Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.
wie ein Spielzeugmännchen, das man x-beliebig weiterreichen konnte.
Das Quietschen von Reifen ließ ihn aufblicken. Auf dem sandigen Parkplatz bremste ein ramponierter schlammgrüner Dodge. Eine Staubwolke waberte hoch und hüllte den Wagen ein. Die Fahrertür ging auf und Olivia stieg aus. Chris lächelte. Sie sah zum Anknabbern aus. Heute trug sie ein Sommerkleid in einem hellen Grün. Ihre Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, an ihren Ohren baumelten zwei große silberne Kreolen, passend dazu trug sie ebenso silberne Armreife, die aneinander klimperten, als sie die Autotür schloss. Ob sie auch nur den Hauch einer Ahnung hatte, wie gut sie aussah? Chris musste sie unbedingt fotografieren. Seit ihrem ersten Zusammentreffen überlegte er bereits, in welchen Posen und Lichtstimmungen er sie knipsen könnte. Am liebsten nach einer stürmischen Nacht, eingehüllt in meine Bettdecke.
»Guten Morgen«, sagte er, stieß sich vom Stamm der Eiche ab und nahm die zwei Becher Kaffee mit, die er auf einem Tisch neben dem Baum abgestellt hatte.
»Olà«, rief sie fröhlich zurück. Das Telefonat gestern Abend hatte die anfänglichen Schwierigkeiten komplett beseitigt. Chris hatte sich noch nie so lange – immerhin drei Stunden – und so gut mit einer Frau unterhalten. Sie hatten übers Fotografieren, über das Leben, über ihre Hoffnungen und Wünsche geplaudert. Dabei hatten sie zwar das Thema Geld vermieden, aber Chris war durchaus klar, dass Olivia aus ärmlichen Verhältnissen stammte. Vor allem, weil er noch nach dem Gespräch nach ihr gegoogelt hatte und so ihre Adresse erfuhr. Sie wohnte in den Favelas, dem Armenviertel von Barrington Cove.
Olivia blieb vor ihm stehen und lächelte. Sie roch ganz dezent nach Kokos. Er liebte es, wenn Frauen sich nicht stark parfümierten. Chris erwiderte ihr Lächeln. Für einen Moment waren sie beide wie erstarrt, weil keiner wusste, wie sie sich begrüßen sollten. Mit einer Umarmung, mit einem Kuss rechts und links auf die Wange – oder gar auf den Mund? Nein, dafür war es noch viel zu früh. Olivia steckte eine Strähne hinters Ohr, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte, und deutete auf den Kaffee. »Es war klug von dir, heute ein dunkles Hemd anzuziehen. Falls der wieder auf dir landet, sieht man den Fleck wenigstens nicht.«
»Ja, ich bin auf alles vorbereitet.« Er reichte ihr einen Becher.
Ihre Finger streiften über seine, als sie den Becher entgegen nahm, und ein wohliger Schauer lief ihm den Rücken hinab. Chris musste sich eingestehen, dass er sich schon lange nicht mehr von einer Frau derart angezogen gefühlt hatte. Es machte ihn bereits jetzt traurig, dass sie bald wieder abreisen würden. Nach seiner Erfahrung funktionierten Beziehungen auf Distanz nie länger als ein paar Monate. Schon gar nicht, wenn es noch gar keine richtige Beziehung gab.
»Sollen wir so vorgehen, wie wir es gestern besprochen haben?«, fragte Olivia. »Wir sagen, dass Rebecca uns geschickt hat, um mit ihr Frieden zu schließen?«
»Würde ich schon sagen.«
»Was, wenn sie das nachprüft?«
»Dann werde ich mit Rebecca reden und ihr wiederum eine Geschichte auftischen. Ich biege das schon hin, aber so erfahren wir vielleicht, warum Mrs. Granger so einen Hass auf Rebecca hat.«
Sie überquerten den Parkplatz und liefen zu dem alten Herrenhaus. Es lag sehr idyllisch zwischen alten Bäumen. Der Garten zeigte hinaus aufs Meer. Dort waren etliche Bänke und Sofas aufgestellt. Einige Patienten saßen draußen, genossen die Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht oder unterhielten sich miteinander. Ein älterer Gärtner mit bereits grauen Haaren schnitt Rosenbüsche vor dem Eingang.
»Entschuldigen Sie«, sagte Chris.
Der Gärtner blickte auf, musterte die beiden von oben bis unten und wartete.
»Wir würden gerne zu Evelyn Granger, ist sie da?«
»Haben Sie einen Termin?«, fragte der Alte.
»Leider nicht.«
Der Gärtner nickte und zeigte auf einen Weg, der um das Haus herumführte. »Um diese Zeit sitzt sie meistens im hinteren Garten und spielt Schach. Einfach dem Pfad folgen.«
»Danke«, sagte Chris, griff nach Olivias Hand und umrundete mit ihr das Haus. Ihre Finger fuhren über seinen Handrücken. Es war ein angenehmes, warmes Gefühl. Daran könnte er sich gewöhnen.
»Denkst du, sie erzählt uns, was zwischen ihr und Rebecca vorgefallen ist?«
»Keine Ahnung, aber einen Versuch ist es allemal wert.«
Der Weg war nicht breit genug für zwei Personen nebeneinander, und so ließ er Olivia den Vortritt. Nicht ganz uneigennützig, denn wenn er hinter ihr lief, konnte er ihren knackigen Po bewundern. Sie erreichten den Garten, und wie der Gärtner gesagt hatte, saß eine Frau am Schachbrett und spielte mit einem älteren Mann.
»Mrs. Granger?«, fragte Chris.
Die Frau blickte auf und schob sich ihre Brille zurecht. Sie war schätzungsweise Mitte fünfzig, hatte ein rundes, freundliches Gesicht mit vielen Lachfalten. Ihre Haare hatte sie zu einem kunstvollen Zopf gebunden, bei dem einige Strähnen herausstanden. Chris fand sie auf Anhieb sympathisch.
»Ja?«, fragte sie.
»Entschuldigen Sie bitte die Störung. Das ist Olivia Young, mein Name ist Chris Archer. Wir kommen im Auftrag von Rebecca Reach.«
Das Lachen erlosch in der Sekunde, als Chris Rebeccas Namen aussprach.
»Dann könnt ihr gleich wieder gehen.«
Chris trat einen Schritt nach vorne. »Mrs. Granger, Rebecca war es sehr wichtig, dass wir mit Ihnen sprechen. Sie möchte Ihnen ein Angebot machen.«
»Warum kommt sie dann nicht persönlich, sondern sendet ihre Dienstboten?«
»Weil sie im Moment wegen der Galerie sehr viel um die Ohren hat. Sie bat uns, Ihnen eine Nachricht zukommen zu lassen.«
Mrs. Granger kniff die Augenbraue zusammen, bis sie einander fast berührten. »Ich will sie nicht hören.«
Chris ließ sich nicht beirren, er machte seit Jahren nichts anderes, als irgendwelchen Menschen irgendwelche Dinge zu erzählen, die sie eigentlich nicht hören wollten. »Rebecca möchte Ihnen ein Friedensangebot machen. Sie will die Ausstellung und den Wettbewerb nach wie vor ausrichten und fragt, ob sie es nicht doch hier bei Ihnen im Hospiz …«
Jetzt sprang Mrs. Granger vom Stuhl auf. Er kippte nach hinten um, weil sie zu viel Schwung genommen hatte. »Das ist mal wieder typisch Rebecca! Wenn sie Probleme hat, bin ich gut genug, um ihr aus der Patsche zu helfen, aber sonst schert sie sich einen Dreck um mich oder meine Arbeit.«
Chris hob die Hände, um Mrs. Granger zu beruhigen. »Natürlich ist sie daran interessiert, dass diese Ausstellung für Ihr Hospiz ein voller Erfolg wird.«
»Das hätte sie sich vorher überlegen können, statt mir in letzter Minute abzusagen!«
»Mrs. Granger«, sagte Olivia und trat nach vorne. »Wir wissen nicht, was zwischen Ihnen und Mrs. Reach vorgefallen ist und es muss offenkundig etwas Schlimmes gewesen sein, denn Sie sind ja völlig aufgelöst. Könnten wir uns vielleicht erst einmal hinsetzen und in Ruhe über alles sprechen?«
Mrs. Granger presste die Lippen aufeinander und fixierte irgendeinen Punkt hinter ihnen. Vermutlich dachte sie über ihre Optionen nach: reden oder die beiden Teenies gleich vor die Tür setzen. Sie sah wieder zurück und ihre Miene wurde ernst. »Rebecca und ich sind Geschichte. Was auch immer sie mir zu sagen hat oder was sie glaubt, für mich tun zu können, will ich nicht hören. Jetzt geht bitte.«
»Das Geld, das mit der Ausstellung eingenommen wird, würde direkt in Ihr …«, versuchte es Chris ein letztes Mal.
»Raus!«, blaffte Mrs. Granger und zeigte mit zitterndem Finger in die Richtung, aus der Chris und Olivia gekommen waren. Chris sah aus dem Augenwinkel, wie Olivia zuckte.
»Bitte, Ma’am …«
»Das ist Privatgrund«, zeterte Mrs. Granger weiter.
»Aber