Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King. Andreas SuchanekЧитать онлайн книгу.
vor dem Eiskaffee. Die Gäste blickten auf, um den Wagen und den darin sitzenden Jungen zu bewundern. Olivia lächelte. Chris sah zu ihr herüber, grinste und stieg aus dem Wagen aus. Er sah mal wieder unfassbar gut aus. Heute trug er ein luftiges T-Shirt, das bei jeder Bewegung seinen Oberkörper umschmeichelte und Olivia vage vermuten ließ, was für Muskeln sich unter dem Stoff befanden. Seine Jeans war in einem dunklen Blau, saß aber genauso perfekt wie die gestrige.
»Hallo, schöne Frau«, sagte Chris, schob die Sonnenbrille – diesmal eine Gucci – ins Haar und beugte sich nach vorne, um sie auf die Stirn zu küssen. »Geht es dir gut?«
»Ja«, sagte Olivia, obwohl es nicht stimmte. Ihr ging es beschissen. Am Montag musste sie Mr. Cohen irgendwie die fällige Miete zahlen und sie hatte keine Ahnung, wie sie das machen sollte. Außerdem musste sie in der Redaktion anrufen und ihnen begreiflich machen, was mit ihrer Kamera passiert war. Vielleicht konnte Olivia die wenigstens abstottern. Und wegen der Miete hatte sie sich tatsächlich schon überlegt, ob sie Danielle anhauen sollte. Doch allein der Gedanke war ihr zuwider. Olivia wollte sie nicht ausnutzen, nur weil sie reich war. »Und dir? Wie geht es dir?«
»Okay«, sagte Chris und setzte sich neben sie. Olivia entging nicht, dass alle weiblichen Gäste im Café zu ihr blickten. Sollen sie ruhig, der Typ gehört mir.
»Wir werden morgen wieder abreisen. Lucian muss zurück nach New York, die nächsten Aufträge warten.«
»Oh, morgen schon.«
»Ja, da die Ausstellung leider geplatzt ist, müssen wir nicht länger unsere Zeit vertrödeln … seine Worte, nicht meine. Ich würde liebend gerne hier noch etwas rumtrödeln.«
Eine Bedienung kam, um Chris’ Bestellung aufzunehmen. »Einen Kaffee, bitte. Schwarz.«
Olivia nippte an ihrem Dr. Pepper und sah auf den Ferrari. Das Ding ging sicherlich ab wie der Teufel, wenn man es richtig fuhr.
»Magst du nachher ans Steuer?«, fragte Chris, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
»Machst du Witze? Ich würde dafür sterben.«
»Das musst du nicht, ein Kuss würde mir zum Beispiel vollkommen genügen.«
Olivia blickte zu ihm hinüber und lächelte. »Das lässt sich einrichten.« Vielleicht durfte er auch etwas mehr als nur küssen, sie würde es sich noch überlegen. »Wo hast du eigentlich die Autos immer her? Erst einen Porsche, dann einen Ferrari.«
»Ich bestelle sie für Lucian vor. Wir mieten sie in jeder Stadt neu.«
»Autovermietung de luxe.«
»Sozusagen. Er mag es eben pompös. Ich bräuchte die Karren nicht unbedingt. Ach, ganz wichtig, bevor ich es vergesse!« Chris sprang vom Stuhl auf und rannte zurück zum Wagen. Er nahm einen braunen Umschlag vom Beifahrersitz, ähnlich dem, den Randy ihr in der Galerie gereicht hatte. Bestimmt will er mir meine Bilder zurückgeben. Er wollte sie ja Lucian zeigen, vielleicht fand er sie so schlimm, dass er sie erst gar nicht angeschaut hatte. Chris kam wieder und legte den Umschlag vor ihr auf den Tisch. »Hier.«
»Sind das meine Fotos?«
»Nicht direkt. Mach auf.«
Olivia wischte sich die Hände an ihrem Rock trocken und öffnete den Umschlag. Darin war ein Scheck. Sie zog ihn heraus und hätte ihn vor Schreck fast wieder fallen lassen. »Um Gottes Willen!«, schrie sie. Die Gäste blickten zu ihr. Sie schlug die Hand vor den Mund.
»Das ist deine Bezahlung. Lucian war total begeistert von den Bildern. Er möchte sie gerne kaufen.«
»Für fünftausend Dollar?«
»Das ist nicht viel, ich weiß, aber …«
Bevor er weitersprechen konnte, beugte Olivia sich nach vorne und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Es war ein kurzer, unschuldiger Kuss, aber später könnten sie das ja weiter vertiefen. Die Kellnerin brachte den Kaffee.
Chris lächelte Olivia an, zog eine Zwanzig-Dollar-Note aus seiner Hosentasche und reichte sie der Bedienung. »Danke, aber ich denke, wir sind nicht mehr durstig.«
Olivia stand auf, den Scheck fest an sich gepresst, die andere Hand verwob sie mit Chris‘. Er lief mit ihr um den Wagen, öffnete die Fahrerseite und ließ sie einsteigen. Olivia wartete, bis er das Auto umrundet hatte, verwahrte den Scheck sicher in ihrer Handtasche, startete den Motor und ließ ihn aufheulen. Was für ein Geräusch.
»Halt dich fest, Archer, das wird ein heißer Ritt.«
Er lachte auf. »Bereit, wenn du es bist.«
Olivia trat das Gaspedal durch und düste los. Der Wind wehte in ihren Haaren und in ihrem Gesicht. Noch nie hatte sie sich so frei und losgelöst gefühlt. Vielleicht war das doch alles zu irgendetwas gut gewesen.
*
Epilog II – Neue Kontakte
Lucian saß, mit dem Handy am Ohr, auf dem Balkon seines Penthouses in New York und blickte auf den Big Apple. Er hatte die Füße hochgelegt und genehmigte sich den besten Scotch, den er besaß.
»Ich bin sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit«, sagte der Graf am anderen Ende der Leitung. »Den vermeintlichen Beweis aus der Überwachungskamera an der Straße vorzulegen, war sehr klug. Nur interessehalber, wie haben Sie das geschafft?«
»Das war gar nicht so schwer und wäre noch überzeugender gewesen, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten. Durch einige Kontakte konnte ich jemanden in der Verkehrszentrale bestechen, der das Band einschmuggelte. Wir haben es vorher natürlich entsprechend präpariert und den Einbruch einfach noch einmal nachgestellt. Es war zwar etwas schwer, einen ähnlichen Wagen wie den von Mrs. Granger zu finden, aber letztendlich ist mit genügend Geld alles möglich. Noch etwas Pimpen mit Photoshop und AfterEffects, und das Band sah täuschend echt aus. Ich bewege mich in einer Branche, die davon lebt, Dinge so darzustellen wie sie nicht sind. Eigentlich war es ein Heimspiel für mich.«
»Mit dem ich überaus zufrieden bin. Ich kann Männer mit solch einem Einfallsreichtum immer brauchen. Wenn Sie also Interesse daran hätten, den ein oder anderen Job für mich zu erledigen, wäre das auch für Sie von großem Nutzen.«
Lucian grinste und blickte in den Nachthimmel. Heute war Vollmond. Seine Lieblingszeit. »Ich werde darüber nachdenken. Und wegen Rebecca Reach sind wir uns auch einig.«
»Solange sie schön brav die vereinbarte Summe monatlich abdrückt, kann sie ihre kleine Galerie weiterleiten.«
»Sehr gut. Es hat mich gefreut, mit Ihnen Geschäfte zu machen, Graf.«
»Mich ebenso, Lucian. Mich ebenso. Wir hören wieder voneinander.«
Lucian legte auf und sah auf das dunkle Display. »Davon bin ich überzeugt, verehrter Graf.«
*
Epilog III – 1984
Harrisons Dad betrat als erster das Polizeirevier, dicht gefolgt von seinem Sohn, dann Billy, und die letzten waren Jamie und Shannon. Jamie zitterte am ganzen Körper, und das lag nicht am Regen, der sie auf dem Weg hierher durchnässt hatte. Neben ihm schluchzte Shannon. Seit Minuten schon brachte sie nichts anderes mehr fertig als zu wimmern, und er konnte es ihr nicht verübeln. Er hielt ihre Hand so fest, dass seine Finger taub waren. Sein Hemd klebte nass an seinem Rücken, seine Haare hingen in Strähnen in sein Gesicht, und seine rechte Schulter schmerzte höllisch von dem Sturz im Putzraum. Marietta war tot. Tot! Das war absolut unmöglich. Wie konnte sie tot sein? Bis vor ein paar Stunden noch hatte er mit ihr geplaudert, gescherzt, gelacht. Sie hatten sich überlegt, wie gut sie morgen im Test mit den Prüfungsfragen abschneiden würden, und jetzt war sie einfach nicht mehr da. Marietta war tot.
Harrisons Dad stand am Empfangstresen und redete mit einem jungen Officer. Jamie konnte nicht hören, was sie sagten, aber kurz darauf stand der Typ auf und deutete