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Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.

Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King - Andreas Suchanek


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»Aye, Aye, Captain.« Er lief zu einem Wandschrank und öffnete ihn. Drinnen lagen Steinschleudern in verschiedenen Größen und Tupperdosen mit Steinen in allen möglichen Formen und Farben. Luka öffnete die Tür weiter und Randy stockte. An der Innenseite klebte ein Plakat.

      »Das habe ich doch schon mal gesehen«, sagte er und stand auf. Das Bild zeigte einen Mann, der in einem Netz lag, wie es Trapezkünstler verwendeten. Er grinste übers ganze Gesicht, hatte Arme und Beine weit von sich gestreckt und wirkte so selig, als hätte er soeben den Sprung seines Lebens geschafft. Das gleiche Bild hatte Randy bei Billys Unterlagen gefunden. Daneben hatte Billy mit per Hand geschrieben: »Was ist mit Marek? Verbindung zu Marietta?«

      Olivia stand ebenfalls auf, um sich das Bild genauer zu betrachten.

      »Das ist mein Cousin Marek Cherkov«, sagte Dorian. »Das Bild ist von einer Generalprobe. Er hatte mit seinen Brüdern Viktor und Finn gerade eine neue Nummer einstudiert und wollte sie am nächsten Abend vorführen, aber dazu kam es nicht mehr. Er verschwand in der Nacht zuvor und kehrte nie zurück.«

      »Oha, warum das?«, fragte Randy.

      »Das weiß niemand so genau. Angeblich soll er ein junges Mädchen geschwängert haben, das einige Monate später getötet wurde.«

      Randy schluckte. »Weißt du zufällig, wie das Mädchen hieß?«

      »Marietta«, sagte Luka schnell. »Marietta King.«

      Olivia und Randy zuckten gleichzeitig zusammen.

      »Sie soll wunderschön gewesen sein«, fuhr Luka fort. »Ein braunhaariger Engel mit Flügeln. Sie hat Marek erst entführt und ist dann selbst ins Feenreich gegangen, um für immer bei ihm zu sein.«

      »Du musst aufhören, dir all diese Fantasybücher reinzuziehen, Luka«, sagte Dorian. »Marietta war natürlich kein Engel und Marek ist nicht in irgendeinem Feenreich.«

      »Aber Marietta war von Marek schwanger gewesen?«, fragte Randy.

      »Schwanger war sie wohl, aber sicher nicht von Marek. Er hatte als Kind die Röteln gehabt und konnte keine Kinder mehr zeugen. Das sagt zumindest Tante Loretta, und als seine Mutter wird sie es wissen.«

      »Marietta King war schwanger«, wiederholte Olivia. »Da sieh mal einer an. Wann genau ist das gewesen?«

      Dorian tippte sich ans Kinn. »Lass mal überlegen … das müsste im Sommer 84 gewesen sein.«

      »Was wurde aus dem Kind?«

      »Keine Ahnung. Ich kenne ja nur die Geschichten von damals aus den Erzählungen.« Dorian betrachtete noch einmal das Bild von Marek und seufzte.

      »Könnten wir eventuell mit deiner Tante reden?«, fragte Randy. Vielleicht könnten sie von ihr noch ein paar brauchbare Informationen über Marietta bekommen.

      »Sie ist nicht da. Sie ist ins Gefängnis gefahren, um ihre beiden Söhne zu besuchen. Da nimmt sie sich immer ein Hotel für eine Nacht und kommt erst am nächsten Morgen zurück.«

      »Gefängnis? Das ist ja … furchtbar.« Ein Sohn spurlos verschwunden, zwei andere im Knast. »Die arme Frau.«

      »Ja. Tante Loretta hat damals in einer Woche drei Söhne verloren. Erst ist Marek verschwunden, dann wurden seine Brüder kurz darauf wegen Einbruchs mit Totschlag verhaftet. Nachdem die beiden ihre Haftstrafe abgesessen hatten, überfielen sie einen Lebensmittelladen und verletzten den Inhaber schwer. Sie landeten wieder im Bau und wir hocken immer noch hier fest, während die anderen Zirkusleute weitergezogen sind. Tante Loretta bringt es nicht übers Herz, meine Cousins zu verlassen, egal, was sie angestellt haben.«

      »Wahnsinn. Ihr wohnt hier seit knapp dreißig Jahren, weil eure Tante nicht weg will?«

      »Wir sind eine Familie. Wir halten zusammen.«

      Beneidenswert, dachte Randy. Er liebte seine Tante über alles, aber sie konnte nicht seine Eltern ersetzen und manchmal sehnte sich Randy einfach nach einem harmonischen Familienleben.

      »Wenn es euch besser geht, bringen wir euch gerne zurück«, sagte Dorian. »Wir werden es vor dem Regen schaffen.«

      Olivia blickte zum Fenster hinaus. »Das wäre toll, denn die Sonne geht auch bald auf und wir beide müssen in die Schule.«

      »Außerdem haben wir eine Verabredung mit diesem Archer, falls du dich erinnerst«, sagte Randy.

      »Den Wettbewerb kann ich mir eh in die Haare schmieren. Selbst wenn wir den Fall lösen, habe ich keine Bilder, mit denen ich daran teilnehmen kann.«

      »Willst du ihm absagen?«

      Olivia zuckte die Schultern. Sie wirkte so verloren und verletzlich, dass Randy sie am liebsten in den Arm genommen hätte.

      »Lass uns das später entscheiden, okay?«, sagte er stattdessen und gähnte herzhaft. Vielleicht konnte er sich wenigstens ein paar Stunden aufs Ohr hauen. Auf der anderen Seite hatte er als erstes Fach Geschichte bei Mr. Kelso. Die perfekte Gelegenheit, um etwas Schlaf nachzuholen. Da musste dieses Mal ausnahmsweise Mason alles notieren.

      *

      Freitagmittag, 14 Uhr

      Olivia lief am Straßenrand auf und ab und kaute auf ihrer Unterlippe. Das Smartphone hielt sie fest umklammert und starrte alle paar Minuten aufs Display. Sie hatte es nicht fertig gebracht, das Treffen abzusagen, auch wenn sie kurz davor gewesen war. Sie hatte zigmal das Smartphone gezückt und die Nummer aufgerufen, doch letztendlich nicht gewählt. So stand sie hier und wartete. Archer verspätete sich bereits um zehn Minuten. Noch fünf und er hätte die obligatorische Viertelstunde überschritten. Wie lange sollte sie auf ihn warten? Welche Zeitspanne war angemessen? Würde er überhaupt kommen? Olivia blies frustriert die Luft zwischen den Zähnen durch. Sie hatte Kopfschmerzen und war übermüdet. Nachdem sie erst Randy abgeliefert hatte und dann nach Hause gekommen war, hatten alle zum Glück tief und fest geschlafen. Auf dem Tresen hatte ein Zettel geklebt. Von ihrer Mum:

      Olivia, Dein Vater ist wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden. Wir sind früh zu Bett. Bitte sei leise, wenn du kommst. Er braucht seinen Schlaf. Im Kühlschrank sind noch Burritos, falls du Hunger hast. Tequiero, Mamá.

      Olivia war nach oben geschlichen, hatte eine Wanne eingelassen und sich zwei Stunden hineingelegt. Vermutlich würde sie Ärger wegen der Wasserrechnung bekommen, aber sie musste den Dreck der Nacht von sich waschen.

      Nach einem unruhigen Zwei-Stunden-Schlaf war sie schließlich aufgestanden, hatte sich Aspirin eingeworfen und war zur Schule gefahren. Noch nie war ihr der Unterricht so zäh und überflüssig vorgekommen wie heute. Sie hatte die anderen nur kurz gesprochen. Sie hatten sich alle für den späteren Nachmittag im Geheimraum verabredet. Vorausgesetzt, Olivia würde nicht im Stehen einschlafen.

      Sie sah erneut auf die Uhr ihres Smartphones. Achtzehn Minuten Verspätung. Und vorausgesetzt, ich warte hier nicht noch zwei Stunden auf Archer. Olivia schüttelte den Kopf, nahm ihre Handtasche von der Schulter und suchte nach den Aspirin und der Flasche Wasser, die sie sich eingepackt hatte. Sie spülte gerade die Tabletten hinunter, als ein schwarzer Porsche 911 mit getönten Scheiben vor der Galerie einbog. Olivia stockte. Was für eine grässliche Angeberkarre. Sie hatte Porsche noch nie etwas abgewinnen können und das nicht nur, weil ihr Vermieter einen fuhr. Die Fahrertür ging auf und Archer stieg aus.

      Bedauerlicherweise sah er, wie am Tag zuvor, einfach umwerfend aus. Bedauerlich deshalb, weil Olivia für einen Moment sogar ihren Zorn über seine Verspätung vergaß, dabei hasste sie nichts mehr als unzuverlässige Menschen. Archer trug ein weißes Hemd und helle Jeans, die bestimmt extra für ihn geschneidert worden waren, so perfekt wie sie saßen. Sie hatten Flicken und Löcher an den Taschen und am Knie. Sicherlich waren auch diese extra angefertigt worden. Olivia konnte sich nicht vorstellen, dass er seine Jeans derart verschliss. Er fuhr sich durch die braunen Haare und blickte zu ihr. Seine Augen waren hinter einer dunklen


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