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Hure spielen. Die Arbeit der Sexarbeit. Melissa Gira GrantЧитать онлайн книгу.

Hure spielen. Die Arbeit der Sexarbeit - Melissa Gira Grant


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Sex nicht die Antwort ist, was ist dann die Frage? Für Grant ist es der Aspekt der Arbeit in dem Wort Sexarbeit. Das hört sich simpel an, ist es aber keineswegs, angesichts des anhaltenden Streits darum, ob Prostitution nun ein Beruf ist wie jeder andere auch. Keine Ahnung: Ist Soldat_in ein Beruf wie jeder andere auch? Ist die Arbeit in einem Atomkraftwerk ein Beruf wie jeder andere auch? Ist Balletttänzer_in ein Beruf wie jeder andere auch? Und was ist mit den ganzen Berufen, von denen ich noch nicht einmal eine Ahnung habe, dass sie existieren?

      Menschen, die ich sehr schätze und die mich hoffentlich trotz dieses Vorwortes weiterhin schätzen werden, können nicht verstehen, dass ich als Feministin nicht gegen Prostitution bin.4 Wenn irgendwo ein Bordell gebaut werden soll, erklären Zeitungen und Abgeordnete unisono, dass das »natürlich im höchsten Maße frauenfeindlich«5 sei. Warum natürlich?

      Die Überzeugung, dass Prostitution die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern nicht nur untermauere, sondern sogar begründe, verliert dadurch ein wenig an Gewicht, dass es genügend Länder gibt, in denen Prostitution bei hohen Strafen verboten, es mit den Rechten der Frauen aber trotzdem nicht sonderlich weit her ist, wie etwa Saudi-Arabien oder Afghanistan. Aber was ist mit der moderateren Vermutung, dass Sexarbeit die Sexarbeiter_innen nachhaltig schädigt?

      Melissa Gira Grant fing mit Sexarbeit an, um ihr Schreiben zu finanzieren. Hätte sie sich emanzipierter gefühlt, wenn sie stattdessen Böden geschrubbt hätte? Sie sagt: Nein, aber sie hätte dann deutlich weniger Zeit an ihrem Computer verbringen können. Was geht es mich an, wie sie oder irgend jemand schreiben oder arbeiten möchte, solange sie dabei niemanden verletzt?

      Doch das ist genau das Perfide an Argumentationen wie Alice Schwarzers »Prostitution ist Ausbeutung und zugleich Fortschreibung der traditionell gewachsenen Ungleichheit zwischen Männern und Frauen«.6 Denn damit würde Sexarbeit nicht nur zur Ausbeutung der Sexarbeiterin, sondern machte diese gleichsam zur Ausbeuterin anderer Frauen, weil sie das System von Ausbeutung unterstützte. Konjunktiv. Ergo wäre ein Verbot gerechtfertigt. Immer noch Konjunktiv!

      Die Setzung, dass Sexarbeit ausschließlich Unterdrückung von Frauen sei, ist historisch so nicht haltbar. Dazu müssen wir nicht einmal bis ins Altertum und zur Tempelprostitution zurückgehen, über die wir schlicht zu wenig wissen. In Amerika hatten Sexarbeiterinnen im späten 19. Jahrhundert mehr Rechte als der Durchschnitt der weiblichen Bevölkerung (plus ein besseres Einkommen und die Möglichkeit, Eigentum zu besitzen). Meine Lieblingsprotagonistin dieser Zeit ist Mary Ellen Pleasant, besser bekannt als die »Mutter der Menschenrechte in Kalifornien«, die nicht nur eine überaus erfolgreiche Bordellbetreiberin war, sondern auch eine berüchtigte Sklavendiebin, die zahllose Schwarze aus dem Süden des Landes schmuggelte und ihnen durch ihre guten Beziehungen Jobs verschaffte. 1866 und 1868 verklagte sie den Staat Kalifornien, weil sie als schwarze Frau nicht die gleichen Sitze wie Weiße in Straßenbahnen benutzen durfte – und gewann!

      Eine andere Frau, die ich bewundere und die Sexarbeiterin war, ist Maya Angelou. Am 28.4.2014 starb die Schriftstellerin, Professorin und Bürgerrechtlerin, und ihre Nachrufschreiber_innen erwähnten beschämt, dass sie als junge Frau Prostituierte (oder hämisch: Zuhälterin) gewesen war. Die einzige Person, die sich nie geschämt hatte, war Maya Angelou. »Was hätte es für unser Selbstwertgefühl bedeutet, wenn ihr wunderbares Mitgefühl für Sexarbeiter_innen besser bekannt gewesen wäre?«, fragt die Bloggerin Peechington Marie. »Maya Angelou hat Sexarbeiter nie abgewertet und ließ sich von übergriffigen und unverschämten Fragen über ihre Vergangenheit niemals einschüchtern. Wie sähe die Sexarbeiter_innen-Community aus, wenn über diese Arbeit genauso gesprochen würde wie über ihr Tanzen mit James Baldwin7 oder ihre beeindruckende Größe von über einem Meter achtzig?«8

      Sexarbeit muss nicht degradierend sein, Hure genannt zu werden, ist es in der Regel aber durchaus, erklärt Melissa Gira Grant, weshalb sie dem Hurenstigma ein eigenes Kapitel in diesem Buch widmet. Doch durchdringt das Hurenstigma auch alle anderen Kapitel und Auseinandersetzungen wie ein besonders hartnäckiger Schimmel. Um Redundanzen zu vermeiden, hier nur ein Beispiel: Heute morgen – also nicht heute, wenn Sie dieses Buch lesen, aber leider noch immer aktuell – bekam ich eine E-Mail von der Filmemacherin Ulrike Zimmermann: »Wir haben gerade in Kochel bei einem Seminar Sexarbeit und Medien gedreht – Teilnehmer eines Parallelseminars hatten Probleme, am selben Tisch wie wir zu essen …« Na dann guten Appetit.9

      Warum dürfen wir alles Mögliche – Eiscreme, Autos, Waffen – mit Hilfe von Sex(appeal) verkaufen? Aber bloß keinen Sex?

      Nun stimme ich dem zu, dass mit unserem auf Geld basierenden Tauschhandel etwas nicht ganz koscher ist. Doch warum wird ausgerechnet Sex von allen anderen Tauschwaren ausgenommen?

      Dem schließt sich die berechtigte Frage an: Wer bin ich? Habe ich Erfahrungen aus erster Hand mit Sexarbeit oder warum spreche ich so emphatisch über Dinge, von denen ich keine Ahnung habe? (Womit ich in dieser Debatte natürlich in bester Gesellschaft wäre.) Die Antwort lautet: Ich weiß es nicht. Denn Sexarbeit ist keine Berufsbeschreibung, was spätestens dann auffällt, wenn man sich beim Arbeitsamt nach Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeitsrechten erkundigt. Ich habe mein Studium durch Aktphotos finanziert. Zählt das? Wahrscheinlich nicht, da bereits unsere Vorstellungen von Prostitution heteronormativ sind: Ein Mann bezahlt eine Frau, um seinen Penis in eine ihrer Körperöffnungen stecken zu dürfen. Penetration hört sich ja schon so ähnlich an wie Prostitution.

      2012 kam The Sessions in die Kinos. Der Film basiert auf der wahren Geschichte des Autors Mark O’Brien, der vom Hals abwärts gelähmt war und von einer Zeitung den Auftrag erhielt, über Surrogatpartner zu schreiben, also Sexualtherapeut_innen, die mit ihren Klienten Sex haben. Seine Schilderungen, wie er zum ersten Mal vor einem Menschen nackt ist, der kein Arzt oder Pfleger ist – zum ersten Mal körperliche Intimität erfährt –, und wie das sein Leben verändert, sind herzzerreißend. Wollen wir das direkt mitverbieten? Oder ist Sex auf Krankenschein (wobei Krankenkassen in Deutschland diese Leistung nicht übernehmen, im Gegensatz zu den Niederlanden und Dänemark) plötzlich nicht mehr schädlich für die Anbieter_innen? Weil das nicht in das Schema passt, dass Männer sexuell Macht über Frauen haben?

      Niemand kann haargenau sagen, wo Sexarbeit anfängt und wo sie aufhört – genauso wenig, wie wir sagen können, wo Sex anfängt und wo er aufhört.

      Aber wie beim Sex gibt es auch bei der Sexarbeit eine Menge Mythen, angefangen bei:

      •Männer brauchen mehr Sex als Frauen

      •Männer beuten die Frauen, von denen sie den Sex bekommen, den sie brauchen, aus

      •vor allem, wenn sie dafür bezahlen.

      (Faszinierenderweise ändert sich an diesem Täter-Opfer-Schema auch dann nichts, wenn Angebot und Nachfrage umgedreht sind:)

      •Ein männlicher Sexarbeiter – sprich: Gigolo – nutzt die Bedürftigkeit von Frauen aus.

      Wie so viele unserer intimsten Überzeugungen, haben auch diese eine Geschichte. Um den Rahmen eines Vorworts nicht zu sprengen, spare ich mir einen Exkurs über die Konstruktion von männlicher Sexualität als aktiv und weiblicher als passiv von Aristoteles bis Freud und komme direkt auf die Geschlechtsehre: In unserer Kultur wurde die Ehre der Frau traditionell in ihrem Körper verortet, nämlich in ihrer Jungfräulichkeit oder – nachdem sie diese ihrem Ehemann geopfert hatte – in ihrem Status als ehrbarer Ehefrau. Im Gegensatz dazu wurde die Ehre des Mannes im öffentlichen Raum verhandelt, also auf dem Schlachtfeld oder im Beruf. (Entsprechend gab es ehrbare und unehrliche Berufe, was nichts mit ethischen Überlegungen zu tun hatte, sondern mit der gesellschaftlichen Akzeptanz: Schmiede waren ehrbar, Kesselflicker nicht etc.)

      Verlor eine Frau ihre Geschlechtsehre – und zwar egal, ob freiwillig oder unfreiwillig –, verlor sie damit ihren Platz in der Gesellschaft, was nicht selten tatsächlich eine Frage von Leben oder Tod war. Während Männerkörper in Kriegen zwar nicht minder ausgebeutet wurden, ihre Ehre allerdings erst dann in Gefahr war, wenn sie sich dem System verweigerten, indem sie beispielsweise desertierten, woraufhin sie ebenfalls – meistens durch Hinrichtung – aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden.

      Das ist die gesellschaftliche


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