Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.
Helena machte ein nachdenkliches Gesicht, und Sofia hielt es für besser, das Thema nicht weiter zu vertiefen. Sie konnte ja ohnehin nur Ratschläge geben – was die alte Dame letztlich tun würde, war allein ihre Entscheidung.
»Erzähl mir von euch«, bat Helena. »Das bringt mich auf andere Gedanken. Was machen eure Kinder und Christian?«
Sofia begann bereitwillig mit einem Bericht des Lebens auf Schloss Sternberg, und sie sah voller Freude, dass die Patientin sich tatsächlich ablenken ließ von ihren eigenen Problemen.
Gelöst waren sie dadurch freilich noch längst nicht.
*
»Spricht etwas dagegen, dass ich mich auf eigene Faust mal ein wenig umsehe hier?«, fragte Armin.
»Überhaupt nicht«, meinte Ludwig. »Dann kann ich in der Zwischenzeit ein paar Anrufe erledigen.«
Armin nickte. »Die Arbeit auf dem Gut muss ja weitergehen«, sagte er. »Auch wenn wir wilde Pläne für die Zukunft machen.«
»So wild sind sie nun auch wieder nicht«, fand Ludwig. »Sieh dich um, wo du willst!«
Dieser Aufforderung folgte Armin bereitwillig. Er ging systematisch vor, um zu begreifen, wie Gut Isebing funktionierte – und schon bald war ihm klar, dass er es tatsächlich mit einer Art Musterbetrieb zu tun hatte. Das freute ihn, denn es bestätigte den Eindruck, den er von Ludwig von Isebing gewonnen hatte. Sie würden erstklassig zusammenarbeiten können, das sah er jetzt.
Es dauerte nicht lange, bis er bei seinem Rundgang auf Charlotta stieß, die gerade dabei war, einen der Pferdeställe auszumisten.
Sie sah ihn mit böser Miene an. »Was wollen Sie hier?«, fragte sie. »Laufen Sie mir etwa nach?«
Er fing an zu lachen. »Um Himmels willen, nein, auf diese Idee wäre ich im Traum nicht gekommen. Ich sehe mir das Gut an, und dabei bin ich aus Versehen über Sie gestolpert. Aber keine Sorge, ich bin schon wieder weg. Die Ställe kann ich mir auch ansehen, wenn Sie sich woanders aufhalten.«
Mit diesen Worten drehte er sich um und ging wieder, noch immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Ludwigs Jüngste war sehr hübsch, auch wenn sie sich die größte Mühe gab, das vor der Umwelt zu verbergen. Allein diese wilden Locken und das süße herzförmige Gesicht… Halt, sagte er dann energisch zu sich, du bist hier, um dich auf deine und Ludwigs Zukunftspläne zu konzentrieren – aus keinem anderen Grund. Lass dich bloß von dieser kleinen Kratzbürste nicht von deinen Zielen ablenken!
Kurz darauf kam er mit einigen der Männer, die auf dem Gut arbeiteten, ins Gespräch, und er fand seine ersten Eindrücke nur bestätigt: Ludwig von Isebing wusste, wie man die Arbeit auf einem solchen Gut organisierte, und wenn er jetzt Pläne hatte, sich auf neue Geschäftsfelder vorzuwagen, dann konnte man davon ausgehen, dass er sich das reiflich überlegt hatte.
Je länger Armin sich umsah, desto besser wurde seine Laune. Er freute sich auf die nächsten beiden Wochen, wenn Ludwig und er endlich Nägel mit Köpfen machen würden.
*
Charlotta wurde immer wütender, je länger sie über die Worte Armin von Thadens nachdachte. »Um Himmels willen, nein, auf diese Idee wäre ich im Traum nicht gekommen«, hatte er auf ihre Frage geantwortet, ob er ihr nachlaufe. Als wäre das so abwegig, dass man nur darüber lachen konnte.
Eigentlich hätte die Antwort sie zufriedenstellen müssen, aber dummerweise tat sie das nicht. Im Gegenteil, sie ärgerte sich darüber. Irgendwie hatte sie sich den Mann und ihr Zusammentreffen mit ihm anders vorgestellt: Er, hatte sie gedacht, würde sich anschleimen, und sie würde ihn nach allen Regeln der Kunst abblitzen lassen, damit ein für allemal klar war, dass sie sich nicht für ihn interessierte, gleichgültig, was ihre Eltern ihm vorher auch gesagt haben mochten.
Und nun lief das überhaupt nicht so. Er schien sich sogar über sie lustig zu machen, jedenfalls wirkte er in keiner Weise interessiert an ihr. Er sah sie nicht einmal an und tat ganz so, als sei es ihm nur recht, wenn er sie nicht sehen musste. Das passte ihr nicht, es passte ihr ganz und gar nicht!
So zornig machten diese Überlegungen sie, dass sie nicht einmal bemerkte, dass ihr Vater schon eine ganze Weile in der Tür stand und ihr mit wachsender Verwunderung zusah. Erst als er sich räusperte und fragte: »Was machst du denn da immer noch, Charly? Es ist doch längst alles sauber?«, fuhr sie herum und hörte endlich auf, den Boden zu schrubben.
Ludwig kam näher. »Ich dachte, Armin wäre vielleicht hier, er wollte sich auf dem Gut ein wenig umsehen, während ich einige Telefonate erledigen musste. Du hast ihn wohl nicht gesehen?«
Sie biss sich heftig auf die Lippen. »Er war kurz hier«, sagte sie dann, ohne ihrem Vater in die Augen zu sehen, »aber er ist gleich wieder gegangen.« Sie wandte sich ab und begann, frisches Stroh auf dem Boden zu verteilen, um ihrem Vater auf diese Weise klar zu machen, dass sie zu tun und keine Zeit für weitere Unterhaltungen hatte.
Ludwig sah ihr noch einen Moment zu, dann ging er.
Erst als er weit genug weg war, hielt sie inne und starrte hinaus in den Hof, wo sich jetzt auch Armin von Thaden einfand, der lächelnd auf ihren Vater zuging. Die beiden schienen sich wirklich großartig zu verstehen! Sie verspürte einen Stich der Eifersucht, als sie die Männer miteinander reden sah. Sie hasste Armin von Thaden. Er war unverschämt, und er schleimte sich bei ihrem Vater ein. Sie wünschte von Herzen, sie wäre ihm nie begegnet!
*
»Nein!«, rief Armin. »Du hast einen von den Isebings kennengelernt, Rosalie?«
»Ja, den Ältesten, Peter. Er ist Dozent hier an der Universität, stell dir das mal vor.«
»Das wusste ich nicht«, gestand Armin. »Ludwig hat mir nur erzählt, dass er Archäologe ist. Wie ist er denn so? Unausstehlich?«
»Wie kommst du denn auf die Idee?«, fragte Rosalie verwundert.
»Na, seine jüngste Schwester ist eine solche Kratzbürste, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Sie bemüht sich nach Kräften, mich zu vergraulen. Ihren Eltern ist das sehr peinlich, mich amüsiert es eher. Sie benimmt sich wirklich unmöglich, und offenbar sind beide zu schwach, um sie daran zu hindern. Das ist übrigens die einzige Schwäche, die ich bisher an Ludwig feststellen konnte.«
»Was meinst du damit: Sie benimmt sich unmöglich?«, erkundigte sich Rosalie.
Er schilderte ihr einige von Charlottas Bemerkungen, die sie ihm gegenüber gemacht hatte, und Rosalie rief: »Das kann sie so nicht gesagt haben, Armin, das ist doch grob unhöflich!«
»Sie IST grob unhöflich«, erwiderte er. »Ich sagte dir doch, sie versucht mit allen Mitteln, mich zu vergraulen. Vielleicht ist sie eifersüchtig, weil ich mich mit ihrem Vater gut verstehe, aber so leicht werde ich es ihr natürlich nicht machen.«
»Wie sieht sie denn aus?«, erkundigte sich Rosalie. »Ist sie wenigstens hübsch?«
»Im Prinzip schon«, erklärte Armin zögernd, »aber das verbirgt sie geschickt unter Blaumännern, dreckigen Arbeitshosen, weiten Hemden und einer speckigen Mütze, die sie meistens so trägt, dass man weder von ihren Haaren noch von ihrem Gesicht etwas sieht. Make-up benutzt sie nicht, und in normalen Klamotten habe ich sie noch nie gesehen.«
»Klingt ziemlich durchgeknallt«, murmelte Rosalie.
»Das ist vielleicht übertrieben, aber sehr eigenwillig ist sie schon. Ihr älterer Bruder ist also anders?«
»Völlig anders!«, antwortete Rosalie und begann, in einer Weise von Peter von Isebing zu schwärmen, dass Armin gar nicht anders konnte, als sie zu fragen: »Sag mal, hast du dich etwa in ihn verliebt?«
»Vielleicht ein bisschen«, gab sie vorsichtig zu, »aber da alle Studentinnen der Uni in ihn verliebt sind, sollte ich mir in der Hinsicht wohl lieber keine übertriebenen Hoffnungen machen.«
»Du hast doch gesagt, dass er dir gefolgt ist – dir und keiner von seinen für ihn schwärmenden Studentinnen!«
»Das