Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.
umher, Handwerker bauten ein Holzpodest auf. Es wurde gehämmert, gebohrt und geplaudert.
»Was ist denn hier los?«
»Ein Event«, sagte der Alte und nickte freudig. »Die bauen eine Bühne.«
»Und für was?«
»Für die Beatles! Sie werden ein Konzert geben.«
»Aber die Beatles gibt es doch gar nicht …« Danielle blickte zu dem Opi. Er wippte mit den Schultern hin und her, als würde bereits die Musik laufen und fing an lauthals »Let it be« zu singen. »John Lennon ist der Größte!«
»John Lennon ist …«
«Let it be, let it beeeee …”
Danielle schüttelte den Kopf. »Dann mal viel Spaß mit den Beatles.« Sie lief weiter. Der Alte grölte noch eine Weile vor sich hin, wobei er immer wieder die erste Strophe wiederholte. Danielle passierte das Foyer und schrieb noch rasch eine SMS an ihre Mum, damit sie wusste, dass alles okay war.
»Hi, Danielle!«, rief jemand.
Sie blickte auf. »Hi, Phil. Alles klar?«
Der Pfleger kam gerade aus einem Flur gelaufen. Seit Mischa Blackwood wegen Drogenkonsums während der Arbeit suspendiert worden war, war Phil als neuer Pfleger für ihre Gran eingeteilt. Der junge Kerl mit den Sommersprossen und den roten Haaren war Danielle eindeutig sympathischer. Allein schon wegen seines irischen Akzents, wobei Danielle glaubte, dass er den nur fakte. Unter dem Arm trug er eine Ein-Meter-Holzplatte, die in rotem Samt eingewickelt war.
»Klaro, haben einiges zu tun.«
»Das stimmt. Was ist eigentlich los? Und erzähle mir nicht, Paul McCartney sitzt im Büro des Heimleiters und bespricht gerade seine Gage.«
»Hat dir das der alte Arthur erzählt? Dem darfst du kein Wort glauben. Letzte Woche hat er behauptet, er hätte einen Außerirdischen an der Eiche draußen hängen sehen.«
»Ich dachte mir schon, dass das nicht stimmt, aber was soll der Trubel?«
»Wir bereiten eine Gedenkfeier für den Direktor der alten Schule vor, Henry Snyder. Er hat sich heute Nacht erhängt. Wundert mich gar nicht, er hatte auf seine letzten Tage ziemliche Schmerzen. Wurde vom Krebs förmlich aufgefressen.«
»Oh. Das tut mir leid.« Danielle hatte den Mann zwar nicht gekannt, aber die Vorstellung, wie jemand von seinen eigenen Zellen von innen heraus zerstört wurde, trieb ihr die Gänsehaut auf die Arme.
»Und weil er so eine Berühmtheit war und schon ewig hier lag, veranstalten wir eine kleine Gedenkfeier. Wir stellen alte Bilder von ihm aus, der Heimleiter wird ein paar Worte über ihn verlieren und es gibt gegrillte Würstchen. Du bist natürlich herzlich eingeladen zu kommen.«
»Das ist nett, aber ich weiß nicht, ob ich kann.«
»Komm einfach, wenn es passt.«
»Mache ich. Wie geht es Gran eigentlich? Alles gut mit ihr?«
»Sehr gut sogar. Ich achte darauf, dass sie die richtigen Pillen einnimmt.«
Danielle legte eine Hand auf seine Schulter. »Danke dir. Ich muss weiter. Man sieht sich.«
»Ja.« Phil drehte um, dabei verrutschte das Samttuch, das um die Holzplatte gewickelt war. Ein lebensgroßes Foto eines Mannes kam zum Vorschein. Er war mittelgroß und schmächtig. Die Art von Mann, die einem nicht im Gedächtnis blieb. Ein Allerweltsgesicht. Er trug einen Anzug und posierte mit einem Lächeln neben einem Pokal aus Silber.
»Ist das der Direktor?«, fragte Danielle und betrachtete das Bild genauer.
»Oh ja. Warte.« Phil zog den Rest des Tuches herunter.
Der Direktor stand vor einem blauen Vorhang auf einer Bühne. Das Bild war eindeutig gestellt worden, so verkrampft wie er in die Kamera lächelte. Danielle betrachtete es lange. Irgendetwas kam ihr daran bekannt vor, doch sie konnte beim besten Willen nicht sagen was.
»Das ist an dem Abend vor dem Mord aufgenommen worden«, sagte Phil.
»Dem Mord?«
Phil nickte und beugte sich näher zu ihr. »Dem Marietta-King-Mord. Der ging damals durch alle Medien, aber du bist zu jung, um davon zu wissen.«
Ach, und Phil war gerade mal fünf Jahre älter als sie. »Erzähl mir mehr davon.« Natürlich wusste Danielle von dem King-Mord. Immerhin hatte sie unlängst mit Randy, Olivia und Mason einen geheimen Raum gefunden, in dem alle Unterlagen zu dem Fall von Billy Tarnowski zusammengesucht worden waren. Zudem waren Masons Vater Jamie und Danielles Mum Shannon Freunde von Marietta und ein Paar gewesen. Ein Fakt, den Danielle immer noch nicht so recht verdaut hatte. Sie konnte sich die beiden beim besten Willen nicht miteinander vorstellen.
»Also, die Bilder vom Shooting sollten am nächsten Tag in der Zeitung erscheinen«, erzählte Phil weiter. »Die Schule plante nämlich einen Wettbewerb, bei dem auch Schüler anderer Städte eingeladen waren. Mit jeder Menge Presse und so. Es sollte eine Art Jeopardy werden. Kennst du Jeopardy?«
»Die Quizshow, in der man die Antwort als Frage formulieren muss.«
»Genau. Sie wollten eine Jeopardyshow in der Schule ausrichten, aber dazu kam es nicht, wegen des Mordes an Marietta King. Die ganze Veranstaltung wurde abgesagt. Möchte nicht wissen, was das gekostet hat. Das Bild hier ist aus dem Archiv von damals. Es wurde nie veröffentlicht. Heute quasi das erste Mal.«
»Ist ja interessant. Dürfte ich das fotografieren?«, fragte sie. »Meine Mum ging damals auf die Schule, als Snyder noch Direktor war. Sie wird sich sicherlich dafür interessieren, dass er tot ist.«
»Klar doch.« Phil richtete das Bild auf, damit es gerade stand.
Danielle zog ihr iPhone aus der Tasche und knipste zwei Bilder. Sie würde es den Jungs und Olivia zeigen. Wenn dieses Foto am Abend von Mariettas Tod aufgenommen worden war, war es ein weiteres Puzzlestück in dem Rätsel. Danielle checkte, ob die Bilder etwas geworden waren und steckte das iPhone wieder ein. »Danke.«
»Gerne«, sagte er und zog den Samtbezug wieder über das Foto. »Bis später dann. Wir sehen uns.«
Sie verabschiedete sich von Phil und lief weiter zum Zimmer ihrer Gran. Gerade wollte sie an die Tür klopfen, als ihr Handy pfiff. Der Signalton, wenn Mum ihr eine SMS schickte. Danielle blickte kurz drauf: »Wir sind morgen Abend auf der Gedenkfeier von Henry Snyder eingeladen. Dein Vater möchte, dass du dir noch etwas Passendes zum Anziehen besorgst. Dezent und schwarz.«
Das war’s. Kein: Hab dich lieb, kein: Wie geht’? Nur ein: Tu dies, tu das, stell keine Fragen. Danielle hatte absolut keinen Bock auf eine weitere langweilige Veranstaltung, bei der sie die Vorbildtochter mimen musste. Mit einem Seufzen schaltete sie das Handy ab und klopfte an die Tür von Gran.
»Hi, Gran«, sagte sie.
»Kindchen! Schön, dass du da bist.«
Danielle trat ein und musterte ihre Großmutter. Sie sah blass aus und ihre Hände zitterten leicht. »Geht es dir gut, Gran?«
»Ja, ich bin nur etwas müde. Ich habe die halbe Nacht nicht geschlafen, weil mein Nachbar so viel Lärm gemacht hat und heute bohren und hämmern sie schon den ganzen Tag.«
»Sie bauen eine Bühne auf.«
»Das habe ich gehört. Angeblich kommen die Beatles.«
Danielle lachte. »Das sind nur Gerüchte, Gran. Wie wäre es, sollen wir ein bisschen in den Garten? Heute ist ein herrlicher Tag.«
»Nur, wenn wir am Eisstand vorbei können.«
»Einverstanden. Du stehst Schmiere, ich besorge das Eis.« Wenn Dr. Silverman, der behandelnde Arzt ihrer Gran, erfuhr, dass ihre Großmutter schon wieder naschte, würden sie Ärger bekommen. Hier mussten sie taktisch klug vorgehen.
»Perfekter Plan«, sagte Gran und grinste