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Die Memoiren des Sherlock Holmes. Arthur Conan DoyleЧитать онлайн книгу.

Die Memoiren des Sherlock Holmes - Arthur Conan Doyle


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sich der Länge nach darauf aus, stützte das Kinn auf die Hände und unterzog den zertrampelten Erdboden vor ihm einer sorgfältigen Untersuchung.

      »Hallo!« sagte er plötzlich, »was ist denn das?«

      Es war ein halbverbranntes Wachsstreichholz, das so schmutzbedeckt war, daß es zunächst wie ein kleiner Holzspan aussah.

      »Ich kann mir nicht erklären, wie ich das übersehen konnte«, sagte der Inspektor mit ärgerlichem Gesicht.

      »Es war nicht zu sehen, im Schlamm versunken. Ich habe es nur gesehen, weil ich danach gesucht habe.«

      »Was! Sie haben erwartet, es zu finden?«

      »Ich hielt es für nicht unwahrscheinlich.« Er nahm die Stiefel aus der Tasche und verglich die Abdrücke beider mit den Spuren auf dem Boden. Dann stieg er zum Rand der Senke hinauf und kroch zwischen den Farnsträuchern und Büschen umher.

      »Ich fürchte, es gibt keine weiteren Spuren«, sagte der Inspektor. »Ich habe den Boden hundert Yards nach jeder Richtung sorgfältig abgesucht.«

      »Sieh da!« sagte Holmes und stand auf. »Dann werde ich nicht die Unverschämtheit haben, es noch einmal zu tun, nach dem, was Sie sagen. Aber ich würde gern einen kleinen Spaziergang übers Moor machen, bevor es dunkel wird, damit ich morgen das Gelände kenne, und ich denke, ich werde als Glücksbringer dieses Hufeisen einstecken.«

      Colonel Ross, der wegen des bedächtigen und systematischen Vorgehens meines Gefährten gewisse Anzeichen von Ungeduld hatte erkennen lassen, schaute auf seine Uhr.

      »Es wäre mir recht, wenn Sie mit mir zurückkämen, Inspektor«, sagte er. »Es gibt da einige Punkte, zu denen ich gern Ihren Rat hätte, insbesondere dazu, ob wir es der Öffentlichkeit nicht schuldig sind, den Namen unseres Pferdes von der Starterliste für den Cup zu streichen.«

      »Ganz und gar nicht«, rief Holmes mit Bestimmtheit. »Ich würde den Namen stehen lassen.«

      Der Colonel verbeugte sich. »Es freut mich sehr, Ihre Meinung gehört zu haben«, sagte er. »Sie finden uns im Hause des armen Straker, wenn Sie Ihren Spaziergang beendet haben, und dann können wir gemeinsam nach Tavistock fahren.«

      Er kehrte mit dem Inspektor um, während Holmes und ich gemächlich übers Moor gingen. Die Sonne schickte sich an, hinter den Ställen von Capleton zu versinken, und die weite, abfallende Ebene vor uns war von einem Goldton angehaucht, der sich zu einem satten Rotbraun vertiefte, wo die welken Farne und Brombeersträucher das Abendlicht einfingen. Aber die Herrlichkeiten der Landschaft waren an meinen Gefährten, der tief in Gedanken versunken war, ganz und gar verschwendet.

      »Es verhält sich so, Watson«, sagte er schließlich. »Wir können die Frage, wer John Straker ermordet hat, einstweilen außer acht lassen und uns darauf beschränken, herauszufinden, was aus dem Pferd geworden ist. Einmal angenommen, es ist während oder nach der Tragödie durchgegangen, wohin könnte es dann gelaufen sein? Das Pferd ist ein ausgesprochenes Herdentier. Wenn man es sich selbst überließe, würde es instinktiv entweder nach King's Pyland zurückkehren oder nach Capleton hinüberlaufen. Warum sollte es im Moor herumirren? Gewiß wäre es mittlerweile gesehen worden. Und warum sollten Zigeuner es entführen? Diese Leute machen sich stets davon, wenn sie von Scherereien hören, denn sie wollen nicht von der Polizei belästigt werden. Sie hätten keine Hoffnung, ein solches Pferd verkaufen zu können. Sie würden ein großes Risiko eingehen und nichts gewinnen, wenn sie es raubten. So viel ist sicher klar.«

      »Wo ist es also?«

      »Ich habe bereits gesagt, daß es nach King's Pyland oder nach Capleton gelaufen sein muß. Es ist nicht in King's Pyland, mithin ist es in Capleton. Lassen Sie uns das als Arbeitshypothese annehmen und sehen, wohin es uns führt. Dieser Teil des Moors ist, wie der Inspektor bemerkt hat, sehr hart und trocken. Aber gegen Capleton hin neigt es sich, und von hier aus können Sie erkennen, daß dort drüben eine langgestreckte Senke liegt, die Montagnacht sehr feucht gewesen sein muß. Wenn unsere Annahme richtig ist, dann muß das Pferd sie durchquert haben, und wir sollten an dieser Stelle nach seinen Spuren suchen.«

      Wir waren während dieses Gesprächs flott weitermarschiert und erreichten binnen weniger Minuten die fragliche Senke. Auf Holmes' Bitte ging ich an ihrem rechten und er an ihrem linken Rand entlang, aber ich hatte noch keine fünfzig Schritte getan, als ich ihn einen Ruf ausstoßen hörte und sah, wie er mir zuwinkte. In der weichen Erde vor ihm zeichnete sich deutlich die Spur eines Pferdes ab, und das Hufeisen, das er aus der Tasche zog, paßte genau in die Abdrücke.

      »Da sehen Sie den Wert der Phantasie«, sagte Holmes. »Das ist genau die Eigenschaft, die Gregory fehlt. Wir haben uns vorgestellt, was hätte passiert sein können, sind von dieser Annahme ausgegangen und sehen uns bestätigt. Gehen wir weiter.«

      Wir überquerten den sumpfigen Grund und gingen über eine Viertelmeile trockenen, harten Grasbodens. Wieder fiel das Gelände ab, und wieder stießen wir auf die Spuren. Dann verloren wir sie für eine halbe Meile aus den Augen, nur um sie recht nahe bei Capleton wieder aufzufinden. Es war Holmes, der sie als erster sah, und er blieb stehen und deutete mit einem Ausdruck des Triumphs darauf. Neben der Spur des Pferdes war die eines Menschen erkennbar.

      »Vorher war das Pferd allein«, rief ich aus.

      »Ganz recht. Vorher war es allein. Hallo! Was ist das?«

      Die Doppelspur bog scharf ab und führte in Richtung King's Pyland. Holmes pfiff, und wir folgten ihr. Er hatte den Blick auf die Fährte gerichtet, doch ich schaute zufällig ein Stückchen nach einer Seite und sah zu meiner Überraschung dieselben Spuren in der Gegenrichtung wieder zurückführen.

      »Eins zu null für Sie, Watson«, sagte Holmes, als ich darauf aufmerksam machte; »Sie haben uns einen weiten Weg erspart, der uns nur wieder auf unsere eigenen Spuren gebracht hätte. Wir wollen der zurückkehrenden Fährte folgen.«

      Wir mußten nicht weit gehen. Sie endete bei der asphaltierten Auffahrt, die zu den Toren der Capleton-Stallungen führte. Als wir nähertraten, kam ein Stallbursche aus einem Gebäude gerannt.

      »Hier wird nicht rumgelungert«, sagte er.

      »Ich wollte nur eine Frage stellen«, sagte Holmes, Daumen und Zeigefinger in die Westentasche gesteckt. »Wäre ich zu zeitig dran, um Ihren Vorgesetzten, Mr. Silas Brown, anzutreffen, wenn ich morgen früh um fünf Uhr vorspräche?«

      »Meine Güte, Sir, wenn jemand da ist, dann er, denn er ist immer als erster auf den Beinen. Aber da ist er, Sir, und kann Ihre Fragen selbst beantworten. Nein, Sir, nein; das kostet mich die Stellung, wenn er sieht, daß ich von Ihnen Geld annehme. Hinterher, wenn's Ihnen recht ist.«

      Während Sherlock Holmes die Half-crown7, die er aus der Tasche gezogen hatte, wieder einsteckte, kam ein grimmig dreinschauender, älterer Mann, der eine Jagdpeitsche schwang, durchs Tor geschritten.

      »Was ist los hier, Dawson?« schrie er. »Kein Getratsche! Geh an deine Arbeit. Und Sie – was zum Teufel wollen Sie hier?«

      »Zehn Minuten mit Ihnen reden, Verehrtester«, sagte Holmes mit seiner allersüßesten Stimme.

      »Ich habe keine Zeit, mit jedem Rumtreiber zu reden. Wir wollen hier keine Fremden. Scheren Sie sich weg, sonst haben Sie plötzlich einen Hund am Hals.«

      Holmes beugte sich vor und flüsterte dem Trainer etwas ins Ohr. Dieser fuhr heftig zusammen und errötete bis zu den Haarwurzeln.

      »Das ist eine Lüge!« brüllte er. »Eine infernalische Lüge!«

      »Sehr wohl! Sollen wir uns hier in aller Öffentlichkeit darüber streiten oder lieber in Ihrem Wohnzimmer darüber sprechen?«

      »Na gut, kommen Sie herein, wenn Sie wollen.«

      Holmes lächelte. »Ich werde Sie nicht länger als ein paar Minuten warten lassen, Watson«, sagte er. »Alsdann, Mr. Brown, ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung.«

      Es vergingen volle zwanzig Minuten, und alles Rot war zu Grau verblaßt, ehe Holmes und der Trainer wieder auftauchten. Nie habe ich bei einem Menschen eine solche


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