Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
»An Geld habe ich gedacht, Vater! Ist des so schlimm? Das, was mir der Dieter gegeben hätte, wäre genug gewesen, um die Schulden vom Hof zu bezahlen – und es hätte auch noch für einen Laster für Jochen gereicht«, brach es stolz aus Gesa hervor. »Damit wäre allen geholfen gewesen. Und der Dieter hat Geld. Des wäre für ihn kein Opfer gewesen. Die auf dem Wasmayr Hof haben immer Glück gehabt. Was ist dabei, eine gerechte Umverteilung vorzunehmen?«
Jochen sah die Tränen in Gesas Augen. Er hatte Mitleid.
Er ging auf sie zu und nahm sie in den Arm.
»Ich bin ein Narr gewesen, Gesa! Ich bin auch mitschuldig! Wir bringen das wieder in Ordnung – zusammen! Doch zuerst will ich dir sagen, daß ich dich gern heiraten will – net irgendwann – sondern so schnell als möglich. Willst du?«
»Und deine Pläne? Deine Lastwagen? Deine Sicherheit?«
»Willst du? Antworte, Gesa!«
Gesa sah Jochen in die Augen.
»Wie kannst du des fragen, Jochen! Natürlich will ich! Ich wollte immer nur dich! Du hast doch nicht gewollt. Bist wie besessen gewesen von deinen Plänen.«
Glücklich schloß Jochen seine Gesa in die Arme.
»Ach, Gesa! Ich liebe dich! Ich liebe dich!«
»Wirklich? Trotzdem? Obwohl ich so dummes Zeug gemacht habe?«
»Ich liebe dich!« wiederholte Jochen zärtlich.
»Ich liebe dich doch auch so sehr, Jochen! Ich habe mir das Ganze ausgedacht, weil…«
Weiter kam Gesa nicht. Jochen verschloß ihr den Mund mit einem Kuß. Gesa war glücklich. Sie ließ sich in seine Arme fallen und erwiderte seine innigen Küsse.
Zum Feiern blieb den beiden keine Zeit. Franz Krumbach trieb sie an, sich sofort mit Dieter in Verbindung zu setzen. Jochen rief Toni auf der Berghütte an. Er erfuhr, daß Dieter auf dem Weg nach Waldkogel war, nachdem er vergeblich auf Ina beim »Erkerchen« gewartet hatte. Er wollte zu Tonis Eltern. Dort in der Pension hatte sich Ina einquartiert.
»Dann gehen wir auch dahin!« entschied Jochen.
Er nahm Gesa bei der Hand und zog sie fort.
*
Ina hatte sich bei Tonis Eltern in ihrem Zimmer eingeschlossen. Sie lag auf dem Bett und weinte in die Kissen. Sie öffnete nicht. Kurz entschlossen trat Jochen die Tür ein.
Ina schreckte im Bett auf.
»Was wollen Sie?« kreischte Ina.
»Ich bin Jochen! Das ist Gesa, meine Braut!«
Ina starrte Gesa an.
»Ina, es tut mir so leid! Es war nichts zwischen mir und Dieter. Ich wollte ihn nur glauben lassen, daß… Verzeih mir! Kannst du mir verzeihen?«
Statt einer Antwort sprang Ina auf. Sie wischte sich die Tränen ab.
»Wo ist Dieter? Ich muß sofort zu ihm! Sofort!«
Ina zog ihre Schuhe an und schlüpfte in ihre Wanderjacke. Sie wollte aus dem Zimmer rennen. Jochen hielt sie fest.
»Langsam, Madl! Dein Dieter ist auf dem Weg hierher. Ich habe mit Toni telefoniert. Er muß bald da sein.«
Schritte hallten im Treppenhaus. Dann stand Dieter in der offenen Tür.
»Ina! Liebste Ina!«
»Dieter! Mein Dieter!«
Sie lagen sich in den Armen und küßten sich. Ina zitterte am ganzen Körper.
»Jetzt zitterst du, Ina. Warum?«
»Ach, Dieter! Ich bin so glücklich! Ich dachte schon, ich hätte dich verloren! Jetzt habe ich dich wieder!«
»Und ich lasse dich auch nicht wieder los! Nie mehr! Ich bringe dich jetzt sofort heim zu meinen Eltern auf den Wasmayr Hof.«
»Das geht nicht! Ich sehe schrecklich aus! Schau mich an! Deine Eltern bekommen ja einen Schreck!«
Dieter lachte aus vollem Herzen.
»Den bekommen sie so oder so! Die rechnen mit allem – Unwetter, Überschwemmung, Blitzeinschlag, Maul- und Klauenseuche, alles was sich Menschen vorstellen können. Daß ich ihnen ein Madl bringe, meine Braut, damit rechnen sie net. Das wird eine schöne Überraschung sein.«
Doch Gesa sprang Ina hilfreich zur Seite.
»Ich habe bei dir etwas gutzumachen, Ina! Komm mit mir! Ihr Burschen, euch treffen wir in einer halben Stunde auf dem Marktplatz. Bis dorthin könnt ihr Männer das Türschloß wieder einsetzen und anschrauben.«
Gesa brachte Ina zum Andenken- und Trachtenladen Boller. Dort kaufte sie für Ina ein schönes blaues Dirndl, dazu weiße Strümpfe, Haferlschuhe und ein großes Umschlagtuch mit Fransen.
»So gefällst du mir gut, Ina! Das nimm als Geschenk – sozusagen als Wiedergutmachung! Jetzt schaust du so fesch aus, wie es sich für die zukünftige Bäuerin auf dem Wasmayr Hof gehört.«
Draußen auf dem Marktplatz warteten schon Jochen und Dieter. Sie waren genau wie Ina und Gesa schnell Freunde geworden. Die beiden Paare spazierten Hand in Hand die Straße entlang. Besonders Dieter genoß die Blicke. Jeder, der ihn mit seiner Ina sah, wunderte sich und staunte über das fesche blonde Madl im blauen Dirndl an seiner Seite.
Am meisten staunten aber seine Eltern. Überglücklich schlossen sie Ina in die Arme.
Gesa und Jochen heirateten in Kirchwalden im kleinen Kreis. Gesa zog zu ihrem Mann in die kleine Wohnung auf dem Speditionsgelände. Später wollten sie die Wohnung ausbauen und vergrößern. Als Juniorchef gab Jochen seinem Schwiegervater Arbeit in der Spedition. So blieb die Familie zusammen. Franz Krumbach verpachtete den Hof an den Wasmayrbauern, der ihn mitbewirtschaftete.
Dieter und Ina heirateten im Spätsommer, nachdem Dieter von seinem Onkel die Hälfte des Hofes überschrieben bekommen hatte.
Es wurde eine große Hochzeit gefeiert.
Ina und Dieter wurden sehr glücklich. Dieter und Hans hatten sich ausgesprochen. Trotzdem dauerte es eine Weile, bis die Freundschaft der beiden wieder die alte Qualität erreichte.
Gesa bekam einen Jungen. Sie war sehr glücklich und Jochen der stolzeste Vater, den man sich vorstellen konnte.
Ina und Dieter wurden im ersten Jahr ihrer Ehe Eltern einer Tochter.
Die ersten Frühaufsteher betraten den Wirtsraum der Berghütte.
»Grüß Gott!« rief ihnen Toni zu, »Gut geschlafen?«
Während Toni die Hüttengäste bediente, hörte er sie schwärmen. Toni schmunzelte. Es war immer dasselbe, wenn Städter zum ersten Mal in die Berge kamen. Sie erklärten, sich noch nie so gut gefühlt zu haben, wie nach der ersten Nacht auf der Berghütte.
»Ja, unsere klare Luft und die Ruhe, die tun dem Körper und der Seele gut. Da fällt jede Hektik ab. Streß hat da keine Chance. Da wird jeder binnen eines Tages zu einem neuen Menschen. Es ist eben wie im Paradies hier oben in den Bergen.«
»Oben im ›Paradiesgarten‹ ist es noch schöner!« rief die kleine Franziska im Vorbeigehen.
Toni warf dem kleinen Mädchen einen Blick zu. Er mochte es nicht, wenn jemand den »Paradiesgarten« erwähnte. Diese besondere Stelle in Gottes schöner Natur, wollte Toni vor dem Massentourismus schützen. Der »Paradiesgarten« lag ganz oben in den Bergen zwischen drei steil abfallenden Felshängen und war nach Süden hin offen. Normalerweise war die Vegetation in dieser Höhe eher dürftig. Doch im ›Paradiesgarten‹ grünte und blühte es wirklich wie im Paradies. Es wuchsen dort Pflanzen, die sonst in dieser Höhe nicht zu finden waren. Jeder, der einmal dort oben war, fand, daß das Gras grüner war und die Blumen bunter. Dazu kam eine fast heilige Stille, die