Dr. Laurin Staffel 17 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
nichts. Ich habe kein Recht dazu«, sagte Eva leise, und dann wandte sie sich schnell ab und ging zu dem Kind. Sie machte sich auch ihre Gedanken. Was würde schmerzhafter für sie sein? Auf das Kind zu verzichten oder Constantin nicht mehr sehen zu dürfen? Sie fürchtete sich vor Charlottes misstrauischen Blick. Sie war nicht so ruhig, wie sie sich Constantin gegenüber zeigte.
Sie richtete die Räume festlich her. Constantin brachte Blumen in Fülle, aber keine Rosen. Nur eine wunderschöne dunkelrote Rose für sie, und ein goldenes Halskettchen mit einem Medaillon.
»Aber …«, begann sie stockend, doch er legte ihr den Finger auf den Mund. »Sag nichts, Eva, etwas von mir muss immer bei dir sein. Wie schwer der Weg auch sein wird, den wir gehen müssen – du bist das Beste in meinem Leben.«
Und dann küsste er sie zum ersten Mal, zart und doch innig, und sie erwiderte seinen Kuss.
*
Am nächsten Tag kamen sie. Charlotte, Jonas und Bettina. Es war eine schreckliche Heimfahrt gewesen, die sich in Charlottes Mienenspiel widerspiegelte. Bettina war eine Viertelstunde lang in euphorischer Stimmung gewesen, um dann ins Gegenteil umzuschlagen. Nie würde sie sich wieder einsperren lassen, hatte sie gewütet. Nichts hätte man ihr erlaubt. Nur gequält hätte man sie, und in Dr. Eckart hätte sie sich genauso getäuscht wie in Jon. Dann hatte sie Charlotte Vorwürfe gemacht, dass sie sich nicht um sie gekümmert hätte.
Nun war sie so erschöpft, dass sie sich für gar nichts interessierte. Sie sah die Blumen nicht, sie hatte kein Grußwort für Eva und schenkte dem Kind keinen Blick. Als Constantin sie ins Haus bringen wollte, stieß sie ihn zurück.
Jonas brachte sie in ihr Zimmer. Charlotte, einem Nervenzusammenbruch nahe, sank schluchzend in einen Sessel. Constantin wusste sich keinen anderen Rat mehr, als Dr. Laurin anzurufen. Der überließ es seinen Assistenzärzten, die Nachmittagsvisite in der Klinik zu machen.
Er war zutiefst erschrocken, als er Bettina sah, und noch mehr, als sie plötzlich ungereimtes Zeug daherredete.
»Nehmen Sie mir das Kind. Ich will es nicht haben. Ich will leben.« Ihr Aufbegehren ging in ein unverständliches Lallen über. Als er ihr dann eine Injektion verabreicht hatte, schlief sie ein. Dr. Laurin gab auch Charlotte ein Beruhigungsmittel. Eva brachte diese dann ins Gästezimmer, und dort legte sich Charlotte nieder.
Jonas sprach später offen mit Dr. Laurin. Dr. Eckart hätte Bettina als einen besonders schweren Fall bezeichnet, erklärte er.
»Er hat ihr abgeraten, die Kur zu unterbrechen, aber das hat sie besonders wütend gemacht. Durch ihren starken Zigarettenkonsum sind ihre Abwehrkräfte geschwächt. Und weil sie im Sanatorium keine Zigaretten bekommen hat und auch keinen Kaffee, weigerte sie sich zu bleiben. Wenn wir sie besuchten, war sie jedoch guter Dinge. Ich muss gestehen, dass ich Dr. Eckarts Warnungen in den Wind schlug, aber auf dieser Fahrt haben wir es erlebt, wie unberechenbar sie ist. Nun ist auch meine Frau, die sich gut erholt hatte, völlig fertig. Ich fürchte das Schlimmste, Dr. Laurin.«
Wie sollte er da noch trösten? »Vielleicht hat Bettina doch die gewohnte Umgebung gefehlt«, sagte er, »und auch das Kind. Man weiß ja nicht, was in ihr vorgeht.«
Bettina schlief bis zum nächsten Morgen, und dann schien sie wieder völlig verändert. Sie hatte alles vergessen, und niemand erinnerte sie daran.
»Jetzt bin ich wieder zu Hause«, sagte sie. »Eva soll mir einen guten Kaffee machen und Zigaretten bringen.«
»Es sind keine im Haus«, erwiderte Charlotte. »Du sollst auch nicht rauchen, Kleines.«
»Fang du jetzt nicht auch damit an. Wo ist Constantin?« Sie sagte nicht Conny, aber Charlotte, die noch immer erschöpft war, fiel das nicht auf.
»Im Büro«, erwiderte sie.
»Da siehst du mal, wie viel ich ihm wert bin, Mama. Er geht einfach.«
»Er muss doch Geld verdienen, Bettina«, sagte Charlotte.
Bettinas Augen verengten sich. »Wird Jonas knauserig?«, fragte sie.
»Nein, aber zwei Haushalte kosten viel Geld. Das musst du verstehen, Bettina.«
»Wenn ich mich scheiden lasse, kann ich bei euch leben, und Constantin kann sehen, wie er mit dem Kind zurechtkommt. Aber darüber reden wir später. Eva soll gehen und mir Zigaretten holen.«
Charlotte wagte keinen Widerspruch, als sie eine zornige Flamme in Bettinas Augen glimmen sah. Sie wünschte jetzt nur ihren Mann herbei, weil sie sich so machtlos fühlte.
»Eva muss doch das Kind versorgen«, flüsterte sie.
»Das kann ich auch«, erklärte Bettina.
Auch da wollte Charlotte nicht widersprechen. Sie rief Eva herein.
Bettina zeigte sich von ihrer liebenswürdigsten Seite. »Sie sind ja verlässlich, Eva«, sagte sie mit freundlichem Lächeln. »Besorgen Sie Hummer, Austern und Kaviar, und natürlich Zigaretten, wenngleich ich nicht verstehe, dass keine im Haus sind.«
»Es raucht niemand, Frau Hammilton«, erwiderte Eva mit erzwungener Ruhe.
»Ich rauche, genügt das nicht?« Bettinas Augen hatten wieder einen boshaften Ausdruck. »Und außerdem möchte ich meinen Hochzeitstag festlich begehen. So, wie ich es von früher gewöhnt bin.«
»Aber hier gibt es weder Hummer noch Austern«, wandte die Kinderschwester ein.
»Dann fahren Sie in die Stadt.«
»Das dauert Stunden, und Sandra muss doch versorgt werden«, sagte Eva mit erstickter Stimme.
»Sandra, immer nur Sandra! Ich befehle es Ihnen, sonst suche ich mir eine zuverlässigere Kraft.«
»Echauffiere dich nicht, Bettina«, warnte Charlotte. »Ich werde Eva sagen, wo sie alles bekommen kann. Und um Sandra kann ich mich kümmern.«
»Aber die Zigaretten möchte ich gleich«, rief Bettina mit schriller Stimme.
Charlotte drängte Eva nach draußen. »Verstehen Sie es bitte, Eva«, sagte sie bebend, »man darf ihr jetzt nicht widersprechen. Ich weiß ja auch nicht mehr, was ich tun soll. Bringen Sie ihr Zigaretten, vielleicht hat sie das andere dann schon wieder vergessen. Ich werde meinen Mann anrufen und ihn bitten, dass er Hummer, Austern und Kaviar besorgt.«
»Ich lasse Sie aber ungern mit Frau Hammilton allein, Frau Bernulf«, sagte Eva. »Ich kenne diese unberechenbaren Stimmungen.«
»Es handelt sich um meine Tochter, Eva«, erwiderte Charlotte. »Es gibt keinen Menschen, der ihr näher steht als ich. Wir dürfen sie jetzt nur nicht noch mehr reizen.«
»Und ihr alles geben, was ihr noch mehr schaden kann?«, fragte Eva.
»Was kann ihr denn noch helfen?«, murmelte die Ältere. »Sie wissen es doch so gut wie ich, dass nichts und niemand ihr helfen kann.«
»Dann gehe ich jetzt«, sagte Eva beklommen.
»Ja, gehen Sie.«
*
Als Eva das Haus verlassen hatte, begann Sandra zu weinen, als wisse sie es, dass nicht weiche, zärtliche Hände sie emporheben würden. Charlotte ging in das Kinderzimmer. Leise und beruhigend redete sie auf Sandra ein, und das Weinen verstummte. Große dunkle Augen blickten Charlotte verwundert an. Und nun, sich ihrer eigenen Hilflosigkeit bewusst, empfand Charlotte eine tiefe Zärtlichkeit für dieses hilflose kleine Wesen.
Sie vergaß alles um sich, auch Bettina. Sie betrachtete nur das süße Gesichtchen. Sie verlor sich in Gedanken.
»Du kannst ja nichts dafür, mein Püppchen«, flüsterte sie.
Doch da ertönte eine klirrende Stimme: »Wofür kann sie nichts?«
Charlotte fuhr herum. Da stand tatsächlich Bettina. Es war kein Trauma, kein Geist.
»Ich habe Eva weggeschickt. Jemand muss sich doch um Sandra kümmern«, sagte sie tonlos.
»Es