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Der kleine Fürst Staffel 5 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.

Der kleine Fürst Staffel 5 – Adelsroman - Viola Maybach


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helle Haut ebenso hervorhob wie die dunklen Haare. Und dann ihr Mund …

      Er wusste hinterher nicht zu sagen, wie es kam, dass sie plötzlich in seinen Armen lag. Jedenfalls

      küsste er sie voller Verlangen – war es doch das, wovon er seit dem vergangenen Tag träumte! Und tatsächlich öffnete sich ihr Mund, ihre Lippen waren weich und hungrig, ihre Arme schlossen sich um seinen Hals, ihr biegsamer Körper …

      Sie stieß ihn mit unerwarteter Kraft von sich, gleich darauf versetzte sie ihm eine scharfe Ohrfeige. »Ich hätte es wissen müssen!«, fauchte sie. »Sie sind ein Mann ohne Respekt und ohne Manieren!«

      Der Schlag war hart gewesen, seine Wange schmerzte. Als er seine Fassung einigermaßen zurückgewonnen hatte, war von Clara nichts mehr zu sehen.

      *

      Irina machte am Sonntag einen Spaziergang zum Haus der Ganghofers – und was sie sah, erfreute sie sehr. Es würde nicht mehr lange dauern, dann hatte die Familie ein schönes neues Dach und mehr Platz noch dazu. Da sie keine Aufmerksamkeit erregen wollte – wenn Lili sie gesehen hätte, wäre sie sicherlich hereingebeten worden – wandte sie sich bald wieder ab und schlug den Weg zur Innenstadt ein. Sie war unruhig, am liebsten hätte sie ihr Gespräch mit Johannes von Thalbach noch heute geführt, statt bis Dienstag zu warten.

      Und warum auch nicht? Kurz entschlossen rief sie ihn an. Seine Stimme klang hocherfreut, als sie ihren Namen genannt hatte. »Wie schön, dass Sie sich melden, Frau Mahler!«, sagte er. »Ich hätte Sie beinahe auch schon angerufen, um Sie zu bitten, schon heute mit mir zu reden. Es ist noch so lang bis Dienstag.«

      »Können Sie zu mir kommen?«

      »Jetzt gleich?«

      »Am liebsten ja.«

      »In einer Stunde bin ich bei Ihnen.«

      Sie kehrte also nach Hause zurück, kochte Tee und wartete ungeduldig. Er kam sogar ein bisschen früher – und er hatte es sich nicht nehmen lassen, vorher noch Blumen zu kaufen. Sie bat ihn, Platz zu nehmen, mit einem Mal war sie nervös. Worauf ließ sie sich ein? Was, wenn sie eine falsche Entscheidung traf? So lange lebte sie jetzt schon dieses Leben, für das sie sich entschieden hatte …

      Er nahm ihr die Last des Anfangs ab, indem er ihr eine Frage stellte: »Sind Sie mit meinem Freund Leonid verwandt, Frau Mahler?«

      »Ja, das bin ich. Wie haben Sie das herausgefunden? Hat er von … von mir gesprochen?«

      »Nein, er gibt wenig von sich preis, und ich habe mir von Anfang an gedacht, dass er gute Gründe dafür hat. Ich habe einfach gehofft, dass er mich eines Tages, wenn er mich besser kennt, ins Vertrauen ziehen wird, aber mir war immer klar, dass ich mir dieses Vertrauen erst verdienen muss.«

      »Wie haben Sie es denn dann herausgefunden?«

      »Durch Nachdenken. Und durch dieses Bild auf der Auktion. Es ist mir erst gestern eingefallen, dass Sie einander ähnlich sehen – jedenfalls sieht die Frau auf dem Bild Leonid ähnlich, falls ich mich richtig daran erinnere. Er hat es nicht aufgehängt, ich habe es mir nicht noch einmal ansehen können, und natürlich wollte ich ihn nicht darum bitten, es mir zu zeigen.«

      »Ich habe die Frisur geändert, damit die Ähnlichkeit nicht mehr so auffallend ist«, sagte sie leise. »Aber als ich von Ihnen hörte, dass Leonid hier ist und dass Sie ihn gut kennen, da wusste ich im Grunde schon, dass ich mit Ihnen reden muss.«

      »Und warum nicht mit Leonid?«, fragte er behutsam.

      Ihr Blick schweifte zum Fenster, verlor sich in der Ferne, und er konnte ihr ansehen, dass sie zwar noch bei ihm saß, aber in Gedanken weit, weit weg war. Er sagte nichts, um sie zurückzuholen, denn er war sicher, sie würde sich nach einer Weile von selbst wieder auf seine Anwesenheit besinnen.

      So war es dann auch. Sie lächelte entschuldigend und begann mit ihrem Bericht. Die Geschichte spielte, was Johannes nicht sonderlich wunderte, in St. Petersburg.

      *

      Kalli verlor keine Zeit. Am Sonntag erschien er in seinem besten Anzug bei Ganghofers und bat um eine Unterredung mit Lilis Eltern. Die fand im Wohnzimmer statt. Lilis jüngere Geschwister versuchten selbstverständlich zu lauschen, mussten aber enttäuscht aufgeben. »Sie reden so leise«, murrte Pat­rick, »dass man nichts versteht. Ich wette, das machen sie absichtlich. Weißt du, warum Kalli da drin ist, Lili? Und warum er sich verkleidet hat?«

      »Er hat sich nicht verkleidet, er trägt einen Anzug«, erklärte Lili und behauptete dann mit glühenden Wangen, keine Ahnung zu haben, welcher Grund Kalli hergeführt haben könnte.

      »Vielleicht will er das Dach jetzt doch nicht machen«, befürchtete Sandra. »Weil es zu viel Arbeit ist.«

      »Oder er will Geld«, raunte Oliver düster. »Dann lassen Sie uns mit der Plane hier sitzen, und wenn der nächste Sturm kommt, fliegt uns alles um die Ohren.«

      Die Zwillinge machten ängstliche Gesichter, wenn es so weiter ging, erkannte Lili, würden sie anfangen zu weinen.

      »Es hat nichts mit dem Dach zu tun«, sagte sie daher.

      Patricks Blick war misstrauisch. »Woher willst du das wissen, wenn du keine Ahnung hast, warum er hier ist?«

      »Vielleicht ist er meinetwegen hier«, murmelte Lili verlegen.

      »Wieso das denn?«, fragte Oliver. »Hast du ihm was getan?«

      »Eigentlich nicht, nein, aber …«

      Ganz plötzlich fiel bei Sandra, die das immer röter werdende Gesicht ihrer Schwester nicht aus den Augen gelassen hatte, der Groschen. »Er ist in dich verliebt!«, platzte sie lauthals heraus.

      »Sei doch still!«, fuhr Lili sie an.

      Während noch Oliver, Patrick und die Zwillinge die Blicke zwischen ihren beiden älteren Schwestern hin- und herwandern ließen, wurde die Wohnzimmertür geöffnet, und ein strahlender Kalli trat heraus, gefolgt vom lächelnden Ehepaar Ganghofer. »Kinder«, rief der Familienvater, »jetzt wird Verlobung gefeiert!«

      Kalli umarmte Lili stürmisch und küsste sie vor ihren kichernden Geschwistern. »Dürfen die das, Mama?«, erkundigte sich die kleine Mara mit großen Augen bei ihrer Mutter.

      »Ja, das dürfen sie, Mara – wenn man verliebt ist, darf man sich auch küssen.«

      Die Kinder bekamen Apfelschorle, für die Erwachsenen hatte Kalli extra eine Flasche Sekt besorgt. »Mitten am Tag«, sagte Frau Ganghofer besorgt, »da bekomme ich bestimmt einen Schwips.«

      Den bekam sie tatsächlich, was besonders die Kinder entzückte, denn das war etwas ganz Neues: Eine Mutter, die nicht arbeitete, sich keine Sorgen machte, sondern einfach nur mit ihnen zusammen am Tisch saß und dabei lachte und scherzte, hatten sie bisher noch nie erlebt. Und als sie dann noch hörten, dass Lili und Kalli unters Dach ziehen würden, kannte der Jubel keine Grenzen. Das war ja beinahe so, als bekämen sie noch einen großen Bruder dazu!

      Lili und Kalli waren bemerkenswert still. Aber was sollten sie auch reden, wo es doch reichte, sich tief in die Augen zu sehen, sich an den Händen zu halten und ab und zu einen verstohlenen Kuss zu tauschen? Das Reden überließen sie gern den anderen, sie selbst hatten genug damit zu tun, ihr Glück zu genießen.

      *

      »Danke«, sagte Anna zu Leonid, als sie für einige Augenblicke allein mit ihm war.

      Er sah sie erstaunt an, schien zu überlegen, was sie meinen könnte, dann erwiderte er: »Ich habe dir zu danken. Schlimm genug, dass mir eine Dreizehnjährige sagen muss, ich solle mich nicht wie ein Idiot benehmen.«

      »Das habe ich aber nicht gesagt«, protestierte Anna.

      »Nein, du warst höflicher.«

      »Haben Sie mit Clara geredet, bevor sie abgefahren ist?«

      »Nein – ich denke, es war besser so. Sie ist sehr böse auf mich. Und ich muss mir zuerst überlegen, was ich eigentlich will und was nicht.«


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