Mission SOL 2020 / 11: Anker der Superintelligenz. Olaf BrillЧитать онлайн книгу.
Gegner.
»Schön haben es die Solaner dir hier gemacht, Flattermann«, dröhnte Zerbone. Sein massiger Körper füllte den Türrahmen beinahe vollständig aus. Noch ein Schritt, dann war er in Aroffs Zelle.
Der Paratronschirm hinter ihm flimmerte. Der Leutnant auf der anderen Seite hatte die Strukturlücke wieder geschlossen, durch die Zerbone in das Gefängnis gelangt war. Das Schott schloss sich. Sie waren allein.
»Kannst du dir vorstellen, wie die Terminale Kolonne dich behandelt hätte, wenn du ihr Gefangener geworden wärst?« Zerbone hatte breite Schultern, kräftige Arme, den Kopf einer Schlange und langes, silbernes Haar. Er war ein Mor'Daer, der Angehörige eines Volkes, das ebenso wie die Ganschkaren zu den treuen Dienern der Terminalen Kolonne TRAITOR gehörte. Doch Zerbone war zum Überläufer geworden, einem Feind der Kolonne. Das gefährlich aussehende Reptilwesen hatte sich als schwächer erwiesen als der dürre Flattermann.
Gemächlich erhob sich Aroff und begrüßte auf diese schlichte Weise den alten Freund. »Du bist irregeleitet, Schlange. Die Kosmokratenknechte haben deinen Kopf aufgeschnitten und dir alles genommen, was deinem Leben einen Sinn gegeben hat. Wer bist du jetzt, da du nicht mehr mit dem Geist der Terminalen Kolonne verbunden bist? Du bist vom Weg abgekommen, mein Freund. Du musst zu uns zurückfinden! Es ist deine Pflicht!«
Der Mor'Daer machte einen beherzten Schritt auf Aroff zu. Der zarte Duft der Schlangenhaut wurde intensiver. »Ich treffe meine Entscheidungen aus freiem Willen und habe keine Pflicht mehr gegenüber der Terminalen Kolonne TRAITOR. Du bist derjenige, der den rechten Weg nicht findet. Nicht die Solaner waren es, die unsere Klonkörper auseinandergeschnitten und auf widernatürliche Weise zusammengefügt haben, sondern die Anatomen der Terminalen Kolonne TRAITOR. Sie haben uns wie Sklaven behandelt und uns ihren Experimenten unterworfen. Erst seit die Solaner die Kralle des Laboraten in unseren Köpfen desaktiviert haben, sind wir freie Wesen. Auch du bist ein freies Wesen, Aroff!«
»Und du bist ein Narr, Zerbone! Haben die Solaner dich etwa nicht einem grausamen Gewaltakt unterworfen, gegen deinen Willen? Würden sie wahrhaftig jemals zwei ehemalige Kolonnenoffiziere an ihrer Seite akzeptieren? Glaubst du, dies ist Freiheit?« Mit einer leichten Armhebung deutete Aroff um sich.
Zerbone trat noch einen Schritt näher und damit beinahe auf Armlänge an Aroff heran. »Du bist gefangen, weil du dieses Raumschiff in die Luft sprengen wolltest. In den Augen der Solaner bist du ein Terrorist, und ich kann sie verstehen.«
Mitleidig blickte Aroff den alten Gefährten an. »Ich habe verhindert, dass die SOL TRAITOR angreift. Ohne mein Eingreifen hätte sie längst das Sphärenlabyrinth und TRAZULS Dorn zerstört. Ist das eine gute Sache?«
Zerbone wechselte zu einem milderen Ton. »Du hast damit die Vielen Einen gerettet, deren Lebensraum das Sphärenlabyrinth ist. Das kann ich anerkennen.« Er hob die Stimme um eine Nuance. »Aber die Terminale Kolonne hat das Sphärenlabyrinth nicht für die Vielen Einen geschaffen, sondern um Krieg in viele Universen zu tragen. «
Er zögerte kurz, sprach dann umso entschiedener weiter. »Die Operation hat dir stärker zugesetzt als mir. Sobald du erkennst, dass du nun wirklich frei bist, kannst du immer noch auf unsere Seite kommen. An meine Seite, Aroff!« Das letzte Wort sagte Zerbone beinahe zärtlich, und es schmerzte Aroff, den Freund so reden zu hören.
Traurig wiegte Aroff den Federkopf hin und her. »Wie konntest du nur so die Orientierung verlieren, Zerbone?«
Abrupt wich der Mor'Daer die zwei Schritte wieder zurück, die er Aroff entgegengekommen war. Sein Körper straffte sich. »Dann werden wir nie wieder Seite an Seite stehen und für eine Sache kämpfen, die wir beide für gut und gerecht halten?«
Ohne auf Aroffs Antwort zu warten, drehte sich Zerbone um. Mit ein paar schnellen Schritten erreichte er das Schott, das sich sofort vor ihm öffnete. In gleichbleibendem Tempo durchdrang der Mor'Daer den Paratronschirm, in dem sich passgenau eine Strukturlücke auftat.
Nachdenklich sah Aroff ihm eine Weile nach. Er überlegte, ob er soeben einen Freund verloren hatte ...
... und kam zu dem Schluss, dass darüber das letzte Wort noch nicht gesprochen war. Nur, wer würde wen auf seine Seite ziehen?
2.
A-Kuatond
Zum ersten Mal in ihrem Leben betrat A-Kuatond das eigentliche Herz von BARILS Adyton, der Zitadelle des Ritterordens auf Kessaila.
Oh, sie war schon oft im Adyton gewesen. Dort fanden die Versammlungen der sieben Ritter BARILS statt. Dort hatten sie zuletzt über Perry Rhodan Gericht gehalten und Haldukass zur Rechenschaft gezogen. Haldukass, den Verräter. Die gefallene Stimme BARILS.
Doch noch nie war A-Kuatond zur Spitze des Adytons vorgestoßen, jener trichterförmigen Plattform, die wie eine Krone auf dem schlanken Turm saß, der die Ritterstadt Muaal überragte. Die sieben mächtigen Dornen des Trichters reckten sich dem Himmel entgegen, ein Symbol dafür, dass die sieben Ritter BARILS über die Galaxis Yahouna wachten.
Würdevoll ging A-Kuatond die breiten Stufen der Treppe hinauf, die sich um den Schaft des Trichters schraubte, der im Gebäude verankert war. Ihre Mentorin Yalaba hatte A-Kuatond verraten, dass sie die erste Ritterin seit Generationen war, die diesen Weg beschritt. Mehr noch: Jenes Objekt dort auf der Spitze des Adytons war eigens für sie erbaut worden, die Kriegerin BARILS.
Sie dachte daran zurück, was Yalaba zu ihr gesagt hatte: Du wirst dich auf die Mission begeben müssen, für die BARIL dich zur Ritterin erwählt hat ... Du wirst als Pilotin des Lockschiffs SYRAN gebraucht.
Das Lockschiff SYRAN – das also war all die Zeit der Name und die Funktion der Trichterplattform oben auf BARILS Adyton gewesen. Zwischen den Dornen saßen mächtige Maschinen, Feldtriebwerke, stark genug, das Lockschiff SYRAN hoch hinaus in den Himmel zu erheben und weiter hinauf in den Weltraum. Es war zu einem einzigen Zweck geschaffen worden, und sie war auserwählt, als Pilotin diesen Zweck zu erfüllen.
A-Kuatond war weit gekommen. Sie war die letzte Zentrifaal aus der Galaxis Plantagoo. In Yahouna, viele Millionen Lichtjahre von der Heimat entfernt, hatte sie unter der schützenden Hand der Superintelligenz BARIL ihre Bestimmung gefunden. Als Ritterin, die für das Gleichgewicht in Yahouna sorgte, als Kriegerin BARILS und als Pilotin des Lockschiffs SYRAN.
Sie bedauerte nur, dass ihr Orbiter, der Mensch Perry Rhodan, nicht mehr an ihrer Seite war.
Aber er hatte sich als allzu schlichtes Gemüt erwiesen, das die wahren Zusammenhänge nicht begriff. Sein Herz schlug nicht für BARIL. Zum Glück hatte sie das noch rechtzeitig erkannt.
A-Kuatond war erfüllt vom Geiste BARILS, während sie den Trichterschaft umrundete. Sie hörte, nein, sie fühlte ein Wispern, das ihr Herz erwärmte, ihr wie Heimat schien und sie hypnotisch anzog.
Erinnerst du dich an uns? Wir gehören zusammen. Komm! Komm zu uns! Komm in SYRANS Chor! Werde eins mit uns!
Der Chor weckte so etwas wie Erinnerungen in ihr, wobei sie nicht ganz sicher war, ob es ihre eigenen Erinnerungen waren. Dennoch waren sie so intensiv, als seien sie es. Ein Gefühl, als wäre sie schon immer eins mit SYRANS Chor gewesen. Als ob ein Kreis sich schloss. Hinter einem dünnen Schleier eine ganze Welt auf sie wartete. Es war wunderschön.
Sie zwang sich zu Besonnenheit. Yalaba hatte sie gewarnt. Du darfst den Schleier nicht zerreißen, bevor du am Ziel bist. Gib dich nicht vollkommen dem Chor hin. Noch nicht. Konzentriere dich auf deine Aufgabe.
Yalaba, die massige Malyonerin mit der beinahe transparenten Haut, hatte A-Kuatond von Haldukass' Welt Unja geerntet. Dabei war A-Kuatonds ursprünglicher Körper aufgelöst und ihr Geist in einen eigens gezüchteten Klonkörper transferiert worden. Zu leicht konnte ihr Geist sich wieder lösen und ins Nichts verwehen. Sie durfte dem Lockruf von SYRANS Chor nicht verfallen, so groß die Versuchung auch war. Nicht, bevor sie ihre Aufgabe erfüllt hatte.
Die ehrenvollste Aufgabe einer Ritterin BARILS: das Lockschiff SYRAN ins Sphärenlabyrinth zu steuern, zu TRAZULS Dorn.
3.