Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
Du liebst mich doch auch! Mach auf, Heidi! Ich rufe sonst so laut, daß es alle Nachbarn hören!«
Diese Drohung wirkte. Heidi drehte den Schlüssel in dem alten Kastenschloß und schob die beiden Riegel an der Tür zurück. Sie drückte die Klinke herunter und öffnete.
Gerd wollte eintreten und sie in den Arm nehmen. Heidi wich zurück. Sie schob ihn mit ausgestrecktem Arm auf den Treppenabsatz vor der Haustür zurück. Gerd sah sie mit großen Augen an. Er verstand nichts mehr.
»Gerd! Machen wir es kurz! Eine wirkliche Erklärung brauche ich dir nicht zu geben. Ich sage es dir aber auch gerne von Angesicht zu Angesicht! Es ist aus mit uns beiden! Vorbei! Ich will nicht mehr! Ich werde nicht mehr zum Hochsitz kommen und du wirst nicht mehr herkommen.«
»Warum? Warum? Liebste Heidi, warum? Ich verstehe das alles nicht! Bitte, erkläre es mir!«
»Da gibt es nichts zu erklären. Ich will dich nicht mehr! Ich beende hiermit unser Verhältnis oder was es auch immer war. Gute Nacht, Gerd!«
Heidi schloß die Tür. Sie schob den oberen und unteren Riegel vor und drehte den großen Schlüssel.
»Ist das dein letztes Wort?« hörte sie Gerd von draußen sagen.
Heidi antwortete nicht. Sie hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu. Sie rannte in ihr Schlafzimmer und warf sich auf das Bett. Ihr Herz klopfte. Sie zitterte am ganzen Körper. Heiße Tränen schossen aus ihren Augen. Sie sehnte sich so nach ihm, konnte ihren Gefühlen aber auch nicht nachgeben. Sie wollte nicht weiter nur zum Spielen da sein. Heidi war davon überzeugt, daß Gerd ein doppeltes Spiel spielte. Da war Dora und da war sie. Gerd hatte die Rollen schön verteilt. Nein, damit konnte sich Heidi nicht abfinden. Das war sie sich schuldig. Sie bereute es sehr, daß sie ihm überhaupt geglaubt und sich hingegeben hatte. Damit war aber jetzt Schluß.
Heidi lauschte in die Nacht. Endlich hörte sie Gerds Auto. Er fuhr davon. Heidi war froh, daß er fort war.
»Vorbei! Vorbei!« schluchzte Heidi in ihr Kopfkissen und weinte sich in den Schlaf.
Gerd Eichinger fuhr direkt heim. Er setzte sich auf die Bank vor das Haus und zündete sich eine Pfeife an. Er verstand die Welt nicht mehr. Er grübelte und grübelte. Noch vor drei Tagen hatte ihm Heidi ihre Liebe versichert. Ich kann mich doch nicht so geirrt haben! Sie liebte mich doch, genauso wie ich sie geliebt habe. Ich habe in ihre Augen gesehen, in ihre wunderschönen Augen.
Heidi kann mir nichts vorgemacht haben. Sie ist so ein ehrlicher Mensch. So ein anständiges Madl, und so, so lieb. Sie ist immer ohne Falsch gewesen, nicht so raffiniert wie viele andere Frauen hier. Sie war so zärtlich und voller Hingabe. Ich spürte doch ihre Liebe, die so rein war wie das Wasser eines klaren Bergquells.
Gerd blickte hinauf zum Mond. Er sah in den Sternenhimmel.
Er suchte in der Unendlichkeit des Himmels die Antwort und fand sie nicht. Er war verwirrt und bis ins Mark getroffen. Alles, was ihm etwas bedeutete, war zusammengestürzt wie ein Kartenhaus. Die ganze Zukunft, die er sich erträumt hatte, war zerstört. Es war, als hätte ein riesiger Sturm, eine wahre Urgewalt, die niemand verstand und deren Sinn immer verborgen bleiben würde, alles niedergerissen.
»Gerd! Hier bist du!«
Der Eichingerbauer kam aus der Haustür und setzte sich neben seinen Sohn.
»Bist schon wieder da? Bist heute früh dran. Sonst kommst doch immer erst später.«
Überrascht schaute Gerd seinen Vater an. Dieser schmunzelte.
»Bub, schau net so! Die Mutter und ich, wir haben schon bemerkt, daß du seit Monaten fast jede Nacht spät heimkommst. Hast wohl ein Madl, wie?«
Gerd schwieg eine Weile.
»Des muß dir net peinlich sein, Bub! Ich bin auch mal jung gewesen und habe deiner Mutter nachgestellt. Des gehört eben dazu zum Kreislauf des Lebens. Eines Tages wirst du Kinder haben, Gerd. Dann wirst du des auch aus meiner Sicht erleben.«
Gerd räusperte sich.
»Vater!« sagte er leise. »Deine Beobachtungen waren richtig. Doch ich habe mich wohl geirrt. Wie heißt der Spruch? Drum prüfe, wer sich ewig bindet!«
In Gerds Stimme lag Trauer, Enttäuschung und Bitternis. Sein Vater hörte es deutlich heraus. Sein Sohn war bis ins Mark getroffen.
Der Eichingerbauer holte seine Pfeife und den Tabaksbeutel aus der Tasche seines Lodenjankers. Er stopfte sie und zündete sie an. Zuerst stiegen mächtige Rauchwolken auf.
Dann brannte die Pfeife gleichmäßig. Der Bauer schwieg. Gerd schwieg. So saßen sie eine Weile zusammen.
»Tut mir leid, Bub. Aber sei net allzu sehr enttäuscht. Es wird des falsche Madl gewesen sein. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende! Du brauchst mir keine Einzelheiten zu erzählen. Ich kenne dich gut, Bub. Du machst des alles schon richtig. Du bist dir deiner Verantwortung immer bewußt gewesen. Eines Tages wirst du den Hof übernehmen. Deine Braut, die muß schon passen. Und wenn du jetzt festgestellt hast, daß sie net paßt, dann ist des zwar ein bisserl schmerzhaft, aber später hätte es noch mehr weh getan, denke ich. Also, vergiß des alles.«
Der Bauer zog an seiner Pfeife.
»Willst net einige Tage frei machen? Unternimm doch eine schöne Bergtour. Mach eine große Wanderung. Des tut deiner Seele gut, wirst sehen. Die klare Bergluft wird dir guttun.«
Gerd überlegte.
»Danke, Vater! Vielleicht mache ich das, vielleicht auch nicht. Im Augenblick bin ich dazu viel zu unkonzentriert. Ich habe zuviel im Kopf. Wenn man eine Hochgebirgstour macht, da muß man alle Sinne beisammen haben, sonst kann leicht ein Unglück passieren. Vielleicht mache ich nächste Woche eine Wanderung oder ich gehe einige Tage zum Toni auf die Berghütte.«
»Ja, besuche den Toni. Das ist eine gute Idee!«
Der Bauer zog erneut an seiner Pfeife.
»Dich hat es ganz schön getroffen Bub, oder?«
»Ja, das hat es!«
Gerd Eichinger seufzte.
»Vielleicht kann man die Liebe nicht suchen, Vater, überlege ich. Ich meine damit, man kann nicht losziehen und sich sagen, ich suche mir jetzt eine Braut. Die Liebe muß kommen. Ich habe gedacht, das wäre so bei dem Madl und mir. Doch ich habe mich geirrt. Es ist schwer, sich seinen Irrtum einzugestehen.«
Sein Vater legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Es ist immer und bei allen Dingen schwer, sich einen Irrtum einzugestehen. Doch Irrtümer gehören nun mal zum Leben. Es kommt immer darauf an, was man dann daraus macht. Such dir ein anderes Madl.«
Gerd Eichinger schüttelte den Kopf.
»Naa! Des werde ich net. Weißt, Vater, ich hab’ des Madl wirklich geliebt. Ich denke, ich kann nie mehr jemanden so lieben wie sie.«
»Ach, Bub! Des sagst jetzt so in deinem Schmerz. In einigen Wochen, Monaten, denkst du anders darüber.«
»Nein, Vater, das werde ich nicht. Das weiß ich. Sicherlich werde ich eines Tages heiraten. Der Hof braucht nach mir einen Erben oder eine Erbin. Das kann ich als Mann net allein machen. Dazu muß eine Frau her. Aber ich werde sie mit Sicherheit nicht so lieben.«
Gerd lachte bitter. Er schaute seinen Vater an.
»Weißt, Vater, über was ich vorhin nachgedacht habe? Vielleicht war des ganz früher, noch früher als zu Großvaters Zeiten, doch nicht so schlecht. Da brachten zwei Familien ihre Kinder zusammen. Sicherlich heirateten sie nur, wenn sie etwas füreinander empfanden. Aber die große Liebe war es in vielen Fällen bestimmt nicht. Es waren eher Zweckbündnisse. Das war vielleicht besser. Die Erwartungen waren nicht so hoch. Sie konnten auch nicht so tief fallen, so grenzenlos enttäuscht werden. Es war eine andere Art von Liebe und kleinem häuslichen Glück. Im Augenblick erscheint mir, daß dieser Weg vielleicht sinnvoller war.«
»Mei, Bub! Dich muß es ja ganz schön