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Elfenzeit 4: Eislava. Verena ThemsenЧитать онлайн книгу.

Elfenzeit 4: Eislava - Verena Themsen


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Boden sank, nur um dort wieder wie in einem unsichtbaren Sog zusammen zu treiben und erneut aufzusteigen. Doch seine Gedanken waren nicht bei der Schönheit, die sich ihm präsentierte. Sie war es nicht, weswegen er hierher gekommen war.

      Etwas muss geschehen sein, dachte Ainfar. Seit Gwynbaen … Bandorchu dieses Land gebrochen hat anstatt von ihm gebrochen zu werden, hat sie stetig an ihrer Befreiung gearbeitet – und nun scheint sie einen Durchbruch erzielt zu haben! Ich muss in Erfahrung bringen, was genau sie plant.

      Ainfar hatte in dem Lustgarten gelegentlich kleinere Arbeiten verrichtet und dabei erfahren, dass die Königin gern hier verweilte. Manchmal wurde sie von Höflingen begleitet, meist jedoch nur von ein oder zwei Dienerinnen.

      Heute hatte er keinen Blick für die kunstvoll arrangierten Steinblüten, deren normalerweise gefährliche Ranken mit metallenen Spangen in sinnverwirrenden Mustern über die gebrochenen Kristalle gespannt waren, oder die schlanken, in sich gewundenen Arboratien, von denen jeder aus einer anderen Mischung ineinander geflochtener Bäume zusammengestellt war. Heute war sein Blick fest auf den Durchgang geheftet, der zu den Gemächern der Königin führte.

      Gerüchte kursierten schnell in dieser Zitadelle, die nur wenige Geheimnisse erlaubte und kaum Möglichkeiten der Zerstreuung bot. Bandorchu hatte vor kurzem ihrem Palast einen neuen Turm zugefügt, und heute würde sie seine Wände schwärzen. Sie würde aus ihren Gedanken den dunklen Staub rieseln lassen, dem sie alle ihre neue Heimat verdankten, und ihn auf dem klaren Kristall ablagern, um Licht und Schatten den Eintritt zu verwehren und zu verhindern, dass sie jemals wieder ein Bild zurückwarfen.

      Danach würde sie erschöpft sein und die Ruhe des Gartens aufsuchen, um sich zu erholen. Doch dieses Mal würde sie nicht mit ihren Vertrauten allein sein. Ainfar würde heimlich dabei sein, in der Hoffnung, dass sie etwas von ihren Plänen verriet.

       Damit ich endlich das tun kann, weshalb ich hergekommen bin. Damit die Angst und der Schrecken und der Schmerz, das Vergessen und das Wiederfinden, endlich einen Sinn bekommen. Damit ich Möglichkeiten finde, eine Verbindung zu Regiatus aufzubauen, was mir bisher nie gelungen ist.

      Kurz blitzte vor seinem inneren Auge wieder das Bild des Getreuen auf, doch er schob es beiseite.

       Egal wie groß die Gefahr ist – die Gefahr, mich hier endgültig zu verlieren, ist größer. Was bleibt von mir, wenn ich wieder vergesse, warum ich hier bin?

      Etwas bewegte sich hinter den hängenden Ranken des grünen Wasserfalls, der einen Teil des verwinkelten Gartens Ainfars Blick entzog; es ließ die Zweige darin schwanken und die Blätter erwartungsvoll rascheln. Ein Windhauch trug leise Stimmen mit sich, eine gemurmelte Unterhaltung zwischen zwei Frauen. Und dann, gebieterisch darüber erhoben, erklang der reine Sphärenklang der Stimme der Königin. Das Warten hatte sich gelohnt.

      Augenblicke später teilte sich der Vorhang der mit kleinen, Blutstropfen gleichenden roten Blüten besetzten Hängeranken. Die Zweigfinger einer Dryade schoben sie zur Seite und gewährten Einblick in die Höhlung unter dem moosigen Fels, an dessen Kante die Ranken verwurzelt waren. Dort saß sie, womöglich eine Spur bleicher als gewöhnlich, gegen den dunklen Fels gelehnt und die Augen geschlossen. Schatten deuteten Falten an, die sonst nicht zu sehen waren. Und doch strahlte sie Herrschaft aus, ungebrochene Macht.

       Macht, die trotz ihres verschwenderischen Einsatzes und der Widrigkeiten dieser Welt eher zu wachsen scheint als zu schrumpfen. – Oder vielleicht gerade deswegen?

      Sie hob eine Hand und drehte den Kopf in Ainfars Richtung, um die Dryade anzusprechen. Ihre Lippen bewegten sich, und wieder hörte er den reinen Klang ihrer Stimme, ohne jedoch über dem Rauschen des nahen Brunnens den Wortlaut verstehen zu können.

       Ich muss näher heran.

      So, wie er war, in der Gestalt eines Elfen, würde er sich allerdings nicht verbergen können. Doch ihm standen andere Wege zur Verfügung.

      Ainfar konzentrierte sich. Es war lange her, dass er das letzte Mal seine Gestalt gewechselt hatte. Niemand in der Zitadelle sollte diese Fähigkeit kennen, damit auch niemand Verdacht schöpfen konnte, wenn er begann, sie anzuwenden. Und es hatte sogar Zeiten gegeben, da er selbst sie vergessen hatte …

      Er schüttelte die unangenehme Erinnerung – die Nicht-Erinnerung – ab und konzentrierte sich, in seinem Geist entstand das Bild von etwas, zu dem er werden wollte. Er spürte das Wesen, sein Fell, seine Krallen, jeden seiner Atemzüge und jeden seiner Herzschläge, und glich seine eigenen Takte daran an. Sein Atem wurde schnell und flach, sein Herzschlag beschleunigte sich, und die Härchen auf seiner Haut stellten sich auf.

      Überall auf seinem Körper begannen die dunkelbraunen Linien einen sinnverwirrenden Tanz, weiteten und wanden sich und veränderten das Gewebe darunter zu etwas festerem. Immer weitere Härchen sprossen daraus hervor, schlossen sich zu einem dichten silbrigen Fell über dem dunklen Leder zusammen, während darunter der Körper des Elfen sich zusammenkrümmte und schrumpfte. Das durchgehende Braun seiner Augen wurde schwarz, und er kniff die Augenränder etwas zusammen, um einen Teil der Helligkeit auszuschließen, die plötzlich hineinfiel.

      Eine Weile sah er seine Umgebung nur verschwommen, während sie sich reckte und streckte und in scheinbaren Dehnungen und Windungen um ihn herum in die Höhe wuchs. Dann wurde seine Wahrnehmung wieder klarer, als die Instinkte und Sichtweisen des Tiers in ihm die Oberhand gewannen, dessen Gestalt er angenommen hatte, ohne dabei sein eigenes klares Ich zu verdrängen.

      Sein Kopf befand sich kaum mehr als eine Handspanne über dem Boden, und er hatte die Sicht auf die umrankte Felsnische verloren. Eine felsige Hügellandschaft voller bizarrer Bäume und Büsche schien nun zwischen ihm und seinem Ziel zu liegen. Ainfar richtete sich auf den Hinterbeinen auf, fuhr sich mit den kleinen schwarzen Händchen, die lediglich weiche Krallen hatten, über seine flache Stupsnase und schnüffelte. Gleichzeitig zuckten die mit flauschigen Büscheln bewachsenen dreieckigen Ohren herum, auf der Jagd nach jedem Laut, der ihm etwas über seine Umgebung verraten konnte.

      Da. Ihr Lachen. Und ein süßer und trotzdem leichter Duft zog durch den Garten, ein Duft nach Futter und Wärme und Nähe. Hastig ließ er sich wieder auf die Vorderpfoten nieder und tauchte in den Dschungel aus großen Blättern und dicken Ranken ein, als der sich der Garten ihm nun darbot.

      Eigentlich hätte es ihn nur wenige Augenblicke kosten dürfen, über die Felsen zu huschen, die ihn von der Höhlung unter dem Rankenvorhang trennten. Doch für ein Wesen wie das, zu dem er geworden war, erwies er sich schnell als gespickt mit versteckten Fallen.

       Links über die Felsen … nicht den Steinblumen zu nahe kommen …

      Schon neigten sich die hungrigen Kelche zu ihm herunter, Klebfäden zischten an ihm vorbei, die ihn binden und zu den sonnengelb schillernden Blüten ziehen sollten. Speicheltropfen rannen über die Kelchränder und ließen ahnen, was ihn dort erwarten würde. Und gleichzeitig ertönten helle klare Töne wie von Silberglöckchen, beruhigend und voller anziehender Schönheit …

      Ainfar schüttelte den Kopf. Einen Moment hatte es tatsächlich Macht über ihn gewonnen, hatte ihn einen Sprung machen lassen, der ihn zu den Blumen hinführte. Seine Augen weiteten sich, und er warf sich mit einem erschrockenen Quietschen zur Seite. Dicht an seinem Ohr zischte ein weiterer Klebfaden vorbei, erwischte einige seiner langen Ohrhaare und zerrte daran. Mit einem erneuten Schreckenslaut warf er sich nach vorn, ohne auf den kurzen Schmerz zu achten, mit dem sich die Haare von ihren Wurzeln lösten. Es klang wie ein Peitschenknall, als der gespannte Klebfaden zurückschnalzte, ein Peitschenknall, der Ainfar weiter anspornte.

      Zwei, drei Sprünge mehr, dann tauchte er in einen Wald aus langen schlanken Blättern ein. Er bemerkte seinen Fehler sofort. Schneidend scharf fuhren die Blattkanten über seine Haut, rissen sie auf und ließen Reihen kleiner blutiger Punkte entstehen, die das weiße Fell befleckten. Ainfar duckte sich tiefer, versuchte, so vielen der Blätter auszuweichen wie möglich, und hoffte, dass er die Staude bald hinter sich ließ. Die nächsten würde er umgehen, so viel war sicher.

      Es wurde heller vor ihm, und er beschleunigte seine Sprünge, hechtete zwischen


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