Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
sich, er wäre bei ihr. Sie wünschte sich, zusammen mit ihm in die Sterne zu schauen.
So verbrachte Karoline die nächsten Stunden mit Träumen. Sie träumte von der Liebe. Sie träumte davon, wie es sein würde, wenn er aus Waldkogel wäre. Sie versuchte sich auszumalen, wie er auf einem Hof lebte und wie es für sie sein würde, dort als Jungbäuerin an seiner Seite zu sein.
Karoline lächelte vor sich hin. Als Kind habe ich geträumt, wie es sein würde Prinzessin zu sein. Jetzt träume ich davon, die Braut an der Seite meines Traumprinzen zu sein.
Ach, seufzte Karoline. Wenn kein Wunder geschieht, wird mein Traum genauso unerfüllt bleiben wie meine Kleinmädchenträume. Doch eines wußte Karoline, sie wollte nicht weiter so leben, wie es ihr angeblich vorbestimmt war. Sie konnte sich plötzlich nicht mehr vorstellen, weiterhin mit Pascal zusammen zu sein. Das Leben, das sie an Pascals Seite erwartete, war nicht das, das sie sich wünschte. Das spürte Karoline in ihrem Herzen.
Die Turmuhr der schönen Barockkirche von Waldkogel schlug schon Mitternacht, als Karoline langsam zu den Baumbergers zurückging.
Es waren nur noch wenige Gäste in der Wirtsstube. Karoline grüßte und lächelte Meta und Xaver Baumberger zu. Sie ging gleich die Treppe hinauf in ihr Zimmer.
*
Zur gleichen Zeit saßen Karolines Eltern mit Pascal zusammen. Bei jedem Geräusch eines Autos rannte Agathe Bergmann zum Fenster oder hinaus auf die Terrasse.
»Agathe, bleib sitzen! Deine Nervosität und Unruhe sind sinnlos. Karoline ist in den Bergen, das hat sie deutlich geschrieben.«
»Das weiß ich, Berthold. Doch warum ist sie erstens einfach davongefahren, ohne sich zu verabschieden. Zweitens, warum hat sie sich nicht einmal von Pascal verabschiedet? Karoline wird immer seltsamer! Berthold, ich weiß mir keinen Rat mehr. Sie ist einfach unberechenbar. Und diese Begeisterung für die Berge? Unmöglich! Dort ist alles so einfach, sagt sie immer. Daß sie sich dort wohlfühlt, ist mir völlig unverständlich. Es war ein Fehler, sie damals mit der Schulklasse in die Berge fahren zu lassen. Bei dem Schulgeld hätte man erwarten können, daß sie mit den Schülern einen kultivierteren Ort aufsuchen als ausgerechnet dieses Waldkogel.«
»Du wiederholst dich, Agathe!«
Draußen war wieder ein vorbeifahrendes Auto zu hören.
»Bleib sitzen, Agathe! Karoline ist in den Bergen. Sie wird nicht vorfahren. Ende!«
Doktor Berthold Bergmann hob seine Augenbrauen und legte seine Stirn in Falten. Er schaute Pascal Hubschmidt an. Der junge Mann wirkte verlegen.
»Es tut mir leid, daß ich mit meinem Besuch Mißstimmung ausgelöst habe«, sagte er leise. »Wenn ich gewußt hätte, daß Karoline verreist ist, wäre ich nicht gekommen.«
»Das wissen wir doch, Pascal. Außerdem bist du uns immer willkommen, Junge! Mir ist Karolines Verhalten auch nicht verständlich. Wir – und auch du, Pascal – wir müssen alle ein ernstes Wort mit Karoline sprechen, wenn sie zurückkommt.«
»Ganz richtig, Berthold! Endlich nimmst du Vernunft an. Es ist völlig stillos, wie sich Karoline benimmt. Ich schäme mich so vor deinen Eltern, Pascal. Was müssen Sie jetzt von uns denken?« jammerte Karolines Mutter.
»Darüber müssen Sie sich keine Sorgen machen, Frau Bergmann. Noch wissen meine Eltern nichts. Ich werde ihnen…« Pascal lächelte. »Nun, ich werde meinen Eltern die Wahrheit etwas umschreiben. Ich kann es so darstellen, daß Karoline mit meinem Einverständnis einen Urlaub in Waldkogel macht. Außerdem ist es wirklich so, daß ich ihr dazu geraten hätte, wenn ich daran gedacht hätte. Karoline ist etwas durcheinander. Das ist nur verständlich, jetzt nach dem Abitur. So geht es vielen, bei mir war es nach dem Abitur auch so. Deshalb schlage ich vor, wir tun so, als wäre Karoline nicht heimlich und ohne Abschied abgefahren. Wir tun so, als sei es meine Idee gewesen. Das ist am Glaubhaftesten, denke ich. Sonst könnte der Umstand ihrer Abwesenheit vielleicht zu einem kleinen Skandal ausarten, zumindest zu Gerüchten führen. Das sollte unter allen Umständen vermieden werden, denke ich, nicht wahr?«
»Du bist ein weitblickender und sehr großzügiger junger Mann, Pascal. Karoline sollte sich glücklich schätzen, dich zu bekommen. Du weißt immer, was zu tun ist. Deshalb ist uns auch nicht bange, wenn Karoline jetzt in die Großstadt an die Universität zum Studium geht. Du wirst schon auf sie aufpassen, Pascal.«
»Das werde ich mit Sicherheit! Aber ich denke, daß Ihre Sorgen völlig unnötig sind, Herr Bergmann. Karoline weiß, was sie tut. Sie macht sich über alles und jedes Gedanken. Deshalb finde ich es gut, wenn sie einige Tage in die Berge fährt.« Pas-
cal trank einen Schluck Cognac. »Außerdem ist Waldkogel nicht so übel. Davon habe ich mich im letzten Jahr überzeugen können. Das gemeinsame lange Wochenende mit Karoline in Waldkogel war richtig nett. Ich gebe zu, daß es kein Luxusort ist. Es ist ein wunderbares Bergdorf mit einem ganz eigenen Reiz. Es ist vielleicht gerade diese bodenständige Schlichtheit, die Karoline so gefällt. Wenn es einen Ort gibt, an dem sie Ruhe finden kann, dann ist es Waldkogel. Davon bin ich überzeugt.«
Karolines Mutter lobte Pascal über alle Maßen für das Verständnis, das er aufbrachte. Sie schlug vor, daß er zu Karoline nach Waldkogel fahren solle. Er überlegte. Doch dann entschied er, daß er Karoline nicht sofort besuchen wollte.
»Vielleicht gegen Ende der nächsten Woche, wenn sie dann noch nicht zurück ist. Ich hoffe, daß sich Karoline bis dorthin bei mir meldet.«
»Das hoffe ich auch! Das ist doch das mindeste, was du erwarten kannst. Pascal, ich kann dir gar nicht sagen, wie betrübt ich über das Verhalten meiner Tochter bin. Wie mußt du sie lieben, daß du so verständnisvoll bist!« sagte Agathe.
»Liebe, das ist das Stichwort!« unterbrach Berthold seine Frau. »Wie steht es, hast du dir schon Gedanken gemacht, Pascal? Ich meine in bezug auf die Verlobung, da ihr ja zusammenzieht.«
»Ja, das habe ich! Darüber wollte ich heute mit Karoline sprechen. Es geht nicht nur darum, was ich will. Karoline muß es auch wollen.«
»Sicher will sie! Wie kannst du das in Frage stellen?« bemerkte Karolines Vater. »Wir haben so oft darüber geredet, wie das in der Zukunft werden soll. Außerdem hat Karoline sich nie für einen anderen jungen Mann interessiert. Du, mein lieber Pascal, bist derjenige, dem sie ihre Hand geben will. Da sind Agathe und ich uns ganz sicher.«
»Ich bin es auch! Es ist einfach ideal. Wir sind das ideale Paar!«
»Ja, das seid ihr! Beide stammt ihr aus guter Familie, habt fast die gleichen beruflichen Interessen und Ziele.«
»Und die Familien sind noch miteinander befreundet, Berthold. Das darfst du nicht vergessen«, ergänzte Agathe.
»Richtig!«
Berthold trank einen Schluck Cognac. Er schaute Pascal an.
»Pascal, hast du schon einmal daran gedacht, daß ihr vielleicht schon eher heiraten könntet? Damit meine ich schon bald, also noch während eures Studiums.«
»Nein! Nein, wenn ich ehrlich sein soll.«
Pascal Hubschmidt war jetzt doch überrascht.
»Klingt, als sollte ich Karoline sobald wie möglich an die Kette legen?« lachte er.
»Ganz so meine ich das nicht. Aber sie braucht einen starken Mann an ihrer Seite, denken wir. Jemand, der sie versteht und dem sie vertraut. Es heißt ja, daß Mädchen früher reifen als Jungen. Sie entwickeln sich schneller. Früher haben die Mädchen geheiratet, da waren sie noch sehr viel jünger als Karoline heute. Aber heute machen sie erst ihre Schule und Ausbildung, dann kommt die berufliche Bewährung. Das dauert alles sehr lange. Oft habe ich meine Zweifel, ob das richtig ist. Also, mein lieber Pascal, was ich damit sagen will, ist, wenn du und Karoline euch einig seid, dann legen wir kein Veto ein. Vielleicht wäre es wirklich sehr gut für Karoline, wenn sie bald deine Frau werden würde. Du machst bald deine Zwischenprüfung, bist ohnehin oft bei mir in der Apotheke. Was liegt also näher, als die Bande zwischen den Familien schneller enger zu knüpfen,