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Das getupfte Band. Arthur Conan DoyleЧитать онлайн книгу.

Das getupfte Band - Arthur Conan Doyle


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dageblieben wäre, hätte ich ihm zeigen können, daß meine Finger an Kraft den seinen nicht viel nachgeben.« Dabei nahm er den stählernen Schürhaken und bog ihn mit einem Ruck wieder gerade.

      »Ein selten unverschämter Mensch! Dieser Zwischenfall verleiht übrigens unserem Vorhaben nur noch einen Reiz mehr. Ich hoffe bloß, daß unsere Schutzbefohlene ihre Unvorsichtigkeit nicht zu büßen bekommt. – Aber nun wollen wir frühstücken, Watson, und dann will ich nach der Gerichtsregistratur gehen, wo ich mir einige Daten zu verschaffen hoffe, die uns in dieser Sache vielleicht von Nutzen sein können.«

      Es war ungefähr ein Uhr, als Holmes von seinem Ausgang zurückkam. Er hatte ein Blatt Papier in der Hand, das ganz mit Notizen und Zeichnungen bedeckt war.

      »Ich habe mir das Testament der Frau Roylott zeigen lassen«, sagte er. »Um ihre Willensmeinung ganz genau festzustellen, mußte ich den heutigen Wert der Anlagepapiere ausrechnen, um die es sich dabei handelt. Der Gesamtertrag, der zur Zeit ihres Todes fast elfhundert Pfund betrug, beläuft sich jetzt infolge des Rückgangs im Werte höchstens noch auf siebenhundertfünfzig Pfund. Nun kann jede der Töchter im Falle ihrer Verehelichung eine Rente von zweihundertfünfzig Pfund ansprechen. Es ist also augenscheinlich, daß, falls beide Töchter sich verheiratet hätten, von der ganzen Herrlichkeit blutwenig übrig geblieben wäre, ja, daß sogar schon die Abfindung einer Tochter dem Doktor eine ganz empfindliche Einbuße verursacht hätte. Mein Vormittag war also gut angewendet; ich habe jetzt den Beweis in Händen, daß ihm alles daran gelegen sein mußte, die Heirat zu hindern. Wir wollen nun in dieser wichtigen Sache keine Zeit mehr verlieren, zumal der Alte Wind davon hat, daß wir uns mit seinen Angelegenheiten beschäftigen. Wenn du also bereit bist, wollen wir uns einen Wagen nach der Waterloostation bestellen. Bitte, stecke auch deinen Revolver ein. Damit kommt man gegenüber Herrschaften, die stählerne Schürhaken krumm biegen, am besten aus. Wenn wir dann noch Kamm und Zahnbürste mitnehmen, so denke ich, daß wir alles haben, was wir brauchen.«

      Am Bahnhof hatten wir das Glück, gerade einen Zug nach Leatherhead zu treffen; dort nahmen wir einen Wagen, mit dem wir vier oder fünf Meilen weit durch die freundlichen Gelände von Surrey fuhren. Es war ein herrlicher Tag, klarer Sonnenschein und kaum ein Wölkchen am Himmel. Die Bäume und Hecken am Wege erglänzten im ersten Grün, und die Luft war von dem erfrischenden Geruch des feuchten Erdreichs erfüllt. Lebhaft empfand wenigstens ich für meine Person den eigentümlichen Gegensatz zwischen dem lieblichen Frühlingsbilde und der unheimlichen Aufgabe, die unsrer wartete. Holmes saß, den Hut tief ins Gesicht gedrückt, mit untergeschlagenen Armen und gesenktem Haupte, in tiefes Nachdenken versunken da. Plötzlich fuhr er auf, klopfte mir auf die Schulter und deutete nach rechts. »Sieh dorthin!« rief er.

      Ein dichter Park zog sich jenseits der Wiesen einen sanften Abhang hinauf, der oben von einem Wäldchen bekränzt war; mitten aus dem Dickicht ragte der altersgraue Dachfirst eines Herrenhauses hoch hervor.

      »Stoke Moran?«, fragte er.

      »Jawohl, Herr, das ist Dr. Grimesby Roylotts Haus«, erwiderte der Fahrer.

      »Wo der Umbau gemacht wird? Das ist unser Ziel.«

      »Dort drüben liegt das Dorf«, fuhr der Mann fort, indem er auf die Dächer deutete, die in einiger Entfernung zur Linken sichtbar wurden; »aber wenn Sie zu Roylotts Hause wollen, so sind Sie früher dort, wenn Sie hier die Steige hinaufgehen und dann den Fußweg über die Felder einschlagen. Dort drüben, wo die Dame geht.«

      »Die Dame ist Fräulein Stoner, wie mir scheint«, sagte Holmes und hielt die Hand über die Augen. »Ja, ich glaube, es wird das Einfachste sein, wenn wir Ihrem Rat folgen.«

      Wir stiegen aus und bezahlten unser Fahrgeld. Der Wagen wendete und fuhr nach Leatherhead zurück.

      »Ich hielt es für zweckmäßig«, meinte Holmes, während wir die Steige hinaufgingen, »den Mann glauben zu lassen, wir seien wegen der Bauarbeit oder zu irgend einem andern geschäftlichen Zweck hergekommen. Das beugt vielleicht unnützem Gerede vor. – Guten Tag, Fräulein Stoner, Sie sehen, wir haben Wort gehalten.«

      Mit offener Herzlichkeit kam unsere Schutzbefohlene uns entgegengelaufen. »Ich habe Sie sehnlich erwartet!« rief sie und drückte uns warm die Hand. »Es hat sich alles geschickt gefügt. Der Vater ist nach London gegangen und wird schwerlich vor Abend zurückkommen.«

      »Wir haben unterdessen das Vergnügen gehabt, des Herrn Doktors Bekanntschaft zu machen«, entgegnete Holmes und gab ihr mit ein paar Worten eine flüchtige Schilderung unseres Erlebnisses.

      Sie wurde bei dieser Kunde weiß bis zu den Lippen. »Er ist mir also nachgegangen?« fragte sie fassungslos.

      »So scheint es.«

      »Er ist sehr schlau, man ist eigentlich nie sicher vor ihm. Ich habe so Angst, bis er jetzt nach Hause kommt.«

      »Seien Sie unbesorgt. Vielleicht sind wir noch schlauer als er. Auf jeden Fall müssen Sie sich heute nacht vor ihm einschließen. Wird er gewalttätig, so bringen wir Sie zu Ihrer Tante nach Harrow. Jetzt müssen wir aber unsere Zeit nach besten Kräften ausnützen, also führen Sie uns bitte gleich in die Zimmer, die wir zu besichtigen haben.«

      Das Gebäude mit seinen grauen, moosbewachsenen Quadersteinen bestand aus einem hohen Mittelbau, von dem an jedem Ende ein geschweifter Flügel auslief. An dem linken Flügel waren die zerbrochenen Fenster mit Brettern vernagelt, und das Dach teilweise eingestürzt – ein Bild des Verfalls. Der Mittelbau befand sich schon in etwas besserem Stand, und der rechte Flügel machte einen verhältnismäßig neuen Eindruck; die Vorhänge an den Fenstern und der blaue Rauch, der sich über den Schornsteinen kräuselte, zeigten an, daß hier die Familie wohnte. An der Außenwand war ein Gerüst aufgeschlagen und das Mauerwerk durchgebrochen; von einem Arbeiter war jedoch zur Zeit weit und breit nichts zu sehen. Holmes ging langsam auf dem schlecht gepflegten Rasenplatz auf und ab und untersuchte die Fenster aufs peinlichste von außen.

      »Dies hier gehört wohl zu Ihrem früheren Schlafzimmer, das mittlere zu dem Ihrer Schwester, und das letzte zunächst dem Mittelbau zu Dr. Roylotts Schlafzimmer?«

      »Ganz richtig. Aber gegenwärtig schlafe ich in dem mittleren.«

      »Während der baulichen Arbeiten vermutlich, übrigens kommt es mir nicht gerade vor, als ob hier an der Außenwand die Ausbesserung dringend nötig gewesen wäre.«

      »Ganz und gar nicht. Ich glaube, daß es lediglich ein Vorwand war, um mich aus meinem Zimmer zu vertreiben.«

      »Möglich. Und an der andern Seite des schmalen Flügels läuft wohl der Gang hin, auf den die drei Zimmer münden? Natürlich hat er auch Fenster.«

      »Aber nur ganz kleine, durch die ein Mensch nicht hereinkommen kann.«

      »Da Ihre Schwester und Sie Ihre Zimmer nachts ja abschlossen, so waren sie sowieso von dieser Seite her unzugänglich. Und jetzt schließen Sie bitte einmal die Läden in Ihrem Zimmer.«

      Nachdem die Läden vorgelegt waren, untersuchte sie Holmes sorgfältig von innen und außen, dann machte er auf jede mögliche Weise den Versuch, sie aufzubrechen, jedoch ohne Erfolg. Nirgends war der geringste Spalt, in dem sich hätte etwa ein Messer ansetzen lassen, um die Stange zu lockern. Dann untersuchte er auch die Angeln, allein sie waren aus starkem Eisen und saßen fest in dem massiven Mauerwerk. »Hm«, meinte er und rieb sich verlegen das Kinn, »meine Annahme stößt allerdings auf Schwierigkeiten. Hier konnte kein Mensch hereinkommen, wenn die Läden geschlossen waren. Nun, wir werden ja sehen, ob die innere Besichtigung vielleicht Licht in die Sache bringt.«

      Eine kleine Seitentüre führte in den weißgetünchten Gang, auf den die drei Schlafzimmer mündeten. Das äußerste wollte Holmes nicht sehen, deshalb begaben wir uns sogleich nach dem mittleren, worin Fräulein Stoner gegenwärtig schlief und in dem ihre Schwester gestorben war. Es war ein gemütlicher kleiner Raum mit niederer Decke und großem Kamin, wie man sie in alten Landsitzen oft trifft. Eine braune Kommode stand in der einen Ecke, ein schmales, weiß bezogenes Bett in einer anderen und ein Toilettentisch zur Linken des Fensters. Diese Möbel bildeten zusammen mit zwei geflochtenen Stühlen und einem Teppich in der Mitte die ganze Einrichtung. Das eichene Holzwerk des


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