Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
habe noch eine Überraschung für dich, Karoline!« flüsterte ihr Pascal während des Tanzes ins Ohr.
Sie schaute ihn mit großen ängstlichen Augen an.
»Was ist? Freust du dich nicht? Was schaust du so ängstlich?«
»Ängstlich? Nein! Es ist nur so viel Trubel! Die Eltern sind in Hochform!«
»Wollen wir uns verziehen?«
»Damit würdest du mich retten, Pascal«, seufzte Karoline.
*
Unauffällig führte Pascal Karoline an den Rand der Tanzfläche. Er nahm sie an der Hand und sie verschwanden in einer dunklen Ecke des großen Gartens. Dort setzten sie sich unter einen Baum.
Karoline schloß für einen Moment die Augen.
»Also sprich! Was für eine Überraschung hast du?«
Pascal griff in die Hosentasche. Karolines Herz krampfte sich zusammen. In einer Sekunde schossen ihr Tausende von Ausreden durch den Kopf, Ausreden, seinen Antrag nicht annehmen zu wollen oder noch nicht annehmen zu wollen. Bitte, ihr himmlischen Mächte, laßt ihn nicht fragen! Gebt mir noch Zeit! So flehte Karoline stumm zu den Sternen hinauf.
»Hier! Das ist der Schlüssel zu meiner neuen Wohnung: drei große Zimmer, Küche, zwei Bäder, Terrasse vor dem Wohnzimmer, Balkon an der Küche, wunderschöner Blick, keine Nachbarn, Abstellplätze vor dem Haus und zwei Garagen!«
Karoline verstand nicht sofort, was er damit sagen wollte.
Pascal erklärte: »Mein Vater hat eine größere Eigentumswohnung gekauft. Er stellt sie uns zur Verfügung. Ist das nicht wunderbar? Mein Appartement wäre zu klein für uns beide. Jeder von uns braucht seinen eigenen Raum zum Lernen. Wir wollen doch, so schnell wie es möglich ist, das Studium durchziehen. Natürlich helfe ich dir dabei. Ich habe ja schon einen Vorsprung. Ich weiß, daß Chemie nicht deine Stärke ist. Ich habe die Wohnung schon eingerichtet. In deinem Zimmer liegen all meine Unterlagen. Du wirst ein gutes Examen machen. Da bin ich mir wirklich ganz sicher!«
Karoline seufzte.
»Ich weiß nicht, ob ich das will.«
»Wie bitte? Wie darf ich das verstehen? Du willst nicht, daß wir zusammenziehen? Da werden meine Eltern und auch deine aber enttäuscht sein.«
»Nein, das meine ich nicht! Ich habe keine Freude an Pharmazie.«
»Das überrascht mich jetzt doch sehr!« staunte Pascal. »Hast du mit deinen Eltern schon darüber gesprochen?«
»Bewahre! Wo denkst du hin?«
Pascal war erleichtert.
Er legte seinen Arm um Karolines Schultern.
»Ich verstehe dich! Nach dem Abitur war ich genauso verwirrt, wie du es jetzt bist. Erinnere dich doch einmal an unsere Gespräche. Die letzten zwei Jahre, besonderes das letzte Jahr vor der Prüfung, habe ich mein ganzes Denken auf diese Prüfung ausgerichtet. Das war auch richtig so. Du hast es doch genauso
gemacht: gelernt, gelernt und nochmals gelernt. Danach ist es nur verständlich, daß du in ein Loch fällst. Du wirst plötzlich unsicher, fragst dich, wie die Zukunft aussehen wird. Es ist sicherlich nicht leicht, die richtige Berufsentscheidung zu treffen.«
»Ach, Pascal!« seufzte Karoline. »Das stimmt alles, was du sagst. Hinzu kommt, daß ich mir nie Gedanken darüber gemacht habe. Ich sagte mir immer, das hat Zeit bis zum Abitur. Jetzt ist es soweit. Ich muß Farbe bekennen.«
Pascal hauchte Karoline zärtlich einen Kuß auf das blonde Haar.
»Ich will dir noch sagen, wie zauberhaft du heute aussiehst. Hast du bemerkt, wie dich alle beobachtet haben?«
»Ja! Das konnte ich kaum übersehen.«
»Deine Eltern sind mächtig stolz auf dich!«
»Ja, ja! Das sind sie! Vater sprach vorhin davon, daß ich ein Etappenziel erreicht hätte. Jetzt würde ich mich aufmachen, das nächste zu erreichen. Ich weiß wirklich nicht, ob ich das will.«
»Was willst du nicht? Apothekerin werden oder überhaupt studieren?«
»Pascal, ich weiß überhaupt nichts mehr. Da sind nur noch Fragen, Fragen, Fragen – mir fehlen die Antworten. Ich bin so unruhig! Pascal, wir kennen uns lange und gut. Darf ich dir etwas anvertrauen? Du darfst aber wirklich niemandem etwas erzählen!«
Pascal lächelte Karoline an. Er hob die Hand, wie sie es als Kinder immer getan hatten.
»Großes Indianerehrenwort!«
»Ich fühle mich unsicher. Da ist eine große Leere in mir. Ich suche etwas, aber ich weiß nicht, was ich eigentlich suche. Ach, guter Pascal, es ist so schwierig zu beschreiben. Da ist so eine treibende Unruhe in mir.«
Pascal streichelte Karolines Haar.
»Ich verstehe dich, liebste Karoline. Du bist ganz normal. Das, was du empfindest, ist ganz normal. Bis zum Wintersemester ist noch lange hin. Nach diesen Wochen des Lernens und Büffelns hast du jetzt keine Aufgabe. Da ist es doch ganz natürlich, daß du diese Leere empfindest. Jeder Mensch braucht Ziele, auf die er hinarbeitet. Wenn das Studium erst einmal begonnen hat, dann wird es dir wieder besser gehen. Du wirst glücklich sein. Wir haben die schöne Wohnung. Du kannst die verbleibende Zeit bis zum Semesteranfang nutzen, für uns ein Nest einzurichten. Wie wäre es damit? Damit hast du eine Aufgabe.«
Karoline schwieg eine Weile.
Ungeduldig wartete Pascal auf eine Antwort. Er war etwas enttäuscht, daß sich Karoline so wenig gefreut hatte auf die schöne neue gemeinsame Wohnung. Er spürte, wie angespannt sie war. Ich will ihr keinen Druck machen. Sie ist so angespannt und ausgepumpt von den letzten Wochen und Monaten, dachte Pascal und übte sich in Geduld.
Es dauerte eine ganze Weile. Dann streichelte Karoline Pascals Wange.
»Denke nicht, daß ich mich nicht freue. Das mit der Wohnung ist großartig.«
»Wollen wir uns morgen früh die Wohnung ansehen? Ich hole dich ab.«
Karoline schwieg. Sie überlegte.
»Morgen?«
»Ja! Du bist doch sicher neugierig! Das verstehe ich. Ich habe schon seit zwei Wochen den Schlüssel. Ich mußte mich sehr beherrschen, das Geheimnis für mich zu behalten. Die Wohnung ist traumhaft. Es ist eine Penthousewohnung. Wenn du willst, dann schleichen wir uns jetzt heimlich davon und fahren hin. Willst du?«
»Nein, nicht heute! Und auch nicht gleich morgen! Sei bitte nicht enttäuscht, Pascal. Ich brauche erst einmal Ruhe.«
»Dann sollst du sie haben!«
Er hielt sie fest. Karoline fühlte sich unter allen Menschen bei ihm noch am wohlsten.
»Laß uns eine Weile hier still sitzen und in die Sterne schauen!« flüsterte Karoline leise.
Pascal fühlte, daß Karoline fror. Er zog seine Jacke aus und legte sie ihr um die Schultern. Dann hielt er sie mit beiden Armen umschlungen. Ihre Lippen fanden sich zu einem zärtlichen Kuß. Karoline legte ihren Kopf an seine Schulter und schloß die Augen.
Auf Pascal ist Verlaß, dachte sie. Er will zwar auch, daß ich Apothekerin werde. Für ihn ist das Leben auch schon vorgeplant – er und ich, dann die Apotheke meiner Eltern, dann Kinder und… und… und… Trotzdem ist er derjenige, der von allen noch am meisten Rücksicht nimmt. Er ist derjenige, dem ich meine Gefühle und Bedenken anvertrauen kann.
Ist das Liebe?
Ist so die wirkliche Liebe?
Alle Gedanken vermischten sich: Gedanken über die Liebe, Gedanken über die Zukunft, Gedanken darüber, was wäre, wenn alles anders wäre.
Ja, wenn das Wörtchen »wenn« nicht wäre…
Karoline dachte den Satz nicht zu Ende. Sie lachte leise.
»Was