G.F. Barner 1 – Western. G.F. BarnerЧитать онлайн книгу.
bellen. Es knackt einmal, aber sie hören es nicht, weil der Hund bellt und zwei der Männer sofort losgehen. Der eine blickt über den Bretterzaun hinweg, der rechts zwischen Stall und Schuppen ist.
»Siehst du was?«
»Nein. Wer weiß, was der verdammte Köter hat. Ich sage euch …«
Sie reden, sie sind nur dunkle Schatten in der Nacht.
Noch ein Knacken, und dann drückt sich die Latte aus dem Querbalken. Er fühlt es, verstärkt den Druck, klemmt nun die Finger zwischen Latte und Querbalken. Gleich darauf kann er den Nagel ertasten, der sich aus dem Holz geschoben hat. Noch ein kleiner Druck, dann ist der Nagel ganz heraus.
Irgendwo im Haus ruft eine der Frauen nach Sam. Der Mann in der Hintertür des Hauses sagt brummig etwas und verschwindet.
Kenneth schiebt die Latte mit dem Nagel bis an den Pfosten heran, er dreht sie leicht, bis sie am Pfosten aufliegt. Dann tastet er über den Nagel hinweg.
Gleich darauf sticht die Spitze des Nagels in den Knoten an seinen Handgelenken. Er bewegt die Hände, spürt, wie der Knoten sich zu lockern beginnt. Langsam nach vorn rutschend, macht er den Knoten so weit auf, dass er nun mit den Fingern die entstandene Schlinge noch weiter auseinanderziehen kann.
Durch die Hintertür weht der Geruch nach gebratenem Speck zu ihm hin. Es beginnt nach Kaffee zu duften. Kurz danach kommt Sam wieder und sagt zu Flint, er solle nun essen gehen. Kenneth scheinen sie vergessen zu haben.
Dafür ist Kenneth ihnen sogar dankbar, denn er hat den letzten Knoten auf und die Hände frei. Einen Moment – vor dem ungewissen Schatten des Zaunes ist er nichts als ein dunkler Fleck – nimmt er die Hände Zoll um Zoll am Körper nach vorn. Eine Minute später zieht er die Beine leicht an. Hinter seinem Rücken kann er den Strick, der völlig locker ist, um den Pfosten ziehen. Er macht es so weit, dass er die Oberarme gut bewegen kann. Sollten sie nachsehen, ob die Fesseln noch fest sind, braucht er den Strick nur einmal anzuziehen, dann wird er wieder straff um den Oberkörper liegen.
Im Haus plärrt ein Kind, eine Frau schimpft, ein Mann redet dazwischen.
Flint geht wieder auf seinen Posten zurück.
Kenneth Cord aber hat auch an den Stiefeln den Knoten bereits gelöst. Er ist praktisch frei, er könnte aufspringen und die Seile von sich abstreifen. Verstohlen blickt er nach links, dort ist das freie Land. Dann dreht er langsam den Kopf, sieht zum Stall, auf die offene Tür und den Mann in ihr. An den Stall schließt sich der Bretterzaun an, vor dem in einer Ecke Holz gestapelt ist. Rechts kommt danach der Schuppen, der quer zum Haus steht. Das Haus bildet die rechte Seite dieses offenen Rechteckes.
Ein Mann im Stall, einer im Schuppen, der nächste in der Hintertür des Hauses. Drei Männer, von denen jeder schießen wird, ohne lange zu fragen.
Warten, denkt Kenneth bitter, ich muss warten, bis sie müde werden.
Loomis, der Bäcker, geht nun ins Haus.
Die Zeit verrinnt. Es muss inzwischen zehn Uhr sein, als er wiederkommt.
»He, du Strolch«, sagt Loomis und kommt direkt auf ihn zu. »Na, du wartest wohl immer noch auf deine Partner, was? Sieh mal her, was ich habe, oder hast du keinen Hunger? Ich schlage dir ein Geschäft vor, du Bandit …! Du bekommst was zu essen und sagst uns dafür, wo deine Partner stecken.«
Er kommt heran, bückt sich und zieht mit der linken Hand den Knebel aus Kenneths Mund. Dann hält er mit der rechten Hand einen Teller mit Bratkartoffeln und Speck unter seine Nase, aber er sieht nicht nach den Stricken.
»Loomis, streng dich nicht an, der sagt nichts, das ist ein ganz hartgesottener Halunke«, ruft der Schmied grimmig. »Mann, wenn der das Maul aufmacht, lügt er schon. He, du willst ihm doch nicht wirklich was zu essen geben?«
»Warum nicht, wenn er redet? Na, Bandit, nun sag mal was. Wo stecken die anderen mit Cranes Pferden, he? Das ist der dritte Pferdediebstahl in diesem Jahr. Im vorigen waren es ein halbes Dutzend. Mach den Mund auf, für jeden Satz bekommst du einen Bissen, ist das kein Angebot?«
Er beugt sich noch weiter vor und hat ein Stück Speck auf die Gabel gespießt, das bei seinen Worten dicht vor Kenneths Mund ist.
Jetzt, denkt Kenneth, und greift zu.
Er sieht in dieses dickliche Gesicht, mitten in die Augen, die sich entsetzt weiten.
Der Mann vor ihm, Loomis, ein Bäcker, der sicher nie den Ehrgeiz besessen hat, einen Banditen zu fangen, der Mann erstarrt.
Er ist kein Kämpfer. Er ist ein Held nur aus Zufall geworden, sie alle hier sind Gelegenheitshelden. Und darum reagiert Loomis auch nicht so, wie es ein harter Kämpfer tun würde. Er zuckt nicht einmal zurück, als vor ihm der Gefangene, den sie doch so fest gebunden hatten, seine Hände blitzschnell aus den Schlingen des Seiles zieht.
Loomis sagt gar nichts, er sperrt nur den Mund auf, als die Hände ihn packen und sich hinter seinem Nacken schließen.
Loomis wird nach vorn gerissen, ein Ruck, ein wilder Schwung, Loomis kracht auf die Knie und sieht den Pfosten vor sich, an dem der Mann gerade noch gesessen hat. Das Essen fällt in den Dreck.
In der nächsten Sekunde, unfähig sich zu wehren vor Schreck, knallt Loomis mit dem Kopf an den Balken. Er sieht ein ganzes Feuerwerk und stöhnt schrecklich. Er ist benommen, hat das Gefühl, dass sich alles um ihn dreht.
Den Ruck an seinem Hosenbund merkt er nicht mehr.
In dieser Sekunde geschieht es. Kenneth Cord hat den Revolver von Loomis und dreht sich.
»He!«, sagt Flint am Stall heiser. »He, was ist da los? Loomis, was gibt es?«
Aber Loomis antwortet nicht. Dafür bewegt sich jemand am Zaun.
Sam an der Hintertür will losrennen und hört plötzlich den Gefangenen scharf sagen: »Stehen bleiben, ich schieße! Ich habe Loomis erwischt, ich schieße ihn nieder, wenn ihr nicht pariert.«
Der blufft, denkt Sam und sieht zu spät, wie der Arm hochkommt.
Dann ist der Knall da, die Kugel faucht vor ihm in den Boden.
Wirbelnd dreht sich der Schmied, reißt sein Gewehr hoch, aber er sieht nicht genug. Wo steckt Loomis, welcher dieser beiden Schatten ist Loomis?
»Flint, lass die Waffe fallen, schnell. Ich erschieße sonst Loomis!«
Flint flucht, und Sam steht, in der Faust den Revolver, starr an der Hauswand und wagt sich nicht zu rühren.
Nach dem Brüllen des Schusses ist es im Haus still geworden. Es kommt Flint und Sam vor, als hielte selbst die Natur einen Augenblick den Atem an.
Und dann hört man plötzlich die Stimme von Loomis.
»Nicht, ich tue nichts, nimm den Revolver von meinem Hals.«
»Flint, ist das Gewehr bald am Boden?«
Flint gehorcht augenblicklich.
»Sam, die Hand auf!«
Der hat Augen wie eine Katze, denkt Sam entsetzt und gehorcht genauso schnell wie Flint. Dieser verdammte Bandit, was wird mit Loomis?
Es poltert in diesem Moment im Haus, es hört sich an, als fiele etwas um. Dann schreit Morgan, der sich genau wie die anderen im Haus aufhält und mit einem Gewehr die Straße bewacht: »Was ist los, was geht da vor?«
Schritte im Hausflur und die scharfe, kalte Stimme Kenneths: »Loomis, schnell, sag ihnen, was mit dir ist!«
»Morgan, nichts unternehmen, denkt an meine Frau und meine Kinder, er hat den Revolver an meinem Hals. Gehorcht ihm, er ist frei.«
Einen Augenblick herrscht Totenstille, dann ruft jemand aus dem Haus: »He, du Bandit, hörst du mich?«
»Ganz genau«, erwidert Kenneth draußen kühl. »Niemand verlässt das Haus, sonst stirbt Loomis. He, Flint, streck die Hände hoch und geh zu Sam. Morgan, hörst du mich?«
»Hölle und Pest,