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Wechselgeld für einen Kuss. Ruth GogollЧитать онлайн книгу.

Wechselgeld für einen Kuss - Ruth Gogoll


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denen sie privat verkehrte – bediente Dorothea am liebsten selbst, obwohl sie nichts davon verstand.

      Schon öfter hatte sie zudem durchblicken lassen, dass Nicola die Kleider aus dem Laden tragen sollte, quasi als Vorführmannequin, um den Damen den richtigen Eindruck zu vermitteln, und das hätte Nicola ja auch gern getan, aber leider ging Frau Wrede zur Mühlen davon aus, dass Nicola sie dafür zuerst kaufen müsste. Was Nicola sich nicht leisten konnte, denn die Preise begannen oberhalb ihres Gehaltsniveaus.

      »Frau Harnoncourt! Wo sind Sie denn schon wieder?« Dorotheas schrille Stimme fing sich hinten im Lager.

      »Du hast mich doch gerade erst hier hingeschickt.« Aufseufzend ließ Nicola den Pullover, den man auch als Abendkleid hätte tragen können – zumindest wenn man vom Preis ausging –, im Karton, und begab sich wieder nach vorn.

      Sie hatte schon manchmal den Verdacht gehabt, dass Dorothea sie nur wegen ihres wohlklingenden Namens eingestellt hatte, den sie dann durch den Laden rufen und damit Eindruck schinden konnte. Hätte Nicola einfach nur Müller oder Schmidt geheißen, hätte sie das vielleicht nicht so oft getan. Oder sie gar nicht erst eingestellt.

      »Kundschaft«, empfing Frau Wrede zur Mühlen sie mit einem strafenden Blick. Und von ihrem Tonfall ausgehend schloss Nicola daraus, dass diese Kundin nicht zum engeren Freundeskreis der schönen Dorothea gehörte, da sie sie sonst selbst bedient hätte.

      »Ja, selbstverständlich«, sagte Nicola. »Ich kümmere mich darum.« Wie um alles hier, dachte sie.

      Sie ging an einem Ständer mit teuren, dafür aber umso stoffärmeren Blusen vorbei, und erstarrte fast, als sie die ›Kundschaft‹ erkannte.

      »Hallo«, sagte Lian.

      Ein paar Sekunden lang konnte Nicola nicht reagieren. »Woher weißt du, wo ich arbeite?«, fragte sie dann in scharfem Ton, aber so unterdrückt, dass es fast wie ein Zischen klang. Das fehlte ihr noch, dass Frau Wrede zur Mühlen mitbekam, dass Lian und sie sich kannten.

      »Woher weißt du, dass ich nicht gekommen bin, um etwas zu kaufen?«, fragte Lian zurück.

      Nicola schürzte die Lippen. »Ich würde sagen, das, was hier verkauft wird«, sie ließ ihren Blick über die Ständer mit exaltierten Kleidern, Blusen und Schuhen gleiten, die sich in krassem Gegensatz zu dem befanden, was Lian trug, »ist nicht so ganz dein Stil.«

      »Und wenn es nicht für mich ist?«, fragte Lian. »Ich bin auf der Suche nach einem Geschenk.«

      »Ach so.« Warum versetzte ihr das jetzt so einen Stich? Sie kannte Lian doch überhaupt nicht. Sie hatten einmal miteinander zu Abend gegessen, sonst gar nichts. Lians Nummer hatte sie auf ihrem Handy blockiert, weil sie beschlossen hatte, dass es dabei auch bleiben sollte. Warum sie sie nicht gleich gelöscht hatte, darüber machte sie sich lieber keine Gedanken. »Welche Größe hat die Dame?« Nicola lächelte leicht spöttisch. »Wobei ich vielleicht dazusagen sollte, dass alles über Size Zero hier in dem Laden schon als Übergröße gilt.«

      »Kann ich mir vorstellen«, sagte Lian. Sie lächelte im Gegensatz zu Nicola freundlich, fast wie um ihr zu zeigen, dass es keinen Grund gab, es nicht zu sein. »Aber die . . . Dame ist ziemlich dünn. Könnte also passen.« Lässig schlenderte sie auf einen Ständer zu und ließ ihre Finger über den Stoff eines Kleides gleiten. »Schön«, sagte sie. »Seide?«

      Nicola nickte. »Mit einem Hauch von Bambus. Sehr angenehm im Sommer.«

      »Führst du die Kleider auch vor?« Kurz ließ Lian einen Blick über ihre Figur schweifen. »Dir passt es doch auch, oder?«

      Schon wollte Nicola diese Zumutung zurückweisen, da erschien plötzlich Dorothea wie aus dem Nichts neben ihnen. »Ist das Ihr Wagen da draußen?«, fragte sie und betrachtete Lian neugierig.

      »Stehe ich im Halteverbot?« Nicht wirklich besorgt warf Lian einen Blick zum Schaufenster hinaus.

      »Oh nein, nein.« Dorothea war plötzlich die Verbindlichkeit selbst. »Das ist völlig in Ordnung. Ein Bekannter von mir fährt dasselbe Modell. Speziell importiert.«

      »Ich weiß«, sagte Lian. Sie lächelte auf eine Art, die anzeigte, dass sie das nicht als etwas Besonderes empfand.

      »Sie können wieder nach hinten gehen, Frau Harnoncourt«, warf Dorothea Nicola hin wie einem Hund einen Knochen. »Ich übernehme hier.«

      Ist mir mehr als recht, dachte Nicola, drehte sich um, kam aber kaum einen Schritt weit, bevor sie Lian sagen hörte:

      »Ich hatte Frau . . . Harnoncourt gerade gefragt, ob sie die Kleider auch vorführt.«

      »Sie hat aber nicht dieselbe Größe wie Sie«, protestierte Dorothea ein wenig abwehrend.

      »Das Kleid ist ja auch nicht für mich«, erklärte Lian. »Die Dame, für die es gedacht ist, hat so ziemlich dieselbe Größe wie Frau Harnoncourt.«

      »Frau Harnoncourt«, hielt Dorothea Nicola widerwillig zurück. »Könnten Sie bitte bleiben?«

      Das klang ein wenig gepresst aus dem schmallippigen Mund, aber eine Kundin, die ein Kleid kaufen wollte, das sie sich – wenn man ihren Wagen betrachtete – auch leisten konnte, hatte natürlich gewisse Rechte. Zumal der Verkauf dieses Kleides Dorothea auf einen Schlag so viel Geld einbrachte, dass sie sich dasselbe Auto wie das, was draußen vor der Tür stand, fast gleich selbst davon hätte kaufen können.

      »Um welches Kleid handelt es sich?«, fragte sie Lian zuvorkommend, obwohl eindeutig zu spüren war, dass dies nicht zu ihren angeborenen Charaktereigenschaften gehörte.

      »Oh, ich habe mich noch nicht entschieden.« Lian wirkte ausgesprochen entspannt, so als ob sie jeden Tag Boutiquen leerkaufen würde. »Kann sie mir nicht mehrere vorführen? Dann kann ich mich entscheiden.«

      In Nicola kochte die Wut hoch. Eigentlich hatte sie die Energie, die sie gehabt hatte, bevor sie krank geworden war, noch nicht so ganz wiedergefunden, aber um Lian eine zu scheuern, würde es wohl reichen. Was erlaubte sie sich eigentlich? Wahrscheinlich wollte sie gar nichts kaufen, nur Nicola ärgern. Und wenn sie nichts kaufte, nachdem sie stundenlang hier im Laden gewesen war und Dorotheas Zeit in Anspruch genommen hatte, musste Nicola es nachher ausbaden.

      »Sie wissen nicht vielleicht schon, welches Kleid Sie unter Umständen kaufen würden?« Auch Dorothea war nicht so ganz glücklich mit Lians Vorschlag. »Das sind alles Einzelstücke hier. Modelle. Sehr teuer, wie Sie sehen. Und wenn da beim An- oder Ausziehen etwas passiert . . .«

      »Aber sicher. Ich verstehe.«

      Da Nicola sich jetzt wieder umgedreht hatte, konnte sie das Zucken in Lians Mundwinkeln sehen.

      »Ich werde eine Art Kaution hinterlegen. Ist Ihnen das recht? Und wenn etwas bei einem Kleid passiert, das ich nicht kaufe, können Sie jegliche Reparatur davon bezahlen. Oder ein neues Kleid.« Nonchalant zückte Lian eine Kreditkarte und hielt sie Dorothea hin.

      Die Boutiquebesitzerin schnappte nach Luft.

      Platin, dachte Nicola. Warum bin ich jetzt nicht überrascht?

      Es war eine dieser Karten, die im Prinzip keinerlei Limit hatten. Oder nur eins, das man höchstens mit dem Kauf einer Jacht ausschöpfen konnte.

      »Dann . . . Dann ist es natürlich in Ordnung.« Wie eine Krake grabschte Dorothea nach der Karte, als wollte sie sie sich gleich ganz einverleiben. Was sie wahrscheinlich am liebsten auch getan hätte. Ihr Mann war zwar wohlhabend, aber eine Platinkarte hatte er ihr noch nie überlassen. Wohlwissend, dass selbst er sich das bei den Einkaufsgewohnheiten seiner Frau mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht hätte leisten können.

      »Bitte, Frau Harnoncourt«, sagte Dorothea, während sie mit der Karte zur Kasse hinüberging. »Würden Sie das Kleid, das eben bereits im Gespräch war, schon einmal anziehen? Damit können wir ja anfangen.« Offensichtlich erwartete sie, dass Lian nicht nur ein Kleid kaufen würde.

      Am liebsten hätte Nicola geantwortet: Ich werde nichts dergleichen tun, aber das konnte sie


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