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KOPFLOS IM KURHOTEL. Christina UngerЧитать онлайн книгу.

KOPFLOS IM KURHOTEL - Christina Unger


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      Der Blick des Kellners wanderte vielsagend zu den zahlreichen Wasserkaraffen auf dem Tisch. Walter nahm das Wasser ins Visier, als hätte ihm der gute Mann persönlich den Schierlingsbecher angetragen. Der Kellner schlug als Alternative Wein aus biologischem Anbau vor, um vier Euro achtzig das Glas.

      »Dafür bekomme ich zu Hause eine ganze Flasche!«, knurrte Walter. »Aber egal! Ich bin schließlich auf Urlaub. Und wer weiß, ob ich ihn überhaupt noch erlebe!«

      »Rede nicht so einen Blödsinn daher!«, fuhr ihm Beate über den Mund.

      Walter fragte: »Kann ich den Wein aufs Haus schreiben?«

      »Selbstverständlich«, erwiderte der Kellner. »Wünschen Sie Rot oder Weiß?«

      »Rot natürlich! Ich trinke nur Rotwein.«

      »Dass du nur Rotwein trinkst«, sagte Beate, nachdem der Kellner gegangen war, »kann der Mann ja nicht wissen. Der ist ja kein Hellseher.«

      »Ich möchte auch ein Glas Biowein«, quengelte Opa.

      »Damit du noch verwirrter wirst? Du bleib schön bei deinem Wasser«, bestimmte seine Schwiegertochter.

      »Im Krieg hättest du eine gute Lageraufseherin abgegeben«, konterte Opa.

      Beate schluckte eine Antwort hinunter, da sie nicht wieder eine Endlosgeschichte vom Krieg hören wollte, außerdem näherten sich Frau Professor Rosenblatt und Margot Kitzler. In ihrem Schlepptau war der Mann aus der Teebar, der sich am Eckplatz des Nachbartisches niederließ und freundlich herübergrinste.

      Verschwörerisch neigte er sich zu Beate herüber, die an ihrem Tisch ebenfalls den Eckplatz innehatte. »Na, was sagen Sie zu den Morden?«, fragte er leise und seine sonst so gletscherblauen Augen leuchteten wie zwei dunkle Wasserpfützen. »Ich hoffe, wir überleben unseren Wohlfühlurlaub!«

      Beate hatte für derlei Scherze keinen Humor übrig. »Wenn der Hotelmanager uns nicht informiert hätte, würde sich jetzt niemand aufregen«, antwortete sie scharf.

      »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!«, rief Opa, der den Dialog mitgehört hatte. »Wo ist mein Biowein?«

      Walter tätschelte die Hand seines Vaters. »Du kriegst schon noch deinen Biowein, Papa, aber nerve jetzt nicht länger rum.«

      Walter war mit sich selbst übereingekommen, dass es besser war, den harmlosen Wunsch seines Vaters zu erfüllen, als den ganzen Abend sein Geraunze zu ertragen. Vielleicht schlief er dann die Nacht durch und geisterte nicht wie zu Hause auf dem Flur herum.

      Frau Professor Rosenblatt hatte ihre Sportmontur von heute Mittag gegen eine großkarierte Knickerbockerhose mit rot-grün karierten Kniestrümpfen eingetauscht. Dazu trug sie eine weiße, mit roten Herzen verzierte Leinenbluse und einen hellblauen Seidenschal über den Kopf geschlungen, der sie mehr denn je wie ein in die Jahre gekommenes Smiley aussehen ließ.

      »Was für ein Tag!« Sie fiel auf ihren Stuhl. »Heute Morgen bin ich noch völlig ahnungslos mit Herrn Seifenstein durch den Bärenwald gewalkt, und jetzt muss man so was erfahren! Dass ich noch am Leben bin, ist ein Wunder.«

      »Ja, so schnell kann‘s gehen!« Margot Kitzler grinste boshaft. »Ich lag den ganzen Tag am Pool.«

      »Gratuliere, Frau Kitzler, wie immer der bequemste Weg.«

      »Ich war am Nachmittag mit Opa spazieren«, gestand Tommy, »und dabei haben wir einen Wald gestreift. Ob das der Bärenwald war, weiß ich aber nicht.«

      »Seid ihr verrückt?«, entfuhr es Beate. »Wie kannst du dich mit Opa so weit vom Hotel entfernen?«

      »Das waren doch nur ein paar hundert Meter! Und dass ausgerechnet dort ein Serienkiller sein Unwesen treibt, wussten wir ja nicht. Außerdem ist Opa überraschend gut zu Fuß, ihr würdet euch wundern! Wir haben uns tapfer geschlagen, gell, Opa?«

      »Wo ist mein Biowein?!«

      »Wie kommst du überhaupt darauf, dass es sich um einen Serienkiller handelt?«, fragte Beate ihren Sohn. »Es kann genauso gut eine ganz gewöhnliche Beziehungstat gewesen sein.«

      »Bei Mord ist fast immer Eifersucht im Spiel«, pflichtete Frau Kitzler bei. »Ein heimlicher Geliebter oder eine heimliche Geliebte und – Peng! – schon sind beide tot.«

      »Mit Ihnen galoppiert wieder einmal die Fantasie davon!«, ätzte die Frau Professor.

      Der Kellner kam und Walter bestellte ein Glas Weißwein für Opa. Bei dieser Gelegenheit übergab er ihm sein und Beates Kärtchen von der Kurärztin, worauf die erlaubten Kalorien festgehalten waren. Zwar hatte er schon überlegt zu schummeln und das Kärtchen irgendwo zu verlegen, aber das hätte seine streberhafte Frau niemals durchgehen lassen.

      Als die Hauptspeise vor ihm stand, fragte er: »Was ist das?«

      »Das ist geräucherter Tofu in Krensauce«, erläuterte Frau Kitzler. »Echt lecker.«

      »So ein Sojascheiß?«

      »Ich liebe Tofu!«, rief Tommy. »Am liebsten würde ich nur vegetarisch essen.«

      »Seit wann das denn?«, fragte seine Mutter.

      »Schon immer, aber du servierst mir ja nur tote Tiere.«

      »Wenn du unzufrieden mit meinem Service bist, such dir eine andere Weide zum Grasen!«

      »Du wolltest es doch wissen!«

      Genervt von der ganzen Familie ergriff Walter sein Glas und leerte es in zwei Zügen. Vier Euro achtzig weg in sechs Sekunden.

      Opa mampfte wortlos vor sich hin, und als der Brei in seinem Mund immer mehr wurde, spuckte er ihn auf dem Teller aus. »Ich will ein Schnitzel!«, protestierte er.

      Auf Beates Wangen bildeten sich zwei rote Flecken und Walter warnte: »Du isst jetzt auf der Stelle dein Tofu, Vater, sonst kommst du ins Heim!«

      »Aber, aber, wer wird denn so streng sein!«, schaltete sich Frau Professor Rosenblatt ein. »Heute Mittag habe ich Sie noch gelobt, und schon wollen Sie Ihren Vater ins Heim stecken?«

      Walter winkte den Kellner herbei und orderte ein weiteres Glas Biowein für sich. »Wenn du dein Tofu aufisst«, versprach er seinem Vater, »bestelle ich dir auch noch ein Glas. Was sagst du?«

      »Das ist Erpressung deines Erzeugers!«

      »Gebe ich zu. Also, wofür entscheidest du dich? Wein und Tofu? Oder ein leerer Magen?«

      »Leerer Magen ist Kacke!«

      »Sag ich doch!« Walter stieß die Luft aus. »Wir haben also eine Vereinbarung. Du isst jetzt brav auf und dann kriegst du noch ein schönes Glas guten Biowein.«

      Opa spießte ein Stück Tofu auf die Gabel, mampfte und schluckte. Unter seinem weißen Flaumhaar bildeten sich kleine Schweißperlen.

      »Das schmeckt wie Radiergummi!«, beschwerte er sich, aber als der Kellner ihm das Glas hinstellte, war der Papp auf seinem Teller immerhin weniger geworden.

      Walter schaute triumphierend seine Frau an. »Siehst du? Es geht auch mit ein wenig Einfühlungsvermögen!«

      Beate warf ihm nur einen giftigen Blick zu und ignorierte ihn fortan.

      »Wie hat Ihnen übrigens der Chefinspektor gefallen?«, wollte Margot Kitzler wissen und errötete leicht. »Der ist kein Einheimischer, das sieht man sofort. Der ist irgendwas Südländisches! Ich würde auf Italiener tippen.«

      »Strecken Sie gar Ihre Fühler nach ihm aus?« Frau Professor Rosenblatt lächelte mitleidig. Ein so gut aussehender Mann, noch dazu ein Chefinspektor, wartete sicher nicht auf ein Mauerblümchen wie die Kitzler. Auch wenn ihr Name schon mal die Fantasie anregen konnte.

      Margot Kitzler reagierte nicht auf diese Spitze. Sie zwirbelte ihren krausen Zopf zwischen Daumen und Zeigefinger und schwelgte in Erinnerungen an eine lang zurückliegende Urlaubsbekanntschaft. »Ich kannte mal einen Italiener«, schwärmte sie. »Ein Römer wie


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