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Elfenzeit 5: Trugwandel. Uschi ZietschЧитать онлайн книгу.

Elfenzeit 5: Trugwandel - Uschi Zietsch


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oder ihres Liebhabers – und der Beweis liegt darin, dass ich hier in Ketten hänge. Genügt dir das? Ich will hier raus.«

      »Und was hast du mir anzubieten?«

      »Erst deine Einwilligung!«

      »Du traust mir nicht?«

      »Niemandem, kleiner Bruder, das macht mich so erfolgreich. Ich mache dir folgendes Angebot: Weil wir das Blut desselben Vaters in den Adern haben, werde ich dich nicht verraten, ich schwöre es dir. Dies ist ein Handel unter Brüdern: Ich gebe dir einen Träger für die Botschaft, und du lässt mich frei. Keine weiteren Bedingungen.«

      Das bedeutete aber auch, dass Ainfar später Fanmór dazu verhelfen konnte, Gericht über den Bruder zu halten. Ainfar wäre nicht mehr an diesen Handel gebunden, da er beendet war, sobald alle Bedingungen erfüllt waren. Und der Gerechtigkeit würde Genüge getan.

      Ainfar seufzte. »Also gut. Weil du mein Bruder bist und ich dein Blut nicht an Händen haben will.« Davon trug er heute schon genug, es musste nicht noch mehr dazu kommen.

      »Brav. Jetzt komm her und greif mir ins linke Ohr.«

      »Das ist ekelhaft.«

      »Allerdings, denn ich habe meine Ohren sehr lange nicht mehr geputzt. Nun mach.«

      Ainfar konnte sich kaum überwinden, schon allein, dass er so nahe an Alebin herantreten musste, das blutverkrustete Haar wegschieben, um dann zuerst mit einem, dann nach entsprechender magischer Weitung mit zwei Fingern in das Ohr des Bruders zu greifen. Er fühlte Klebriges und Glibbriges, irgendetwas floss heraus, das sich in stinkenden Qualm verwandelte, und Ainfar war nahe daran, sich zu übergeben. Doch schließlich umfassten seine Finger etwas Festes, Warmes, das sich leicht bewegte. Hastig griff er zu und zog die Hand zurück.

      Staunend blickte er auf einen weißen Fliegenden Ohrwurm, nicht länger als ein Daumennagel, der sich zwischen den Fingerkuppen wand und vibrierend mit den schillernden Flügeln schlug. »Du bist …«

      »… ein echter Teufelskerl, ich weiß, ich weiß.« Alebin grinste. »Na? Überzeugt?«

      »Aber wie bringe ich ihn durch das Portal?«

      »Keine Sorge, es wird offen sein. Es magisch zu sichern, kostet den Getreuen momentan zu viele Kräfte. Außerdem ist er wahrscheinlich gerade in der Menschenwelt, um seine beiden verblödeten Helfer zu instruieren. Ich habe schon lange keine Geräusche von oben mehr gehört.«

      »Dann muss ich mich beeilen.« Ainfar war schon auf dem Sprung, als Alebin schnell einwarf:

      »Aber vorher darf ich dich erinnern …«

      »Ja. Ich habe es nicht vergessen.« Ainfar prüfte die Ketten. Die Manschetten waren innen mit Eisen ausgelegt, damit der Gefangene sich nicht auf magischem Wege befreite. Die Aufhängung in vier Richtungen tat das Übrige, dass er sich nicht rühren konnte. Ansonsten war weiter kein Geheimnis dabei.

      Der Tiermann suchte eine Weile nach dem Schlüssel, fand ihn endlich in einen Felsen eingelassen, und schloss die Manschetten auf – sprach allerdings einen Bann darüber, der sie trotzdem noch zusammenhielt.

      »Was soll das?«, rief Alebin empört.

      »Eine kleine Absicherung, Bruder«, erwiderte Ainfar. »Sobald der Ohrwurm sicher am Ziel angekommen ist, öffnen sich die Ketten von selbst, und du bist frei. Solange musst du dich gedulden.«

      »Ich muss ohnehin noch ein wenig heilen, und hier unten habe ich die beste Ruhe dazu. Mein Folterknecht hat derzeit anderes zu tun, als sich um mich zu kümmern.« Alebin grinste anerkennend. »Gute List, kleiner Bruder, ich bin beeindruckt. Du hast dich enorm entwickelt.«

      »Ich hatte einen … guten Lehrmeister.«

      »Recht getan. Und nun spute dich, damit ich endlich freikomme.«

      Ainfar rannte die Treppe hinauf, nahm immer zwei Stufen auf einmal. Unterwegs flüsterte er dem Fliegenden Ohrwurm die Botschaft ein. Auf dem Gang angekommen, sicherte er hastig nach allen Richtungen und huschte dann weiter zu Bandorchus Gemächern. Bevor er nach links zur Tür abbog, sah er kurz in der Dämmerung am Ende des Gangs einen großen, unförmigen Haufen liegen, und musste schlucken. Immerhin hatte der Getreue die bedauernswerten Opfer nicht überall verstreut herumliegen lassen.

      Und wie Alebin vorausgesagt hatte, war der Mann ohne Schatten nicht anwesend. Woher er das nur immer alles wusste … vielleicht hatten es ihm die Felsen geflüstert. Als Darby O’Gill war er unwiderstehlich, von eleganter Zunge. Egal, in welchem Zustand er sich jetzt befand, er verfügte immer noch über außergewöhnliche Fähigkeiten. Möglicherweise hatte er den Felsen etwas eingeflüstert, das sie dazu brachte, ihn auf dem Laufenden zu halten.

      Vorsichtig probierte Ainfar, die verbotene Tür zu öffnen – und fand sie unverschlossen vor. Als er genauer hinsah erkannte er, dass sich schon vor ihm jemand daran versucht und das Schloss gründlich zerstört hatte, samt Bann. Umso besser.

      Auf der gegenüberliegenden Seite strahlte das Portal in gleißendem Licht. Ainfar gab dem Fliegenden Ohrwurm letzte Instruktionen, bevor er ihn losließ. Das kleine Botentier schwirrte ins Licht hinein. Kurze Zeit später flog ein blau leuchtender Funken herein, der gleich darauf verglühte. Das verabredete Zeichen.

      Ainfars Herz schlug ihm bis zum Hals. Es hatte geklappt! Der kleine Wurm war durchgekommen und auf dem Weg zu Regiatus in der Anderswelt.

      Für einen kurzen Moment war der Tiermann der Versuchung nahe, ebenfalls zu gehen. Doch seine Aufgabe war noch nicht beendet.

      Langsam ging er in das Schlafgemach zurück und setzte sich dort an die Bettkante. Alebin dürfte inzwischen frei sein, aber sicherlich den günstigsten Moment abwarten, bis er verschwand. Jetzt war das Risiko zu groß, dass er dem Getreuen über den Weg lief. Es war Ainfar gleich. Er hoffte, den Bruder nie wiederzusehen.

      Ainfar rieb sich das Gesicht. Er war sehr müde. Doch das war erst der Anfang.

      Er musste kurz eingenickt sein und fuhr hoch, als er das Nahen einer eisigen Aura fühlte. Bald darauf öffnete sich die verbotene Tür, und der Getreue kam herein. Er schien wieder halbwegs bei Kräften, nachdem er so vielen Elfen die Lebenskraft abgesaugt hatte, doch seine Aura flackerte leicht, und seine Bewegungen waren keineswegs so wuchtig wie sonst.

      »Es ist alles vorbereitet«, sagte er zu Ainfar. Mit keinem Wort erwähnte er seinen Missmut, dass der Elf niederen Rangs sich auf dem königlichen Bett niedergelassen hatte, wenn auch nur bescheiden am Rand. Ebenso wenig interessierte er sich für seinen Namen. »Hol die fünfzig, und die anderen sollen auf Abruf warten. Teile den übrigen mit, dass sie bald das Schattenland verlassen dürfen, sobald ich das Zeichen gebe.«

      Der Tiermann schaute auf. »Alle?«

      »Gewiss. Das Portal bleibt offen und von dieser Seite aus für jeden frei passierbar. Die Zeit wird diesen Ort zerstören, damit er nie wieder missbraucht werden kann. Er hat ohnehin seinen Sinn verloren.« Der Getreue schüttelte den Kopf. »Und da nennt ihr mich grausam.«

      »So einfach ist das nicht, Herr …«

      »Manchmal ist es das, Elfenmann. Manchmal durchaus.«

      Ainfar dachte an Alebin, der nun ganz legal gehen konnte. Das musste der Getreue doch wissen. Warum tat er das? Oder hatte er ihn schon vergessen in Hinblick auf das, was er jetzt zu tun hatte?

      »Ich muss zurück. Erledige, was ich dir aufgetragen habe. Cor und der Kau nehmen euch auf der anderen Seite in Empfang und werden euch an einen sicheren Ort bringen. Dort wartet ihr auf euren Einsatz.«

      »Wie Ihr wünscht, Herr.« Ainfar stand auf, verneigte sich und ging in den Thronsaal zurück.

      Er hielt eine Ansprache an die wartenden Elfen mit dem Auftrag, seine Worte hinauszutragen und überall im Schattenland zu verbreiten: von nun an existierte das Reich der Schmerzen und des Schreckens nicht mehr. Nur noch kurze Zeit, dann durften alle, die dazu in der Lage waren, das Land ohne Wiederkehr verlassen.

      Ja, manchmal bereitete das Schicksal seltsame Wege.


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