Die Memoiren des Sherlock Holmes. Arthur Conan DoyleЧитать онлайн книгу.
wie ein Zweig im Wind schwankte. Auch sein tyrannisches, anmaßendes Gebaren war restlos verschwunden, und er kroch an der Seite meines Gefährten her wie ein Hund neben seinem Herrn.
»Ihre Anweisungen werden ausgeführt. Es wird ausgeführt«, sagte er.
»Und daß mir ja kein Fehler vorkommt«, sagte Holmes und sah sich nach ihm um. Sein Gegenüber winselte, als er die Drohung in seinem Blick las.
»O nein, es wird kein Fehler vorkommen. Es wird da sein. Soll ich es vorher noch verändern oder nicht?«
Holmes dachte einen Moment nach und brach dann in Gelächter aus.
»Nein«, sagte er. »Ich werde Ihnen deswegen schreiben. Keine Tricks jetzt, sonst –«
»Oh, Sie können mir vertrauen, Sie können mir vertrauen!«
»Sie müssen an dem Tag darum besorgt sein, als wäre es Ihr eigenes.«
»Sie können sich auf mich verlassen.«
»Ja, ich glaube, das kann ich. Nun denn, Sie werden morgen von mir hören.« Er wandte sich auf dem Absatz um, wobei er die zitternde Hand, die der andere ihm hinhielt, nicht beachtete, und wir machten uns nach King's Pyland auf.
»Eine vollkommenere Mischung aus Tyrann, Feigling und Heimtücker als Meister Silas Brown ist mir nur selten begegnet«, bemerkte Holmes, während wir zusammen zurückwanderten.
»Dann hat er also das Pferd?«
»Er hat sich herauszuwinden versucht, aber ich habe ihm so genau geschildert, was er an jenem Morgen getan hat, daß er überzeugt ist, ich hätte ihn dabei beobachtet. Natürlich haben Sie die eigenartig viereckige Spitze der Fußabdrücke bemerkt und daß seine Stiefel ihnen genau entsprachen. Ferner hätte natürlich kein Subalterner so etwas zu tun gewagt. Ich habe ihm geschildert, wie er, seiner Gewohnheit entsprechend, als erster auf den Beinen war und ein fremdes Pferd übers Moor irren sah; wie er zu ihm hinging und wie erstaunt er war, als er an dem weißen Stern, der dem Favoriten den Namen gegeben hat, erkannte, daß der Zufall das einzige Pferd in seine Gewalt gebracht hatte, das jenes, auf das er sein Geld gesetzt hatte, schlagen konnte. Dann habe ich ihm geschildert, wie es seine erste Regung war, es nach King's Pyland zurückzubringen, und der Teufel ihm gezeigt hatte, auf welche Art er das Pferd bis nach dem Rennen verstecken konnte, und wie er es nach Capleton geführt und dort verborgen hatte. Nachdem ich ihm jede Einzelheit erzählt hatte, gab er auf und dachte nur noch an seine eigene Haut.«
»Aber seine Ställe sind durchsucht worden.«
»Ach, ein alter Roßtäuscher wie er kennt manche Schliche.«
»Aber haben Sie keine Angst, das Pferd weiter in seiner Gewalt zu lassen, wo er doch jedes Interesse daran hat, es zu verletzen?«
»Mein lieber Freund, er wird es hüten wie seinen Augapfel. Er weiß, daß er nur dann auf Milde hoffen kann, wenn er Silberstern unversehrt herausgibt.«
»Colonel Ross hat mir nicht gerade den Eindruck gemacht, als würde er je Milde walten lassen.«
»Die Angelegenheit liegt nicht in Colonel Ross' Händen. Ich folge meinen eigenen Methoden und sage so viel oder so wenig, wie es mir beliebt. Das ist der Vorteil, wenn man nicht in amtlichem Auftrag handelt. Ich weiß nicht, ob Sie es bemerkt haben, Watson, aber das Verhalten des Colonel mir gegenüber war ein klein wenig herablassend. Ich bin mittlerweile dazu aufgelegt, mir auf seine Kosten einen kleinen Spaß zu machen. Sagen Sie wegen des Pferdes nichts zu ihm.«
»Gewiß nicht, ohne Ihre Erlaubnis.«
»Und natürlich ist all das ein ziemlich unbedeutender Fall, verglichen mit der Frage, wer John Straker ermordet hat.«
»Und der wollen Sie sich jetzt widmen?«
»Ganz im Gegenteil, wir beide fahren mit dem Nachtzug nach London zurück.«
Ich war wie vom Donner gerührt von den Worten meines Freundes. Wir waren erst seit ein paar Stunden in Devonshire, und daß er eine Untersuchung aufgab, die er so brillant begonnen hatte, war mir völlig unbegreiflich. Ich konnte ihm kein weiteres Wort entlocken, bis wir beim Haus des Trainers angelangt waren. Der Colonel und der Inspektor erwarteten uns im Wohnzimmer.
»Mein Freund und ich kehren mit dem Mitternachtsexpress in die Stadt zurück«, sagte Holmes. »Es war bezaubernd, in Ihrem vortrefflichen Dartmoor-Klima ein wenig frische Luft zu schnappen.«
Der Inspektor riß die Augen auf, und des Colonels Lippen kräuselten sich zu einem verächtlichen Lächeln.
»Sie geben es also auf, den Mörder des armen Straker dingfest zu machen«, sagte er.
Holmes zuckte die Achseln. »Dem stehen gewiß große Schwierigkeiten entgegen«, sagte er. »Dennoch bin ich voller Zuversicht, daß Ihr Pferd nächsten Dienstag starten wird, und bitte Sie, Ihren Jockey bereitzuhalten. Dürfte ich um eine Photographie von Mr. John Straker bitten?«
Der Inspektor nahm eine aus einem Umschlag in seiner Tasche und reichte sie ihm.
»Mein lieber Gregory, Sie nehmen alle meine Wünsche vorweg. Wenn ich Sie bitten dürfte, einen Moment hier zu warten, ich habe noch eine Frage, die ich dem Dienstmädchen stellen möchte.«
»Ich muß sagen, daß ich von unserem Londoner Berater ziemlich enttäuscht bin«, sagte Colonel Ross rundheraus, als mein Freund aus dem Zimmer gegangen war. »Ich sehe nicht, daß wir irgendwie weiter gekommen wären als vor seiner Ankunft.«
»Zumindest haben Sie seine Zusicherung, daß Ihr Pferd laufen wird«, sagte ich.
»Ja, seine Zusicherung habe ich«, sagte der Colonel mit einem Achselzucken. »Aber das Pferd wäre mir lieber.«
Ich wollte gerade etwas zur Verteidigung meines Freundes entgegnen, als er wieder das Zimmer betrat.
»Nun denn, Gentlemen«, sagte er, »ich bin dann soweit für Tavistock.«
Als wir in die Kutsche stiegen, hielt uns einer der Stallburschen die Tür auf. Holmes schien plötzlich ein Gedanke zu kommen, denn er beugte sich vor und berührte den Burschen am Ärmel.
»Sie haben da ein paar Schafe in der Koppel«, sagte er. »Wer kümmert sich um sie?«
»Ich, Sir.«
»Haben Sie in letzter Zeit bemerkt, daß ihnen etwas fehlt?«
»Nun ja, Sir, nichts sehr Bedeutendes; aber drei von ihnen lahmen seit kurzem, Sir.«
Ich erkannte, daß Holmes äußerst befriedigt war, denn er kicherte und rieb sich die Hände.
»Ein Glückstreffer, Watson; ein ausgesprochener Glückstreffer!« sagte er und kniff mich in den Arm. »Gregory, darf ich Ihrer Aufmerksamkeit diese außergewöhnliche Epidemie bei den Schafen anempfehlen. Fahren Sie los, Kutscher!«
Colonel Ross trug immer noch eine Miene zur Schau, die seine geringe Meinung von den Fähigkeiten meines Gefährten zeigte, aber dem Gesicht des Inspektors sah ich an, daß seine Aufmerksamkeit aufs höchste erregt war.
»Sie halten das für wichtig?« fragte er.
»Überaus.«
»Gibt es noch irgendeinen anderen Umstand, auf den Sie meine Aufmerksamkeit lenken möchten?«
»Auf das merkwürdige Ereignis mit dem Hund in der Nacht.«
»Der Hund hat in der Nacht nichts getan.«
»Genau das war eben das merkwürdige Ereignis«, bemerkte Sherlock Holmes.
Vier Tage später saßen Holmes und ich wieder im Zug nach Winchester, um uns das Rennen um den Wessex Cup anzusehen. Colonel Ross holte uns verabredungsgemäß am Bahnhof ab, und wir fuhren in seiner vierspännigen Kutsche zur Rennbahn außerhalb der Stadt. Sein Gesicht war ernst und sein Verhalten äußerst kalt.
»Ich habe keine Spur von meinem Pferd gesehen«, sagte er.
»Ich nehme an, Sie würden es erkennen, wenn Sie es sähen?« fragte