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Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.

Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King - Andreas Suchanek


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Kaugummireste blieben auf ihren Lippen und im Nasenloch kleben, die Maria mit dem Finger herunterpulte, um sie wieder mit dem Rest im Mund zu vereinen.

      »Hast du eine Ahnung, wie viele Bazillen da jetzt dran pappen?«, sagte Olivia und blätterte weiter in ihrer Zeitung. »Vermutlich sind auch Haare von Carlos dabei. Mh, lecker. Katzenkaugummi.«

      Maria verzog das Gesicht, beugte sich über den Tresen und kaute ungerührt weiter. »Und, hast du eine Ahnung, wo mein Katalog ist?«

      »Nope«, sagte Olivia und studierte die Zeitung, als wäre es die spannendste Lektüre, die sie je gelesen hatte. An einer Anzeige blieb sie schließlich hängen. »Is’ nich’ wahr!«

      »Was?«, fragte Maria.

      Olivia studierte mit offenem Mund das Foto, das die komplette Seite einnahm. Darauf zu sehen war Rebecca Reach, Inhaberin der Galerie reachAble, die Rebecca vor fünf Jahren gegründet hatte. Neben ihr stand Lucian McAllister, einer der derzeit bekanntesten Modefotografen. Erst letzte Woche war er zu Gast bei Project Catwalk mit Heidi Klum gewesen und hatte dort die Models für den Contest des Tages fotografiert. Dieser Typ verdiente an einem Tag mehr als Olivia es in zehn Jahren je würde. Er reiste von London nach Paris nach New York nach Dubai. Er bekam alles vor die Linse, was Rang und Namen hatte, und er war für seinen letzten Bildband »Hello, Mister President«, bei dem er den Präsidenten ein halbes Jahr lang fotografisch begleiten durfte, mit dem ALLSTAR-Award ausgezeichnet worden. Und genau dieser Lucian McAllister führte nun zusammen mit Rebecca Reach in zwei Wochen einen Wettbewerb in ihrer Galerie durch. Als Preis winkten zehntausend Dollar – zehntausend! – und ein vierwöchiges Praktikum bei Lucian. »Heilige Scheiße.«

      »Du sollst nicht fluchen, Oliv.«

      »Mir egal.«

      »Wer ist der Kerl?«, fragte Maria und verdrehte den Nacken, weil sie Olivia gegenüber saß und die Zeitung auf dem Kopf sah.

      »Kennst du nicht«, sagte Olivia, kaute auf ihrer Unterlippe, während sie weiter las. An dem Wettbewerb durften alle Schüler der Barrington Cove zwischen fünfzehn und achtzehn Jahren teilnehmen. Einzureichen waren fünf Fotos zu dem Thema: Catch the Night. Die Bilder mussten selbst geschossen sein und durften nicht am Computer nachbearbeitet werden. Als Beweis war die Raw-Datei oder das Negativ beizulegen. Ebenfalls ausgeschlossen waren Langzeitbelichtungen.

      Catch the Night … was könnte Olivia fotografieren? Das Naheliegende bei dem Thema wären nun mal Nachtaufnahmen und die gingen eigentlich nur mit einer Langzeitbelichtung. Sie hätte sich an die Autobahn gestellt, die Kamera fixiert und auf eine Minute Belichtung eingestellt. Die Lichter der Autos wären dann als Streifen abgebildet worden oder sie hätte mit ihrer Taschenlampe mit Licht malen können. Doch das konnte sie vergessen und mit ihrem Asbach uralt 5.6er-Objektiv würde sie keine Nachtaufnahmen schießen können. Die Linse war nicht mal lichtstark genug, um Bilder bei Flutlicht zu machen. »Mist.«

      »Der Typ sieht genauso aus wie ich mir Christian Grey vorstelle«, sagte Maria, die mittlerweile um den Tresen herumgelaufen war und jetzt über Olivias Schulter auf die Zeitung blickte.

      »Woher weißt du, wer Christian Grey ist? Du bist erst vierzehn.«

      Maria schnaubte und verdrehte die Augen. »Klar doch, und ich glaube immer noch, dass die Babys von Störchen gebracht werden. Hallo? Shades of Grey ist doch Ringelpilz mit Anfassen. Du solltest mal Hundred Shadows of Night lesen. Da geht es richtig zur Sache, dagegen kann Christian mit dem läppischen Popoversohlen einpacken.«

      »Maria!«, zischte Olivia. »Du wirst aufhören, diesen Quatsch zu lesen.«

      »Sonst was? Verpetzt du mich an Mum? Dann sage ich ihr, was du letztes Jahr mit Rob von nebenan getan hast.«

      »Das wirst du nicht …«

      Maria formte einen Kussmund, umschlang sich selbst mit den Armen und verstellte ihre Stimme. »Oh Rob, das ist so schön. Ja, fass mich hier an, nein dort nicht, oh … ah …

      »So war das überhaupt nicht …«

      Maria ließ eine weitere Blase platzen, bückte sich, um den Hollister-Katalog wieder aus der Papiertonne zu fischen und warf dabei den Müll der letzten Tage auf den Boden. »Ups«, sagte sie, sah allerdings kein bisschen reumütig aus. Olivia wollte nach ihr greifen, doch die kleine Ratte stob davon und ihre Hand griff ins Leere.

      »Mistkröte«, rief sie ihr nach. »Hoffentlich erstickst du an deinem Kaugummi.«

      »Werde ich nicht«, rief ihre Schwester zurück.

      Olivia ließ sich zurück auf den Barhocker sinken und betrachtete noch einmal die Ausschreibung. Zehntausend Dollar. Und keine Chance sie zu gewinnen. Denn dazu bräuchte sie wenigstens ein 1.4er-Objektiv oder ein 1.8er. Dazu die Kamera aus der Redaktion … das könnte sogar funktionieren. Sie würde das Rauschen als Kunstmittel einsetzen. Dank der Offenblende könnte sie die Zeit kürzer stellen und müsste eben nicht auf eine Langzeitbelichtung zurückgreifen. Die Frage war, woher sie mal eben dreihundert Dollar bekommen sollte, denn das kostete das 1.8er. Sie hatte es erst letzte Woche im Schaufenster bei Ed bewundert. Und das 1.4er kostet über das Doppelte …

      Mit einem Seufzen knüllte sie die Zeitung zusammen und glitt vom Hocker. Sie stopfte alles, was Maria rausgeworfen hatte, wieder in den Papiermüll – den würde sie dann auch heute Abend leeren, während sie kein Gewitter fotografierte – und fluchte vor sich hin. Zehntausend Dollar. Davon könnte sie sich die neue Nikon kaufen, die große, die nächsten Monat rauskommen würde, und dazu eine richtig gute Festbrennweite. Das 4.0, 200 Millimeter vielleicht. Das Bokeh der Linse war ein Traum. Ed hatte sie mal damit ein paar Fotos schießen lassen. »Nur anfassen, nicht mitnehmen«, hatte er gewitzelt.

      Olivia tippte mit den Fingern auf dem Tresen herum, bückte sich, um die Zeitung noch mal aus dem Müll zu holen. Sie blätterte die Seite mit der Anzeige für den Wettbewerb ein weiteres Mal auf und riss sie heraus. Sie musste einfach eine Möglichkeit finden, um daran teilzunehmen. Koste es, was es wolle.

      *

      Ein Dienstag

      Als Olivia am nächsten Morgen vor der Galerie stand, um sich noch vor Schulbeginn für den Wettbewerb einzutragen, traute sie ihren Augen kaum.

      Eine Menschentraube hatte sich auf der Straße vor der Galerie versammelt. Die konnten doch nicht alle für den Wettbewerb da sein, oder doch? Olivia ging näher. Der Wagen von Sheriff Bruker parkte mitten auf dem Gehsteig. Olivia verdrehte die Augen. Diesen Nichtsnutz Bruker konnte sie am frühen Morgen so wenig ertragen wie Marias aufgedrehte Tanzmucke.

      Die Passanten tuschelten miteinander, deuteten auf das zerbrochene Schaufenster oder reckten die Köpfe, um über den Polizeiwagen hinweg ins Innere der Galerie blicken zu können.

      »Was ist denn hier los?«, fragte Olivia eine ältere Dame, die mit ihrem Rollator am Bordstein wartete und dem Treiben zusah.

      »Heute Nacht wurde in der Galerie eingebrochen. Die haben die Scheiben eingeschlagen und die Bilder mit Blut beschmiert. Ekelhaft.« Die alte Frau blicke Olivia nicht mal an, während sie sprach. »Ich wusste immer, dass das nicht gut endet mit dieser Frau. Ich wusste es! Aber auf mich will ja keiner hören.«

      Oh nein, bitte nicht, dachte Olivia, ließ die Alte stehen und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Wieso brach jemand in die Galerie ein und verwüstete alles? Wieso gerade heute? Und was bedeutete das für den Wettbewerb?

      Sie hatte die Nacht über fast kein Auge zugetan, weil sie fieberhaft überlegte, wie sie das Geld auftreiben konnte, um ein neues Objektiv zu besorgen. Ganz kurz hatte sie sogar mit dem Gedanken gespielt, Danielle um das Geld zu bitten, es aber sofort wieder verworfen. Es musste noch eine andere Möglichkeit geben.

      Mittlerweile hatte Olivia sich durch die Menschentraube gekämpft und sah das Ausmaß der Verwüstung.

      Die große Fensterwand zur Straße war mit


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