langem nicht mehr geputzt worden war. Alles um ihn herum war ins Zwielicht getaucht. Staubflocken tanzten wie Glitzerpartikel im Lichtstrahl.
»Okay, dann zieh mal dein Ding durch, damit wir uns um Thompkins kümmern können«, sagte Danielle gelangweilt und zog ihr iPhone aus der Tasche. »Hier ist fast kein Netz.« Genervt rollte sie mit den Augen. »Echt jetzt, der Kerl muss in den 80ern hängen geblieben sein.« Sie schob es wieder in die Hosentasche.
»Können wir dir irgendwie helfen?«, bot Randy an.
Olivia wirkte verblüfft. »Ähm, danke. Aber ich werde einfach ein wenig herumstreifen und ein paar Bilder schießen.«
»Dann teilen wir uns am besten auf«, sagte Mason. Schon war er auf dem Weg über die Treppenstufen nach oben, die der Eingangstür gegenüberlagen.
»Aber fasst nichts an«, rief Olivia ihnen hinterher.
»Klar.« Er wandte sich an Randy. »Komm schon.«
Während Danielle in einen Stuhl sank, die Arme verschränkte und augenscheinlich keine Lust mehr hatte, sich irgendwohin zu bewegen, verschwand Olivia in einem der angrenzenden Räume. Randy folgte Mason, immerhin musste ja irgendwer darauf aufpassen, dass der Freund keinen Unfug anstellte.
Der Gang im Obergeschoss war mit einem flauschigen Teppich ausgelegt, in dem man bei jedem Schritt versank. An den Wänden hingen irgendwelche scheußlichen Bilder, auf denen grelle Farben vorherrschten.
»Wer auch immer die gemalt hat, er muss auf ‘nem Trip gewesen sein«, sagte Mason. »Ich würde mir das Zeug nicht freiwillig ins Zimmer hängen.«
Randy konnte da nur zustimmen. Das ganze Haus wirkte wie ein aus verschiedenen Zeiten zusammengeschustertes Ding. »Wie alt war er eigentlich?«
»Tarnowski?« Ein Schulterzucken.
»Er muss gerade mal fünfzig gewesen sein, oder so. Und dann plötzlich tot, einfach so.« Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass Olivia gar nichts zu den Details erzählt hatte. »Wer weiß, vielleicht hat ihn ja etwas in diesem Haus umgebracht.«
Er grinste und ging davon.
»Ha, ha«, sagte Mason hinter ihm. Aber er klang gar nicht mehr ganz so selbstsicher wie noch ein paar Sekunden zuvor.
*
Mason