Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12). Madeleine PuljicЧитать онлайн книгу.
waren inzwischen sehr alt, für sie würde der Orden bald Nachfolger benötigen. Aber soweit A-Kuatond wusste, hatte die Suche noch nicht einmal begonnen. Mit Sicherheit war kein neues Ordensmitglied benannt worden, denn das musste auf der Ritterwelt Kessaila geschehen, im Beisein der sechs verbleibenden Erwählten.
Ein neuer Ritter konnte es also nicht sein. Aber das hieß nicht, dass das Schiff nicht dennoch zum Orden gehörte. Schon lange gab es Gerüchte, dass BARILS Stimme ein Geheimprojekt vorantrieb, ein gewaltiges, Jahrzehnte überspannendes Vorhaben. Sah A-Kuatond dort das Ergebnis vor sich? Ein gewaltiges Raumschiff mit einem völlig neuartigen Antrieb?
Das hieße, machte sie sich klar, dass BARIL selbst oder ein direkt von ihr Beauftragter in dieses System gekommen war, um die letzten Truvaud zu ernten.
Oder – eine deutlich unangenehmere Idee – war das Schiff entsandt worden, um A-Kuatond zu kontrollieren?
»Finden wir es heraus«, murmelte sie. Mit einem scharf gebündelten Richtfunksignal, das die Truvaud nicht abhören konnten, bat sie um Identifikation.
Allein: Der Neuankömmling antwortete nicht. Stumm und gewaltig driftete die Konstruktion im All und machte keinerlei Anstalten, auf den Gruß zu reagieren.
Damit verengte sich das Spektrum von A-Kuatonds Handlungsmöglichkeiten. Soweit sie es erkennen konnte, führten alle Wege zum selben Ergebnis.
Wenn BARIL sie kontrollierte, musste sie die Ernte beginnen, wie es befohlen war.
Wenn BARIL selbst ernten wollte, musste ebenfalls A-Kuatond vorpreschen – denn nur so konnte sie den Truvaud eine Chance geben. Sie würde viele ernten müssen, natürlich. Aber es gab immer Überlebende. Sie konnte eine ausreichende Anzahl von ihnen verschonen, sodass ein Neuanfang möglich war. Wenn hingegen jemand anderes die Aufgabe übernahm, gäbe es keine Chance hierfür. In dem Fall wäre das Ende der Truvaud besiegelt.
Zudem wollte A-Kuatond die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass die Truvaud die Strafe tatsächlich verdienten. Auch in diesem Fall wäre die Ernte richtig. Falls Udimor sich meldete und die Unschuld der Truvaud belegte, konnte A-Kuatond immer noch auf den Plan mit den Überlebenden umschwenken.
Zu guter Letzt gab es natürlich die Möglichkeit, dass der Neuankömmling gar nicht auf BARILS Geheiß hergekommen war. Aber ein komplett außenstehendes Sternenschiff mit Sechs-D-Technik, im Herzen von BARILS Mächtigkeitsballung? Ein abwegiger Gedanke – nicht wert, dafür ein Risiko einzugehen.
Der fremde Raumer sandte Sonden aus. Wenige nur, mit großem zeitlichen Abstand. Die Besatzung wollte offenbar unauffällig vorgehen.
Eine der Sonden steuerte den Planeten Diulu an. Also interessierte man sich dort drüben an Bord für die geheime Kolonie der Truvaud.
Das gab den Ausschlag. A-Kuatond konnte nicht länger warten, sie musste handeln. Sie schickte Kalphatt Udimor eine Warnung, dass sie die Ernte beginnen musste. Es stand in seinem Ermessen, die Untersuchung abzuschließen oder sich in Sicherheit zu bringen.
Dann löste sie einen Tetraeder aus dem Split-0 und wies dieses Teilsegment an, sich in Split-6 zu teilen. Es spaltete sich in 1706 Kleinschiffe, jedes mit einem Roboter besetzt. Sie würden unerbittlich ernten, bis A-Kuatond sie innehalten hieß.
Unabhängig davon, wie das Urteil über die Truvaud am Ende ausfallen mochte: A-Kuatond spürte das Fieber der Jagd. Den Kampf und die Ernte würde sie genießen, selbst wenn sie das Werk nicht ganz zu Ende brachte.
Und vielleicht lieferten die Truvaud im Diulusystem eine bessere Schlacht als jene bei Skiw. A-Kuatond hoffte es inständig.
12.
Trurull hatte den Inspektor aus der Heimat in seine Residenz geführt, in ein Gesprächszimmer mit nur einem Ausgang. Dieser befand sich hinter Trurull, der Inspektor vor ihm. Sollte sein Gast auch nur eine verdächtigte Bewegung machen, würde sich sofort eine bei Berührung tödliche Energiemauer zwischen ihnen aufbauen.
Noch aber wiegte Trurull das merkwürdige, achtäugige Wesen in Sicherheit. Sollte dieses ruhig glauben, Trurull sei auf seine Illusion hereingefallen. Wenn es Fragen stellte, würde es damit preisgeben, welche Themen es interessierten – und Trurull Rückschlüsse auf seine Absichten ermöglichen. Erst wenn die Lage gefährlich wurde oder wenn es auf diesem Weg nichts mehr zu erfahren gab, wollte Trurull den Besprechungsraum in eine Zelle verwandeln.
Der Inspektor schien gar nicht auf die Idee zu kommen, dass seine absonderliche Kraft vielleicht nicht wirken konnte. Er plauderte munter drauflos, erzählte vom großen Interesse des Torruval an Trurulls Arbeit, und wie er sich freue, Details davon nach Hause berichten zu können.
»Wie ist Diulus Eroberung denn genau vonstattengegangen?«, fragte er.
»Schnell und unerbittlich, selbstverständlich«, antwortete Trurull gönnerhaft. »Wie es sich gehört, wenn die Armeen des Torruval unserem Volk neuen Raum verschaffen.«
»Musstet ihr heftigen Widerstand überwinden?«
Reflexartig fasste Trurull nach dem Narbengewebe, das sein halbes Gesicht entstellte. »Glaubst du, das hier stammt von einem kleinen Klaps?«
»Verzeih«, sagte der Fremde, »ich wollte dich nicht beleidigen. Es liegt mir fern, deinen Einsatz infrage zu stellen. Wie lief der Einsatz gegen die Eltail denn genau ab?«
»Gnadenlos.« Die Fragen reizten Trurull aus unerfindlichem Grund.
»Der Torruval wird sich einen genaueren Bericht wünschen«, behauptete der Achtäugige. »Kannst du mir etwas Detaillierteres für ihn mitgeben?«
»Wir kamen über sie mit aller Macht«, schnappte Trurull. »Wir jagten sie, trieben sie zusammen, hetzten sie, töteten sie! Das Blut floss in Bächen die Stufen hinunter, und die Berge ihrer Körper ...«
»Oh bitte«, unterbrach das Wesen. »All das ist schön und gut, aber es lässt sich über jede unserer Eroberungen auf anderen Welten genauso sagen. Was war hier besonders? Wie ist das Raumgefecht verlaufen? Gab es eins? Wie viele Eltail haben gekämpft? Wie viele Tote gab es auf ihrer Seite, wie viele auf unserer? Was ist mit den Leichen geschehen? Gab es Sicherheitsvorkehrungen in den Gebäuden, Minen in den Straßen? Wie waren ihre Armeen bewaffnet?« Unvermittelt wechselte sein Ton von ungeduldig-fordernd ins Freundliche. »Solche Dinge interessieren den Torruval.«
Solche Dinge hätte Trurull aber nicht mal dann liefern können, wenn der echte Torruval einen wirklichen Inspektor geschickt hätte. Die Erinnerung an die Schlacht war höchstens schemenhaft, seit sein halber Schädel ersetzt worden und er im Hospital erwacht war.
»Du hast die Standbilder gesehen«, brachte er knapp hervor. »Du siehst dort alles, was ...«
»Ich würde es gern von dir hören«, unterbrach der andere, und wieder spürte Trurull die immateriellen Finger nach seinen Gedanken greifen.
Mit einem Satz sprang er auf und aktivierte den Energieschirm. »Wer bist du?«, schrie er den Fremden an. »Woher kommst du, und was willst du hier?«
Sein Gegenüber blieb völlig gelassen. Der falsche Inspektor zeigte keinerlei Reaktion auf die veränderte Lage. »Mein Name ist Kalphatt Udimor«, sagte er, »und ich habe dich offensichtlich unterschätzt. Das tut mir leid. Ich hatte nicht vor, dich zu beleidigen.« Die Augen an allen acht Tentakeln fixierten Trurull. »Das möchte ich auch jetzt nicht, bitte schätze meine folgenden Sätze daher als das ein, was sie sind: ein Hilfsangebot. Ich habe gespürt, dass du deine Geschichte für die volle Wahrheit hältst. Sie stimmt nicht, sie kann nicht stimmen. Sie ist zu vage, und es gibt keinerlei Hinweise dort draußen für eine Jagd, wie du sie beschreibst.«
»Wie kannst du es wagen? Jeder Truvaud auf diesem Planeten ...«
»... wird deine Geschichte bestätigen«, unterbrach Udimor. »Kunststück, schließlich lässt du jeden Zweifler hinrichten. Ja, auch das habe ich aus deinen Gedanken lesen können. Aber ein Zweifler lebt noch, oder? Du selbst weißt auch nicht, was geschehen ist. Woher deine Verletzung stammt. Willst du es nicht wissen?«