Der kleine Fürst Staffel 12 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.
legte ihre andere Hand an seine Wange.
*
Draußen donnerte es bedrohlich. Es war ihr großer Tag, ihre Vernissage, ihre Gäste kamen zur Tür herein. Und trotzdem ließ Verena all das zurück. Sie raffte das silberne Seidenkleid an den Seiten hoch und lief in den Sturm hinaus. Herr Franz kläffte aufgeregt hinter ihr her.
*
Es donnerte wieder. Ein abgebrochener Ast flog quer über den Stephansplatz, gefolgt von einem kullernden Plastikbecher. Aus einem nahen Schanigarten segelte ein ganzer Stoß Papierservietten durch die Luft.
Er sollte wohl die Terrassentür schließen. Keine Lust.
Wie es ihr wohl gerade erging? Ob sie glücklich war?
Graf Markus entkorkte eine Bierflasche lässig an der Kante seines Couchtisches. Wenn das der Vater gesehen hätte! Ein Graf benutzte einen Flaschenöffner. Ein Graf trank kein Bier. Ein Graf lümmelte nicht in Boxershorts und Mickey-Mouse-T-Shirt vor dem Fernsehapparat herum.
»Ein Graf lässt die Füße auf dem Teppich«, murmelte Markus und legte seine Füße auf den Tisch. »Einen Grafen kann sie nicht lieben.« Er griff nach der Fernbedienung und drehte die Lautstärke des Fernsehers höher. Der Sturm machte dem Fußballspiel ganz schön Konkurrenz.
Er schaffte es keine zwei Minuten, dem Spiel zu folgen. Immer wieder glitten seine Blicke zu dem Ölbild, das über seinem Bett hing. Sonjas Abschiedsgeschenk! Selbstlos wie immer hatte sie genau das für ihn gefunden, das sein Herz aufwühlte.
Wie sehr er dieses Bild liebte! Alles war darin enthalten: der Prater, die Berührung ihrer Hände, der dicke Mops, das Kaffeehaus, Verenas wunderschöne Stimme. Alles sah er in diesem Bild, das nur eine abstrakte Komposition von Farben war.
Die Terrassentür schlug gegen die Angel, und ein Schwall Regenwasser schoss ins Zimmer. Mühsam erhob sich Markus von seinem gemütlichen Platz und schlurfte nach draußen. Seine Füße wurden nass. Was soll’s, dachte er. Wenigstens trage ich keine Schuhe.
Der Regen prasselte so laut, dass er das Klackern der Schuhe auf dem Asphalt beinahe überhört hätte. Dann sah er aber doch nach unten.
Das nasse Kleid hatte sich um Verenas Körper wie eine Schicht aus silberner Farbe gelegt. Die nassen Haare fielen ihr ins Gesicht, das vom Laufen ganz gerötet war. Sie rannte quer über den sturmgebeutelten Platz und bog, dem Wind trotzig die Stirn bietend, in die Jasomirgottstraße ein.
»Verena!«, schrie Markus über sämtliche Donnergrollen hinweg. Sie hob ihren Kopf und fand seinen Blick.
»Verena! Willst du mich heiraten?«
Die junge Frau hob ratlos die Schultern. Sie hatte ihn nicht verstanden. Also rannte auch er los, barfuß und in Boxershorts, mit Mickey-Mouse-T-Shirt und unrasiert. Er rannte alle drei Stiegen hinab und fiel ihr vor dem Eingang des Palais in die Arme.
»Willst du mich heiraten?«, keuchte er noch einmal und schnappte nach Luft.
Verena rang ebenfalls nach Atem, »Ja«, brachte sie dann heraus. Und der Sturm warf sie einfach in seine Arme.
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